Kleine Berge, große Glücksgefühle
Wenn ich an Schweden dachte, dann fielen mir vor allem Regen, wenig Berge und Zimtschnecken ein. Also eigentlich nicht unbedingt ein Land, in das ich mit dem Mountainbike Reisen müsste.
Aus Norwegen hat man ja schon viel Gutes gehört. Schöne Fjorde, hohe Berge und Unmengen an Mountainbike Infrastruktur, aber Schweden?
Ich schaue nicht viel Fernsehen und wenn, hat es meist mit Nachrichten oder Rädern zu tun. In dem Fall traf das Zweite zu, als ich mir eine Doku von Red Bull ansah, in der Emil Johansen und Erik Fedko zusammen Schweden unsicher machten. So viele coole Sprünge, in schöner Natur bei wenig Verkehr, das sah irgendwie verlockend aus. Ich würde mich selbst nicht gerade als großen Visionär beschreiben, aber ich bin definitiv begeisterungsfähig und zielstrebig. Wahrscheinlich hat hier genau diese Kombination zugeschlagen, als ich meine Freunde mobilisierte, um mit mir einen Sommertrip nach Schweden zu planen. Wer mich kennt, weiß, dass ich super gerne mit dem Camper unterwegs bin. Schweden ist mit seiner großen Fläche auf verhältnismäßig wenig Einwohner wirklich prädestiniert dafür, einsame Stellplätze inmitten der Natur zu liefern. Doch zu viert wäre es etwas eng geworden in meinem Cliff 4x4, sodass Sunlight uns glücklicherweise noch einen T680 als Mothership zur Verfügung stellte. Somit hatten wir einen größeren Camper, der als Wohnzimmer und Küche fungierte und einen kleinen, der auch mal schnell für Besorgungen in der Stadt genutzt werden konnte. Sicherlich nicht gerade eine bescheidene Art zu reisen, aber somit waren wir auch in der Lage, acht Bikes und genügend deutsches Bier einzupacken.
Sven Busse, Philip Leingartner, Jan Volbracht und Jasper Jauch. Das war die Crew aus vier Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch eines verbindet uns so sehr, dass alle Unterschiede fast nebensächlich sind: die Liebe zum Mountainbike.
Sven Busse ist Barbetreiber aus Bielefeld. Dem BMX Sport entsprungen, nutzt er nun den etwas komfortableren Ritt auf dem Mountainbike. Philip Leingartner ist Ingenieur, ein Bastler und etwas gemütlicher, wenn es um Emotionen geht. Jan Volbracht ist gelernter Fotograf und ein absoluter Harmoniemensch. Sehr höflich und unfassbar kreativ, wenn es um Schnappschüsse mit dem Handy geht.
Ich, Jasper Jauch, bin wohl sozusagen der Reiseleiter. Als Mountainbikeprofi ist es quasi mein täglich Brot, Trips zu organisieren und dabei Inhalte wie diesen hier zu produzieren. Schön, dass ihr teil habt! Da wir nicht nur unterschiedlichste Zugänge zum Mountainbikesport haben, sondern auch aus unterschiedlichen Ecken kommen, haben wir uns in Dänemark verabredet.
Von Dänemarks Traktormuseum ging es dann im Konvoi direkt zum ersten gemeinsamen Ziel, dem Valassen Bikepark. Hier ist aus einem kleinen Skigebiet mit einem 4er Sessellift ein Park entstanden, der mit knapp 100hm für schwedische Verhältnisse genau dem Durchschnitt entspricht. Wir waren begeistert, wie vielseitig man diesen kleinen Berg genutzt hat. Für jede Könnerstufe wurde an diesem Lift eine Strecke gebaut. Neulinge wie auch Fortgeschrittene kommen hier auf maximales Grinsen bei den Abfahrten.
Uns reizte dann aber doch eher das technische Terrain, das einige Wurzeln und Steine parat hatte. Anliegerkurven waren Teils in den Hang gefräst, sodass man fast mit den Lenkerenden auf der Wiese schleifen konnte und teils aufgeschüttet, um noch etwas Höhe zu halten und mehr Schwung für danach befindliche Sprünge zu bekommen.
