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Kerala - Abenteuer Südindien


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Wir sind auf dem Weg nach Osten, zum nördlichsten Punkt Indiens, wo die Wintersonne in der Nähe des Äquators noch heißer ist, als die bei uns im Sommer.

 


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Unsere Boeing setzt auf dem Rollfeld des Flughafens von Cochin, Bundesstaat Kerala auf. Ein paar Minuten lang haben wir aus dem Fenster geschaut und einen üppigen Wald gesehen, der von einem weißen, nebligen und überwältigenden Licht erhellt wird. Die Ankunft auf dem Flughafen fühlt sich wie eine Ohrfeige an. Nicht nur, dass wir gerade angenehme 20 Grad hinter uns gelassen haben, auch die Gesichter, die uns entgegenblicken, sehen ganz anders aus als die, die wir gewohnt sind: Die vorherrschende Hautfarbe ist hier ein tiefes Braun, die Augen sind durchdringend und die Outfits sind sehr bunt. Wir wissen, dass unser Fahrer unter den Hunderten von Menschen versteckt ist, die sich vor den Gates des Flughafens drängen. Aber mit unseren drei großen Koffern, die unsere Fahrräder enthalten, und unseren ausgetrockneten Mündern sollte es nicht schwer sein, gefunden zu werden.
Ich bringe zwei Freunde mit, Cyril und Olivier, die sich schnell für die Idee einer Mountainbikereise unter der Wintersonne Indiens begeistert haben. Nachdem ich mehrere Ziele ins Auge gefasst hatte, entschied ich mich für Kerala. Es ist ein Land, in dem ich noch nie zuvor gewesen bin, aber von dem ich viel Gutes gehört habe. Ich fühle mich von diesen faszinierenden Geschichten angezogen und freue mich darauf, mir selbst ein Bild von diesem Ort zu machen. Bei meinen Recherchen bin ich auf die Website von Mike gestoßen, www.mountain-bikekerala.com, einem Engländer, der in Kerala lebt und Mountainbike-Touren durch die grünen Landschaften dieses Bundesstaates anbietet. Ein Termin war schnell vereinbart…
Mikes Fahrer Dumbe findet uns zuerst inmitten des dichten Gedränges. Wir springen in seinen Bus, die Hitze ist fast erdrückend, die Luftfeuchtigkeit liegt wohl bei 100%. Wir nehmen unsere Plätze ein, und kaum haben wir den Flughafen verlassen, bekommen wir die zweite Ohrfeige: Den Straßenverkehr und das Autofahren. Aber Cochin ist nicht Neu-Delhi, was Größe und Einwohnerzahl angeht. Dumbe bahnt sich mit seiner Hupe seinen Weg durch den chaotischen Verkehr. Die Urbanisierung nimmt kein Ende. Inmitten von Mülltonnen und Plastikabfall erscheint diese von Menschen kolonisierte Landschaft wie eine Warze inmitten der von Großzügigkeit überquellenden Natur. Die Zeit zwischen unseren Schrecksekunden ist kurz – sehr kurz, es fällt uns schwer, uns zu beruhigen, der Doppelbus fährt manchmal ohne Sicht, wir vermeiden drei Zusammenstöße mit Autos nur um Haaresbreite, wir rasieren die Fußgänger, wir stellen den Kühen aus, wir liefern uns Straßenduelle mit überladenen Bussen. Ohne Sicherheitsgurt. Uns wird angst und bange. Nach einer Stunde Fahrt resignieren wir und legen unser Schicksal in die Hände unseres Fahrers. Wir schaffen es sogar, auf den Bänken einzuschlafen. In alle Richtungen geschleudert, ist die Ruhe allerdings jedes Mal nur von kurzer Dauer. Unsere Fahrt nimmt scheinbar kein Ende, es sind vier Stunden geplant, bis wir unsere Basis erreichen.


