Rider Profile – Jérôme Clementz
Schnell – schneller - Jérôme Clementz. Für sehr, sehr viele Jahre galt im Endurosport weltweit diese sehr einfache Formel. Denn der nur 1,69 Meter große Franzose aus dem Elsass war schlicht und ergreifend das Maß aller Dinge: Vierfacher Megavalanche-Sieger, Enduroweltmeister 2013 sowie Enduro-Europameister 2015. Die Aufzählung all seiner Siege und Podiumsplätze bei Einzelrennen würde diesen Rahmen hier um das zigfache sprengen.
„Ich wollte nicht nur eine Strecke sehen, sondern die ganze Gegend erkunden“
Jérômes Sportbegeisterung zeigte sich bereits sehr früh: “Ich wuchs in den Vogesen auf und probierte schon in jungen Jahren viele Sportarten aus. Dabei kam ich zum Langlaufen. Im Sommer ließ uns unser Trainer immer mit dem Mountainbike fahren und am Ende der Saison 1995 fuhren wir ein lokales MTB Rennen. Ich liebte das Mountainbiken!” Dass er sich schließlich für die zwei Reifen entscheiden sollte, ist mittlerweile bekannt. Vor dem Profi-Dasein stand aber der Spaß am Biken: “Wir fuhren einfach zum Spaß am Wochenende ein Rennen. In Frankreich musste man damals in allen Disziplinen – also XC, Downhill und Trail – fahren, wenn man jünger als 14 Jahre alt war.” Dieser Mix legte den Grundstein für seine technischen Fähigkeiten am Bike. “Als ich zu den U16 kam, fuhr ich noch XC und Downhill. Die Veranstaltung, die mich am meisten reizte, war aber der Megavalanche in Alp d´Huez. Es gab zu dieser Zeit noch keine Enduroserie.” Jedoch: Für den Megavalanche war Jérôme noch zu jung.
Im Jahr 2001 kam er zu den Juniors. Jérôme fuhr nur mehr bergab und Biken wurde zu einer ernsteren Angelegenheit: “Ich bekam mein erstes Sponsoring! Trotzdem war ich auf allen Rädern, egal ob Straße, Dirtjump oder Pumptrack, unterwegs. Resultat: Er gewinnt das Alpe d’Huez in der Junioren-Kategorie. Mitte der 2000er Jahre hält Enduro schließlich wirklich Einzug in Europa. “Es gab immer mehr Enduro-Veranstaltungen und ich beschloss, mich darauf zu konzentrieren. Warum Enduro-Rennen? Ich wollte nicht nur die eine Strecke sehen, wie beim Downhill oder XC, sondern die ganze Gegend erkunden. Dies ist für mich das Spezielle beim Endurofahren. Außerdem gefielen mir die beiden Aspekte des Sports. Es erinnerte mich wohl etwas an Biathlon, den ich aus meiner Kindheit kannte”, lacht er. “Wie beim Biathlon gibt es zwei entscheidende Dinge: Die Geschwindigkeits- und Adrenalinseite, aber auch die Fitness- und Naturseite. Das war es, was mich am Endurosport faszinierte.” Auch die Sponsoren entdeckten den pfeilschnellen Franzosen: “Ich bekam immer mehr Unterstützung von Sponsoren, mir wurde ein Bike gestellt und ich hatte ein Reisebudget! 2009 schließlich gab mir Cannondale die Chance, das Ganze noch einmal zu steigern: Bis 2008 habe ich studiert und anschließend als Erzieher gearbeitet. Ich gab den Job als Erzieher auf, arbeitete im Winter bei der Bergwacht und den Rest des Jahres als Community Manager bei Mavic. Das erlaubte mir, mehr zu Trainieren und zu Reisen.” Im Jahr 2012 wurde Jérôme Vollzeitprofi und Enduro entwickelte sich zu einer internationalen Disziplin. Er war sechs Jahre lang Teil der Enduro World Series und krönte sich selbst 2013 zu ihrem allerersten Champion. “Insgesamt habe ich sechs Weltcupsiege errungen und 2015 und 2016 den dritten Platz in der EWS-Gesamtwertung belegt”, zählt er auf.
Die Enduro World Series sollte auch private Auswirkungen haben: “Ich lernte die Endurofahrerin Pauline Dieffenthaler kennen – sie ist mittlerweile meine Frau! Sie begleitete mich auf all meinen Reisen und Abenteuern und war über die Jahre meine größte Unterstützung für die gesamte Logistik. Und es ist immer schöner, wenn man das, was man liebt, mit demjenigen teilen kann, den man liebt.” 2017 gibt Jérôme Clementz schließlich seinen Rückzug aus der Enduro World Series bekannt. Racen hört er damit aber noch lange nicht auf, er sucht sich seine Rennen nur jetzt selbst aus. “Der Rennsport war immer Teil meiner Fahrsüchtigkeit, aber das Bike als solches mochte ich noch mehr, weil ich die Möglichkeit damit hatte, erstaunliche Orte zu besuchen und die Schönheit der Welt zu sehen. Ich konnte mich also nicht nur auf das Racing konzentrieren, sondern reiste auch gerne, unternahm zahlreiche Abenteuer und traf Menschen auf der ganzen Welt. Ich habe aus allen Ecken dieser Erde viele Erinnerungen und etliche coole Videos mitgebracht – alles auf meinem Youtube-Kanal zu sehen”, ergänzt er verschmitzt lächelnd. Nicht nur aufgrund seiner erfolgreichen Vergangenheit ist er heute ein gern gesehener Teilnehmer an Endurorennen quer über den Erdball: “Trans Provence, Andes Pacifico, Trans Newzealand oder Trans BC – diese Abenteuerrennen spiegeln für mich den wahren Geist des Endurosports wider. Bei diesen Rennen suchen die Menschen die Erfahrung, und die ist mehr als eine Rangliste.”
Und sonst? Er ist mittlerweile Vater geworden – was keinesfalls bedeutet, dass er langsamer fährt. Am liebsten heizt er immer noch mit seinen Kumpels über die Trails zuhause. Seine Brötchen verdient er, ganz seriös, als Mountain Bike Koordinator Europe für die Cycling Sports Group: “Nach dem Rennsport ist es für mich ein neues und aufregendes Projekt. Ich bleibe dem MTB und dem Sport dadurch verbunden und ich bin immer noch super glücklich, wenn ich eine Fahrt auf dem Bike machen kann.”