bergstolz

Tiefschnee tauchen


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Als die Nordalpen auf Tauchkurs gingen

Winter 2018/19: „Österreich im Schnee-Chaos“, „Weiße Katastrophe”, „Schnee ohne Ende, immer mehr Gebiete gesperrt” – ab Anfang Jänner berichten die Medien über Schneechaos, täglich liest man Horrorschlagzeilen aufgrund der Wetterlage. Regelmäßig klingeln unsere Smartphones. Unsere Haushaltsversicherungen warnen vor noch mehr Schnee und möglichen Schäden an unseren Wohnungen. “Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Ihren Versicherungsvertreter.” Aus „täglich grüßt das Murmeltier" wird „täglich grüßt die Unwetterwarnung der Versicherung". Für uns bedeuten diese Wetter-Warnungen heftige Niederschläge und somit Tiefschnee ohne Ende. „Wir“ sind Eva und Birgit, zwei Gefangene in Mitten des Jahrhundert-Winters aus dem Salzburger Tennengau und Pongau.

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Sepp Haslinger, seines Zeichens Wetter-Orakel aus Benediktbeuern, gibt jedes Jahr seine Prognose für den Winter ab. Er prognostiziert anhand der kleinblütigen Königskerze Zeitpunkt und Intensität der Schneefälle. Er unterteilt die Pflanze in fünf Teile, den Wintermonaten entsprechend. Dort wo sie mehr blüht soll es mehr schneien. Einen frühen Wintereinbruch wird es geben, gefolgt von grünen Weihnachten und schneereichen Wochen bis Ostern. Schon Ende Dezember geht es mit den Schneemassen im ganzen Land Salzburg los. Frau Holle ist fleißig, unsere Heimatorte Kuchl und Altenmarkt-Zauchensee versinken immer mehr im Schnee. Während Frankreich und Italien immer noch auf den heiß ersehnten Winter warten, sitzen wir mitten im Epizentrum des Schneesturms. Jeder Tag wird ausgekostet. Faceshots von frühmorgens bis spät nachmittags. Der Wetterbericht prophezeit für die nächsten Wochen keine Änderung: “Eat, Sleep, Powder, Repeat” wird zur täglichen Routine. Für anderes bleibt keine Zeit und vor allem keine Energie mehr übrig. Einen Ruhetag legen wir trotzdem nicht ein, viel zu groß ist die Motivation und viel zu gut sind die einzigartigen Bedingungen. Normalerweise kommt es eher selten vor, dass wir von halb neun bis vier Uhr am Berg sind. Jänner 2019 ist alles anders: “First chair, last call” eine tägliche Praxis. Auch eine vergessene Skijacke (*hust* blond) ist nicht Grund genug, um Faceshots zu verpassen. Um die Jacke zu holen ist keine Zeit. First Tracks sind wichtiger.

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Selbst am späten Nachmittag finden wir unverspurte Hänge, die Spuren vom Vormittag sind schon wieder unter den neuen Schneeschichten verschwunden. Tagelang halten die Schneestürme an. Wir stellen uns die Frage, ob es auch zu viel des Guten sein kann. Um nicht im Schnee stecken zu bleiben, müssen wir die meisten Abfahrten Schuss fahren. Auch Cliffs, die normalerweise einschüchternd wirken, verwandeln sich in kleine Ausbuchtungen, die man gar nicht mehr richtig als Felsen wahrnimmt. Alles versinkt im Schnee, auch wir, sodass uns oft die Luft wegbleibt. Jetzt wäre ein Schnorchel hilfreich.

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Wie kleine Kinder freuen wir uns über die Schneeflocken, die unaufhörlich vom Himmel fallen. Selbst zum Essen nehmen wir uns keine Zeit. Ein schneller Latte Machiatto in der Hütte, um ein bisschen Energie und Koffein zu tanken, muss reichen – zu gut ist es draußen.

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Der Körper schreit nach Pause. Trotzdem, völlig entkräftet stehen wir jeden Tag bereit für die erste Gondel. Jeden Tag nehmen wir uns vor, am nächsten Tag eine Pause einzulegen, nie halten wir das Vorhaben ein. Der ganze Körper, vor allem die Beine, sind müde, aber die Angst, auch nur einen Tag zu versäumen ist zu groß! Also halten wir durch. Dass wir so einen Winter irgendwann wieder erleben dürfen ist unwahrscheinlich, also kosten wir ihn aus, von der ersten bis zur letzten Minute.

