ISCHGL | RELAX BABY

Ein Abenteuer im Paznaun
Text: Ralf Jirgens / Foto: Bergstolz

Sechs Jungs, ein Hotel mitten im Epizentrum von Ischgl – für die meisten Männergruppen bedeutet das: Après-Ski bis zum Umfallen. Doch nicht für uns. Wir sind zum Skifahren da. Fast schon außergewöhnlich in einem Ort, in dem man eher die neuesten DJ-Line-ups als die besten Lines im Gelände diskutiert. Dabei ist Ischgl für diejenigen, die das Gelände kennen, ein echter Freeride-Geheimtipp. Abseits der Partymeilen verbergen sich weite Hänge, versteckte Mulden und spannende Variantenabfahrten, die jede Menge Potenzial bieten. Zumindest in einem Winter, der Schnee liefert.

Dieser Winter jedoch hatte beschlossen, uns einen Strich durch die Powder-Rechnung zu machen. Die Schneelage war dünn, das Gelände größtenteils unbefahrbar. Doch ein Trip mit Freunden definiert sich nicht über Bedingungen – sondern über Geschichten. Und davon sollten wir genug bekommen.

Der erste Tag begann mit einem Blick auf die Hänge: wenig Schnee, viele Steine. Unsere geplanten Powderruns konnten wir gleich vergessen. Also schnallten wir die Ski an und machten das Beste draus. Die Pisten waren gut präpariert und boten mehr Spaß, als wir erwartet hatten. Carven statt Couloirs – ganz okay für den Einstieg. Da wir nun ohnehin das klassische Ischgl-Programm fuhren, durften wir uns dem zweiten großen Thema des Ortes nicht komplett entziehen: Après-Ski. Wenn man schon mal hier ist, kann man zumindest für ein paar Stunden in dieses Paralleluniversum eintauchen Aber auch hier gilt: Die Paznauner Thaya hat eine super Weinkarte, beim Plangger gilt „sehen und gesehen werden“ und gegenüber im Winkler treffen sich die Skilehrer. Natürlich musste dann ein Besuch im Kuhstall und Trofana folgen… Tag zwei brachte die Sonne – aber nicht mehr Schnee. Also entschieden wir uns für ein Alternativprogramm, das zu einem echten Highlight wurde: Ein Abstecher zur Heidelberger Hütte. Eine gemütliche Anfahrt mit der Piz Valgronda Bahn, ein kurzer Anstieg, danit wenigsten ein Gipfel erklommen wurde, ein beeindruckendes Bergpanorama und eine Hütte mit ihrem Wirt Alois, die den perfekten Rahmen für einen langen Mittag bzw. Nachmittag bot. Wir saßen stundenlang draußen, lachten, philosophierten, planten bereits kommende Winter und ließen uns Zeit, die man sich sonst selten nimmt. Keine Hektik, keine Jagd nach der perfekten Line – nur Freunde, Berge und ein Kaiserschmarrn, der allein die Reise wert gewesen wäre. Manchmal zeigt sich die Qualität eines Trips genau dann, wenn nichts nach Plan läuft.

Am dritten Tag wollten wir es zumindest ein bisschen sportlicher angehen. Wenn man schon kein Powder fahren kann, kann man wenigstens etwas Sinnvolles tun: LVS-Training. Suchen, schaufeln, sondieren – mit Humor und Ehrgeiz. Es wurde diskutiert und gelacht, aber am Ende waren wir uns einig: Das hätte man schon viel früher mal wieder üben sollen.

Anschließend machten wir noch eine kleine Tour zum westlichen Visnitzjoch und führen das malerische Visnitztal nach Kappl ab. Ein paar Höhenmeter, ein unverspurter Hang, eine ewig lange Abfahrt – kein Freeride-Epos, aber ein guter Abschluss. Und irgendwie fühlte es sich doch nach Abenteuer an.

Vielleicht war es nicht der Trip, den wir geplant hatten. Kein Powder, keine großen Lines, kein Big-Mountain-Feeling. Aber dafür ein Wochenende, das uns daran erinnerte, worum es wirklich geht: gemeinsame Zeit, gute Gespräche und Erlebnisse, die man nicht kaufen kann.

Ischgl mag für viele das Mekka des Après-Ski oder der feinen Küche sein. Für uns bleibt es – trotz wenig Schnee – ein Ort voller Möglichkeiten und ein unterschätztes Terrain für Freerider. Und egal, wie die Bedingungen sind: Mit den richtigen Leuten wird jeder Trip zum guten Trip.