Innsbruck - Meran: Kurztransalp mit Ski und Öffis.
Frühling im Inntal, Frühling im Etschtal. Dazwischen perfekte Skitourenverhältnisse am Alpenhauptkamm. Für Raphaela Haug, Caja Schöpf und Daniel Hug die ideale Jahreszeit, um eine Alpenüberquerung auf zwei Brettern in Angriff zu nehmen. Nur wenige Tage stabiles Wetter verspricht die Vorhersage. Die drei entscheiden sich für eine Kurzversion, die Quintessenz einer Transalp: das Überqueren des Alpenhauptkammes. Vom Ötztal über den Gurgler Kamm und durch die Texelgruppe nach Meran. Den Rest erledigen Zug und Bus.
Die Frühlingssonne heizt das Inntal auf. Zweistellige Temperaturen in Innsbruck; frühsommerlich die Schlange an der Eisdiele. Innsbruck wäre aber nicht die heimliche Hauptstadt der Alpen, gäbe es da nicht eine Schnellverbindung in die Hochlagen der Alpen und somit zurück in den Winter. Vanilleeis in der Waffel, Ski auf den Schultern und Daniel Hug als Fotograf - all das verladen Caja und Raphaela am Innsbrucker Bahnhof in den nächsten Zug in Richtung Westen.
Das Trio vereint nicht nur eine Freundschaft und die Leidenschaft für den Bergsport. Alle drei haben während ihrer Studienzeit in Innsbruck gelebt. Raphaela ist Bergführerin, Caja Sportpsychologin und Daniel Fotograf und Filmemacher. „Schön, wieder in Innsbruck zu sein - ab in die Berge“, freuen sich die drei auf die kommenden Tage.
In Oetz mündet die Ötztaler Ache in den Inn und hier endet auch jede Zugreise mit dem Ziel Ötztal. Vanilleeis und Waffel sind mittlerweile verzehrt, Ski und Hug werden umgeladen. Der Bus 320 kutschiert in einer Stunde und 15 Minuten bequem durch das Ötztal, öffnet in Obergurgl die Türen und entlässt das Trio in Richtung Alpenhauptkamm. Vor dem Tag in der weißen Wildnis aber noch eine zivilisierte Hotel Nacht in Obergurgl.
Alpenüberquerung: Über den Gurgler Kamm nach Pfelders
©Daniel Hug
Als etwas weniger komfortabel empfinden die drei den frühen, fast nächtlichen Aufbruch. Bergführerin Raphaela Haug hat bei Frühjahrsskitouren nur wenig Sinn fürs Ausschlafen - Sicherheit geht vor! Noch folgen Caja, Raphaela und Daniel den Lichtkegeln ihrer Stirnlampen. Zuerst westwärts, entlang der Gurgler Ache, um dann an der Schönwieshütte in Richtung Süden abzubiegen. Schweigsam gleiten die drei über den flachen Talboden des Rotmoostals. Die Felle unter den Skiern zischen mit jedem Schritt auf dem hart gefrorenen Frühjahrsschnee. Am Rotmoosferner weicht die Dunkelheit der Nacht dem Morgengrauen. Mit den ersten Sonnenstrahlen auf den Gipfel der Ötztaler Alpen erreichen sie die Schlüsselstelle des Tages: ein steiler, nordseitiger Aufschwung vor dem Joch von Scheiberkogel (3135m) und Rotmooskogel (3338m). Zwischen dem Ende der Spitzkehren in dem schattigen Nordhang und der Morgensonne am Joch liegt ein kurzer Klettersteig. Ski an den Rucksack, ein paar kräftige Züge an dem kalten Stahlseil - endlich Sonne im Gesicht.
Tief unten im Tal das Tagesziel: Pfelders im Pfelderer Tal, einem Seitental des hinteren Passeier Tals.
Dazwischen liegt eine anspruchsvolle Skiabfahrt. 1500 Höhenmeter durch die steile Südflanke des Gurgler Kamms. Im Pulverschnee vorbei an der Zwickauer Hütte. Weiter unten ist dann Eile geboten. Die warmen Temperaturen und die kräftige Frühjahrssonne weichen die Schneedecke der Südseiten extrem schnell auf. Nur dank des frühen Aufbruchs in Obergrugl war eine Skiabfahrt an diesem Tag überhaupt möglich. Timing und Einschätzung der Verhältnisse gehören eben zu den Kernkompetenzen von Bergführerin Raphaela.
