Rider Profile – Raphaela Richter
„Ich fahre gerne mit meinen älteren Brüdern. Weil wir uns gegenseitig pushen, können wir uns gegenseitig Herausforderungen stellen. Und es ist immer ein besonderes Gefühl, wenn ich eine technische Stelle zuerst fahre und sehe, wie meine Brüder mürrisch werden, weil sie es auch machen müssen.“
„Meine Familie gibt mir Halt und Stärke“
Raphaela ist Familienmensch, Optikerin, bodenständig, bescheiden, und eine sehr talentierte Mountainbikerin – vor allem, wenn es bergab geht. Ihre Begeisterung für den Sport und vor allem ein sehr gesunder Ehrgeiz haben ihr schon einige Erfolge beschert. Sie war bereits Deutsche Meisterin im Downhill, Enduro und Fourcross. 2019 sogar in allen 3 Disziplinen gleichzeitig, was vor ihr noch niemandem gelungen ist. In den letzten Jahren hat zusehends die Aufmerksamkeit der internationalen Enduro-Szene auf sich gezogen. Sie gewann 2016 die Enduro World Series der Juniorinnen (U21) und schaffte 2019 den Durchbruch an die Weltspitze mit einem starken zweiten Platz bei der EWS in Les Orres und einem dritten Platz in Zermatt - den einzigen beiden Rennen, an denen sie in der Saison teilnahm. Und wenn es die Zeit und Gelegenheit erlaubt, startet sie „zum Spaß“ auch schon mal beim Downhill-Weltcup und hat hier bereits bemerkenswerte Top10 Ergebnisse eingefahren.
Raphaela hat ihre Wurzeln im XC-Rennsport, bevor sie 2013 auf die Gravity-Seite wechselte. „Ich habe 2012 mein erstes Enduro-Rennen bestritten. Ich hatte die Nase voll von XC-Rennen und dachte daran, mit dem Rennsport aufzuhören. Aber dann kamen meine Brüder mit diesem Enduro-Zeug und es gefiel mir ziemlich gut. Die ganze Atmosphäre und das technische Fahren liegen mir einfach besser.“ Enduro kommt ihrer Wettbewerbsnatur und ihrem Drang, sich selbst herauszufordern, entgegen. Im „echten Leben“ ist Raphaela bodenständig Optikerin. Sie liebt den Beruf, in dem sie etwas Sinnvolles tun und Menschen helfen kann: „Jetzt, wo ich weiß, dass ich Rennen als Profi fahren möchte, ist es manchmal etwas stressig, 40 Stunden pro Woche zu arbeiten, aber es hat mir auch geholfen, herauszufinden, was ich im Leben tun und erreichen möchte.“ Der Winter wird durch den Berufsalltag geprägt, ihr intensives Training plant sie rund um den Arbeitsalltag herum: Intervalle am Morgen, Krafttraining am Abend. Und längere Biketouren am Wochenende. Zeit und Gelegenheit für lange Trainingslager im Süden bleibt da leider nicht. Doch Raphaela ist das Leben und die Struktur zu Hause ohnehin sehr wichtig: „Das gibt mir Halt und Stärke für die lange Saison.“
2021 kann sie immerhin den Großteil der Rennsaison „frei“ nehmen. Unbezahlter Urlaub, der von Sponsoren gedeckt wird. Die Saison geht sie nach ihrer im letzten Jahr abgeschlossenen Berufsausbildung noch besser strukturiert und vorbereitet an, hat gemeinsam mit Tanja Naber das EWS-Team „Juliana Free Agents“ gegründet. „Ein gewisses Maß an Struktur und ein solides Grundsetup ist einfach notwendig, will man in der EWS Erfolg haben.“ Die beiden packen dabei ihre jeweils langjährige Rennerfah-rung in einen Santa Cruz Van, dazu gesellt sich für die Rennen ein guter Freund als Mechaniker. Damit ist Raphaela rund um die langen und anstrengenden Renn-wochenenden schon mal eine Last genommen. Und der Fokus auf die sportlichen Ziele wird nochmal erhöht.
„Biken ist das Beste. Ich mag es, den Fortschritt zu sehen, wenn ich auf dem Rad sitze, und ich mag es zu sehen, dass sich all das harte Training auszahlt, sobald ich auf dem Trail bin“, sagt sie. Das erklärte Ziel sind weitere EWS-Podiumsplätze. Die Chancen stehen gut, dass es diese motivierte junge Rennfahrerin wieder weit nach oben schafft. Insgeheim zielt sie dabei auch auf einen Top Platz in der EWS- Gesamtwertung. Dabei versucht sie, voll im Moment zu bleiben: „Ich fahre immer am besten, wenn ich nicht zu viel nachdenke. Natürlich bin ich fokussiert und versuche, mir die Abfahrt vor dem Lauf vorzustellen. Aber sobald die Uhr tickt, lebe ich im Moment und konzentriere mich auf Bremspunkte und Gänge.“
Beruf und Biken zu kombinieren, beherrscht die langjährige Privateerin mittlerweile aus dem FF. Aber weil sie weiß, dass man Unterstützung braucht, um seine Ziele zu erreichen, gibt sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen auch an die nächste Generation weiter: Zusätzlich – als ob ein Fulltimejob plus eine EWS Saison nicht schon genug wären – hat sie sich ihren Brüdern in den lokalen Vereinen BSB Bayreuth und 29er-Racing angeschlossen, wo sie jungen BikerInnen mit Rat und Tat zur Seite steht. Bei dieser Unterstützung mischen da sicherlich bald die nächsten motivierten, jungen Rider die Szene auf.