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Für gewöhnlich fahren wir in den höher gelegenen Skigebieten, um perfekten Schnee zu finden. Nicht diesen Winter – selbst niedrigere Berge rund um Salzburg werden zu beliebten Skitouren Zielen. Beim Skitourengehen in Gaißau-Hintersee oder am Bad-Dürrnberg, nahe Salzburg, kommt Kanada Feeling auf. Von der Stadt Salzburg begonnen, über das Hochkönig Gebiet, die gesamte Dachstein West Region bis hin zu allen Skigebieten im Salzburger Tennengau und Pongau, niemand wird vom Schnee verschont! Wir werden besonders beim Tourengehen mit einer, für uns neuen, Gefahr konfrontiert: Umstürzende Bäume! Besonders am Schlenken trauen wir unseren Augen nicht. Unzählige umgefallene Bäume versperren den Weg oder drohen auf den Weg zu stürzen. Erst als sich diese Lage wieder entspannt trauen wir uns wieder mit unseren Tourenskiern durch den Wald aufsteigen. Viele Routen sind zum Hindernislauf geworden.

In Zauchensee kennen wir fast jeden Winkel. Wir können beurteilen, welche Abfahrten noch befahrbar sind und welche zu gefährlich. Lawinen und Treeholes sind natürlich auch hier Gefahren, die wir berücksichtigen. (Treeholes sind Löcher, die sich unter den Ästen um den Stamm eines Baumes bilden.) Die Baumgrenze wird nicht überschritten und wir haben immer einen “Tree Buddy” in Sichtweite mit dabei. Die Wälder werden zu unseren Spielplätzen, Zauchensee zu unserem Wohnzimmer.

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Nach zwei Wochen täglichem Tiefschnee, Schlafmangel und Koffeinmissbrauch sind wir trotzdem froh, als wir wieder unseren Verpflichtungen nachgehen müssen und gezwungen werden, einige Tage Pause vom Berg einzulegen. Das Wetter will allerdings keine Ruhephase einlegen und so sitzen wir auf Nadeln und sobald es unsere Zeit erlaubt, wieder in der ersten Gondel. Nach wie vor schneit es pausenlos, wir fühlen uns wie gefangen in einer Schneekugel.

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So viel Freude uns der Winter bereitet, so viel Kummer bedeutet er für andere. Dächer drohen unter dem Gewicht der Schneemassen einzustürzen, ganze Täler sind von der Außenwelt abgeschnitten. Die Straßen sind entweder unbefahrbar oder wegen zu hoher Lawinengefahr gesperrt. Feuerwehr und Bergrettung sind im Dauereinsatz. Bereits am 5. Jänner, zwei Tage nach den ersten Wetterwarnungen, sind Obertauern, Saalbach-Hinterglemm und Viehhofen nicht mehr erreichbar. In St.Koloman herrscht akute Lawinengefahr. Die Bewohner dürfen ihre Häuser nicht mehr verlassen. Im Pongau und Flachgau kommt es zu großflächigen Stromausfällen. Gaißau-Hintersee gewinnt den Titel „Schneeloch 2019“.

Das Niederschlagsradar zeigt keine Änderung und der Lawinenlagebericht färbt sich beinahe im ganzen Salzburger Land rot. Zum ersten Mal seit 2009 wird Lawinenwarnstufe fünf von fünf ausgerufen - Schneechaos auf den Dächern und Straßen. Selbst kurze Strecken mit dem Auto werden zur Herausforderung und unsere Geduld wird auf die Probe gestellt. Schneepflüge fahren in Schichtbetrieben. Grund genug für uns, wieder eine Pause einzulegen. Zu gefährlich ist es abseits der Pisten. Bäume biegen sich und brechen wie Zündhölzer unter der Schneelast. Alle in Salzburg verfügbaren Hubschrauber sind unterwegs, nicht nur für Lawinensprengungen, sondern auch um die Bäume vom Schnee zu befreien. Die Piloten setzen gezielt den Luftstrom der Rotorblätter, den sogenannten Downwash ein, um den Schnee von den Bäumen zu blasen. Lawinen lösen sich von selbst und rasen bis in die Täler. Die Tauernautobahn wird für Lawinensprengungen gesperrt. Im Gelände hat niemand etwas zu suchen, auch die Bergrettung rückt im Falle eines Lawinenunglücks nicht mehr mit Gewissheit aus. Touristen sind in einigen Schigebieten tagelang gefangen und können nicht abreisen, andere sagen ihren Urlaub ab. Zu groß ist ihre Panik vor Unfällen und Verletzungen aufgrund der Schneemassen. Die Situation ist angespannt.