Felle und Skischuhe trocknen im Sonnenlicht. Kaffee und Apfelstrudel revitalisiert müde Skibergsteigerinnen und Fotografen.
Schlutzkrapfen und Knödel stehen beim Abendessen im Steinerhof auf der Speisekarte - wer liebt sie nicht, die Südtiroler Küche.
Die Geschichte des Steinerhofs geht zurück in die 30er Jahre. In eine Zeit von Schmugglern und des harten Bergbauern Lebens taucht man im kleinen Museum von Alberich Hofer ein. Als junger Mann wollte Alberich Geschichtslehrer werden. Für einen Bergbauern-Bub war das zu dieser Zeit nur schwer möglich. Mit dem Museum hat sich Alberich dann viel später im Leben einen kleinen Traum erfüllt. Dem Hausherren des Steinerhofs klebt man geradezu an den Lippen wenn er im feinsten Pfelderer Dialekt zu erzählen beginnt. Von seinen Haflingern, seiner Kindheit in den Bergen und warum Werte für ihn ein viel reicheres Erbe sind als alles Materielle - sie überdauern die Zeit. Alberichs selbst gebrannter Schnaps dient als Schlummertrunk an diesem Abend.
Auf Schmugglerwegen in Richtung Dolce Vita
Auch dieser Tag beginnt noch in der Nacht. Felle aufziehen, LVS-Check - Routine für die drei. Pfelders liegt bereits zurück, im Westen grüßt die Hohe Weiße (3277m) leicht schimmernd im allerersten Tageslicht. Meran lautet das Tagesziel. Der Gedanke an Pizza und Pasta unter Palmen wirkt in den tiefwinterlichen Hochtälern der Texelgruppe noch etwas unwirklich. Es ist kalt an diesem Morgen. Am Falschnaljoch zieht von Süden Nebel herauf. Die Wolkenfetzen wabern um die Gipfel von Schieferspitz (2816m) und Schwarzkopf (2805m). Das Gebiet zwischen Pfelders und Meran, ein grandioses aber weniger bekanntes Skitouren-Revier am südlichen Alpenhauptkamm. Einst haben Schmuggler hier in großen Kraxen Wein, Tabak und Salz über die grünen Grenzen der Berge transportiert. Geblieben sind Heldengeschichten und Pfade; beides von touristischem Wert für die Region.
Nebel, Niesel und eine eisige Querung hinüber zum Spronserjoch. Sonnenskilauf gestern, raues März-Wetter heute.
©Daniel Hug
Weit unter den Skispitzen erstreckt sich das Etschtal. Im Frühjahr oft kontrastreich, an diesem Tag mehr grau als grün. Wie lange die Skiabfahrt wohl sein wird?
Schussfahrt über die Spronserseen, in großen Radien vorbei an der Oberkaseralm und Bockerhütte. Mit dem Höhenverlust schwindet auch die Schneeauflage. Von verschwenderisch großen Schwüngen zu seitlichem Abrutschen auf der letzten Schneezunge durch den Lärchenwald. Auf einer Schotterstraße oberhalb von Dorf Tirol ist dann endgültig Schluss mit den Abfahrtsfreuden. Ski an den Rucksack, Turnschuhe an die Füße. Entlang der Apfelplantagen marschieren Raphaela, Caja und Dani zur nächsten Bushaltestelle. Auch wenn die Apfelblüte noch etwas auf sich warten lässt, das Foto mit Ski und Apfelbäumen muss sein. Ein Bus biegt ums Eck, 15 Minuten später stehen die drei mitten in Meran. Die Sonne blitzt durch die graue Wolkendecke, die kleinen Palmen zeugen von mediterranem Klima und markieren das Ziel der Alpenüberquerung.
Bei farbenfroher Pasta und kühlen Getränken schweift der Blick hinauf zur Texelgruppe. Hinauf zu einer anderen Jahreszeit, zu Pulverschnee und Schmugglerrouten. Die Alpenüberquerung zurück nach Innsbruck genießen die drei entspannt im Zug der Trenitalia.