Ich glaube das größte Highlight war jedoch der unglaublich große Steinpilz, den Philip beim Filmen zufällig entdeckte. Der war viel zu schön, als dass wir ihn nicht in eine Pfanne hauen wollten. Dieser großartige Fund rundete den ersten Tag gelungen ab und der Plan fürs Abendessen wurde entsprechend angepasst.

Die Frage, warum wir acht Räder brauchen, ist bestimmt schon aufgekommen. Wir hatten uns dazu entschieden, noch die Hardtails einzupacken. Das Streetbiken ist nicht nur Beginn von Svens Leidenschaft zum Zweirad, auch bei mir hat alles auf der Straße angefangen. Mit dem Hardtail durch die Stadt zu tingeln und zu schauen, welche Stufen und Kanten man wie herunterspringen konnte, hat mich überhaupt erst zu einem Mountainbiker werden lassen. Das wollten wir gemeinsam wieder aufleben lassen.
Gestärkt von einer unvergesslich leckeren Steinpilz-Nudelpfanne rafften wir uns auf und kramten die Bikes aus der Bikegarage des T680 Campers. Der Parkplatz des Valassen Bikeparks bot kreative Möglichkeiten, in Herausforderungen aufzugehen. Kleine Competitions steigerten in uns den Spaß, auch noch den Abend bis zur Dunkelheit auf den Bikes zu verbringen.
Nächster Halt: Flottsbro.
Vor den Toren Stockholms ragt ein kleiner Hügel mit exakt 100hm aus dem Boden. Natürlich haben die schwedischen Einwohner diese Möglichkeit genutzt, darauf einen Lift zu bauen. Angeschlossen ans Wasser trifft hier ein Badestrand auf einen Campingplatz, eine Mountainkartstrecke und einen Bikepark. Man kann wohl ruhigen Gewissens sagen, dass hier die Naherholung für Stockholms Menschen großgeschrieben wird. Ein Schlepplift zieht Mountainbikes und Mountainkarts auf den Berg, um anschließend für die Ausschüttung von Glückshormonen zu sorgen. Nach dem Testen aller Strecken, kann ich bestätigen: die Euphorie war groß. Auch hier war von der ungefährlichen, flachen Strecke bis zum 13 Meter Gap alles dabei. Gefühlt würde ich sagen, dass aufgrund der fehlenden hohen Berge in Schweden, die vorhandenen Höhenmeter deutlich effizienter genutzt werden. Selten waren Strecken an vermeintlich kleinen Hügeln so schön zu fahren und mit so viel Liebe gebaut.

Der Straßenbelag Stockholms wollte natürlich auch noch begutachtet werden, schließlich hatten wir ja extra die Straßenbikes eingepackt. Das tolle daran: so wird auch für sportliebende Mountainbikefans wie uns eine Sightseeingtour zum Hochgenuss. Wir streiften den ganzen Tag auf den Hardtails durch die Stadt und entdeckten immer wieder architektonische Highlights, die wir auf den Zweirädern zu interpretieren wussten. Manuels, 180s, Bunnyhops, alles wurde auf unterschiedlichste Weise an unterschiedlichen Plätzen Stockholms ausprobiert. Selten hat ein Tag in der Stadt so viel Freude gemacht.
Auf dem Weg zum absoluten Highlight des Trips, dem Järvsö Bikepark hielten wir natürlich auch in Gävle. Warum aber die Selbstverständlichkeit? Gävle hat eine der attraktivsten Indoor Sporthallen die man sich nur vorstellen kann. Vom Ninja Warrior Parcours, über einen Skatepark bis zu etlichen Sprüngen mit Luftkissen und Schaumstofflandung. Meine Backflip Skills wollten routiniert werden und Jan wollte sich den Rückwärtssalto zum Geburtstag schenken. Gesagt, getan, hat Jan an seinem Geburtstag in the Dome, so heißt diese atemberaubende Halle, seinen ersten Backflip rotiert.