Jeden Morgen studieren wir den Lawinenlagebericht. Nach wenigen Tagen entspannt sich die Lage, trotzdem beobachten wir genau, wie sich die Verhältnisse weiterhin entwickeln. Alle Safety Regeln werden strikt eingehalten. Wir fahren nie alleine. Sicherheitsabstand muss sein, dennoch behalten wir uns in den Augen. “No friends on powder days” war noch nie unser Lieblingsspruch. Zudem kommt selbstverständlich, dass Freeriden ohne Sicherheitsausrüstung (Airbag, Schaufel, Sonde, LVS Gerät) ein absolutes no-go ist.

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Am Berg und auch im Tal ist es wichtig, zusammen zu halten. Der Schneefall stellt viele Forstarbeiter vor eine Herausforderung. Auch durch die Arbeit der Feuerwehr, Bergrettung und aller freiwilligen Helfer kann uns der letzte Winter so gut in Erinnerung bleiben.

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Diesmal sollte Sepp Haslinger mit seiner Prognose also Recht behalten, zumindest für das Salzburger Land - aber mit einem Jahrhundert-Winter hätte er wohl nicht gerechnet. Den hätte vermutlich niemand erwartet und sich die meisten wahrscheinlich auch nicht gewünscht. Wir sind froh, nicht nur dabei, sondern mittendrin gewesen zu sein! BRING ON WINTER 2019/20!!!

P.S.: Wir wollen uns für die zahlreichen Wortwiederholungen entschuldigen. Da wir allerdings nicht, so wie die Inuit, unzählige Wörter für Schnee haben, konnten wir den Artikel nicht schreiben, ohne uns zu wiederholen.

Infobox

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ZAUCHENSEE SKIPARADIES

Anreise:
Mit dem Auto von München ca. 2h: A8 nach Salzburg – A10 Tauernautobahn bis Knoten Ennstal – Ausfahrt 63 Graz/Altenmarkt – bis Altenmarkt.
Weltcuparena Zauchensee // www.zauchensee.at


HOCHKÖNIG BERGBAHNEN

Anreise:
Mit dem Auto von München ca. 2h: A8 nach Salzburg – A10 Tauernautobahn bis Knoten Pongau/Bischofshofen - Ausfahrt 47 Bischofshofen/Pongau – B311 bis Bischofshofen – B164 Hochkönigstraße bis Mühlbach bzw. weiter nach Dienten oder Maria Alm.
Hochkönig Bergbahnen – Ski amadé // www.hochkoenig.at


GAISSAU-HINTERSEE

Anreise:
Mit dem Auto von München ca. 2h: A8 nach Salzburg – A10 Tauernautobahn bis Ausfahrt 16 Hallein – L107 Wiestal Landesstraße und Krispler Landesstraße nach Kripsl und weiter nach Gaißau.
Achtung! In der Saison 2019/2020 wird es im Skigebiet Gaißau-Hintersee keinen Skibetrieb geben!


DACHSTEIN WEST

Anreise:
Mit dem Auto von München ca. 2h: A8 nach Salzburg – A10 Tauernautobahn bis Ausfahrt 28 Golling – B162/B166 nach Russbach
Bergbahnen Dachstein West // www.dachstein.at


BAD DÜRRNBERG

Anreise:
Mit dem Auto von München ca. 2h: A8 nach Salzburg – A10 Tauernautobahn bis Ausfahrt 8 Grödig – B160/B159/Dürrnberg Landesstraße nach Hallein/Bad Dürrnberg
Zinkenlifte Hallein/Bad Dürrnberg // www.duerrnberg.at




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