Voller Euphorie und der Frage in uns, wie viel schöner kann es überhaupt noch werden, fuhren wir weiter in Richtung Järvsö. Auf den etlichen Autostunden, die wir auf Schwedens Straßen mit wenig Verkehr verbrachten, entstand eine große Wertschätzung darüber, wie entspannt Autofahren sein kann, wenn man eben nur mit 110 im gemeinsamen Flow gleitet.
Järvsö begrüßte uns direkt mit zwei geteerten Pumptracks und einem Dirtpark. In uns wurde direkt ein Gefühl des Willkommenseins breit, bei so viel Mountainbike Infrastruktur. Doch dieses Hoch an Gefühlen sollte noch nicht am Ende sein. Die laute Musik, die an der Talstation gespielt wurde, verbreitete good vibes und ein breites Grinsen auf jedes Gesicht, das uns entgegenkam. Selten habe ich so freundliche und angenehme Begegnungen gemacht. Der Park lässt in einem auch bei nur 200 Höhenmeter bereits das Gefühl von Kanada aufkommen. Der Wald und die Felsen erinnern an kanadische Strecken, die, soweit wir das beurteilen können, auch im Fahrfluss daran angelehnt sein müssen. Sprünge von klein bis groß haben hier eine Gemeinsamkeit, sie treten nur in Rudeln auf. Die Begeisterung in uns war eigentlich kaum noch zu überbieten, nachdem wir alle Strecken einmal gesehen hatten. Die ersten Vorstellungen eines Auswanderns nach Schweden wurden breit, als in dem ansässigen Lokal zwei unfassbar leckere Mittagstische kredenzt wurden. Ein rein pflanzliches Essen, das Energie und kein Koma für die anschließenden Abfahrten bot und eine schlemmer Variante, die Menschen für kräftigere Geschmacksnerven satt bekommen sollte.

So viel Flow auf dem Bike wurde mit einem Stellplatz direkt am Wald und einem Stellplatz direkt am Wasser abgerundet. Probleme schien es auf dieser Reise nicht zu geben und das Realisieren, wie gut es uns erging, dauert bis heute noch an. Vielseitig, freundlich und unfassbar flowig, würde ich Schweden gerne an euch weiterempfehlen.
INFOBOX
Route & Parkmöglichkeiten
Die vierer Gruppe reiste mit zwei Campern und legte auf ihrer Strecke insgesamt acht Stopps ein:
1. Stopp war der Valassen Bikepark. Dort konnte man direkt Campen und wir sind 2 Tage dort geblieben
2. Stopp war auf dem Weg nach Stockholm. Wir haben hier übernachtet: park4night.com/de/place/55894
3. Stopp war Camping Flottsbro, direkt am Flottsbro Bikepark. park4night.com/de/place/282749
4. Stopp war Stockholm, da sind wir aber mit dem Zug reingefahren
5. Stopp war auf dem Weg nach Gävle, hier für eine Nacht: park4night.com/de/place/38121
6. Gävle The Dome, haben dann in der Stadt geschlafen: park4night.com/de/place/46256
7. Stopp war der Bikepark Järvso. Haben dort 2 Nächte etwas weiter oben geschlafen: park4night.com/lieu/280537/
Danach haben wir noch eine Nacht direkt am Wasser gestanden: park4night.com/de/place/249969
8. Stopp war Are Bikepark. Dort haben wir 2 Nächte hier geschlafen: park4night.com/de/place/263983
Highlights
• Kaffee in Stockholm mit tollen veganen, süßen Snacks: volcacoffee.se
• Die Freestyle Sport Halle in Gävle. Dort gibt es auch eine Menge Leihbikes, Skateboards, etc… Hier gibt es einen Ninja Parkour und eben das coole Luftkissen, auf dem man super das Springen und neue Tricks üben kann. www.thedome.se
• Parken in einem Wald direkt in Strandnähe, 50 Meter. Ruhig und ohne Verkehr. park4night.com/en/place/38121
• Campingplatz direkt am Wasserfall mit Waschmaschine und Trockner: park4night.com/en/place/80811