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Dumbe hält für eine Essenspause an, wir haben tatsächlich langsam Hunger. Wir halten an einem schmutzigen Bouiboui, dessen Zustand der des Parkplatzes bereits vorhergesagt hatte. Obwohl die Einrichtung heruntergekommen und die Tische stumpf sind, haben wir keine andere Wahl, als hier zu essen. Wir sind eine Woche lang hier und können es uns nicht leisten, uns nicht zu stärken. Die Angst, uns mit irgendetwas zu infizieren, verfolgt uns jedoch: Sollen wir unsere Hände wirklich mit dem verschmutzten Wasser waschen, oder es nicht doch besser einfach bleiben lassen? Das Essen ist eine gute erste Überraschung, es ist schmackhaft und frisch: ein vor Ort gebackenes Butterbrot und Gerichte in würziger Soße. Wir setzen unsere kurvenreiche und von Schlaglöchern übersähte Straße fort und kommen in Kuttikkanam an, einem kleinen Dorf in den Bergen von Kerala. Mike empfängt uns zusammen mit seinen Führern Deepak und Rocky herzlich. Nachdem die Fahrräder montiert sind, machen wir eine Erkun-dungstour durch die Umgebung. Es ist wirklich sehr heiß, wir folgen Pfaden und Wegen durch die Teeplantagen. Die Landschaft ist vollkommen. Am Ende des Tages, bei schwindendem Licht, folgen wir einem sich windenden Pfad. Manchmal verirrt er sich in der üppigen Vegetation. Bei Einbruch der Dunkelheit kehren wir in unser Hotel zurück, unsere kleine Holzhütte bietet uns hervorragenden Komfort. Beim Abendessen im Hotel haben wir Gelegenheit, uns gegenseitig besser kennen zu lernen: Khila, Mikes Frau, lebt jetzt hauptberuflich in Kerala, Deepak, ein junger, eher zurückhaltender Führer aus Nordindien, Rocky, der etwas selbstbewusster ist und in Kathmandu in Nepal lebt. Am nächsten Tag, nach einer ziemlich kühlen und windigen Nacht, starten wir bei strahlendem Sonnenschein. Wir werden die umliegenden Hügel erkunden und sind uns nicht sicher, was vor uns liegt. Die Strecke ist recht angenehm, wenn auch sehr hügelig für unsere Enduros. Der Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung führt zu einer weiteren Ohrfeige, einem Kulturschock, für uns Europäer. Das Lächeln ist hier die erste Lektion, die wir lernen. Gastfreundschaft und Großzügigkeit sind allgegenwärtig, auch wenn wir uns nicht verständigen können. Die menschliche Wärme, die Blicke und das Lachen sind hier überall zu spüren, und wir fühlen uns wohl. Die neugierigen Kinder, die wir treffen, wollen alle eine Radtour machen, und ich überlasse ihnen gerne mein viel zu großes Ibis. Trotzdem werden sie schnell besser auf dem Bike. Frauen waschen ihre Wäsche in Flüssen, Kinder toben im Wasser, einige kauen Zuckerrohr. Es ist das erste Mal, dass ich es probiere. Bei dieser Reise war es mir wichtig, dass mein Besuch der örtlichen Bevölkerung zugutekommt. Obwohl meine Aktion bescheiden ist, denke ich, dass Hilfe immer willkommen sein wird. Mike und seine Frau haben eine Wohltätigkeitsorganisation gegründet, die Kindern in Kerala hilft, insbesondere in einigen der Dörfer, die wir seit gestern durchquert hatten. Dort leben Familien in einfachen, aber bunten Lehmhäusern. Das Ziel der Organisation ist es, den Kindern sportliche Aktivitäten zu ermöglichen, indem sie Ausrüstung wie Bälle und Schläger kaufen, sowie ihre kulturelle Bildung und ihre Englischkenntnisse durch illustrierte Bücher fördern. Als Schöpfer der VTOPO-Editionen liegen mir diese beiden Bereiche natürlich sehr am Herzen. Mike und Khila haben ungefähr 40 Kinder in einem dunklen Kindergartenraum versammelt. Die Kinder saugen alles auf, sind sehr aufgeschlossen und ich bin wirklich froh, an dieser Aktion teilzunehmen. Khila betont ausdrücklich, dass die gespendeten Materialien sowohl für Jungen als auch für Mädchen bestimmt sind. Das ist wichtig, denn die indische Kultur tut sich nach wie vor extrem schwer mit dem Thema Gleichberechtigung. Eine Tochter zu haben, kann wegen der erwarteten Mitgift eine Familie ruinieren – obwohl diese Praxis eigentlich verboten ist, wird sie weiterhin betrieben. Frauen treiben ab, wenn das Baby kein Junge wird. Oder aber die Mädchen werden nach der Geburt ausgesetzt. Das alles ist umso trauriger, wenn man die Freude in den Gesichtern und die Schönheit der weiblichen Züge sieht. Wir beenden unseren Besuch mit einem Austausch und ein paar Fotos. Ich beschließe, nach meiner Reise einen Spendenaufruf zu starten, um die Hilfsorganisation noch bekannter zu machen. Wir setzen unsere Entdeckung des wilden und abgelegenen Kerala fort. Die Wege durch die Teeplantagen durchziehen die unfassbar grüne Landschaft mit einem optimal angelegten Trail-Netz. Wir gelangen schließlich in ein steiles Tal, der Trail ist perfekt. Fährt Mike an der Spitze, führt er unsere Gruppe von oben bis unten. Erfahrungsgemäß mögen es Guides nicht allzusehr, von ihren Gästen überholt zu werden, aber Deepak hat kein Problem damit: Gibt er den Weg frei, dann lässt er mich vorbei, damit ich in meinem eigenen Tempo fahren kann. Vertrauen wird aufgebaut, Bindungen werden gestärkt.

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Wir verlassen Kuttikkanam, um sechs Stunden lang über viele weitere schreckliche Straßen weiter nach Munnar zu fahren. Es ist die touristischste Stadt im Landesinneren von Kerala. Sie ist von Nationalparks umgeben, in denen viele asiatische Elefanten und auch Tiger zu Hause sind. Das sehr steile Relief und die tiefen Wälder bieten der Tierwelt alles, was sie zum Überleben braucht. Wir begegnen auch einigen Affen am Wegesrand.
Während unseres Aufenthalts in Munnar erkunden wir neue Wege, schillernde Bergrücken, aber auch manchmal lange Asphaltstrecken. Wie die Angelsachsen sagen: „Es ist wie es ist, wir nehmen die Dinge, wie sie kommen." An den letzten beiden Tagen nimmt uns Deepak mit auf eine lange, sehr steile und technische Dschungelabfahrt mit. Mike betreut in der Zwischenzeit andere Fahrer, und er hat sich auf meine Bitte hin, uns etwas Außergewöhnliches fahren zulassen, auch was einfallen lassen! Es geht mehr als eine Stunde ausschließlich bergab. Der Trail ist felsig, technisch, mit Spines gespickt. Unten kommen wir an einem märchenhaften Wasserfall heraus, der von den Felswänden herabstürzt. Wir klettern durch den Urwald, um eine Steinplatte zu erreichen, die über den Wasserfall hinausragt. Ich kann nicht widerstehen, ich muss einfach runterrollen! Sie ist nicht besonders steil, aber lang. Und das letzte Stück stürzt praktisch direkt in ein Bassin. Es gibt keinen Notausstieg - wenn ich zu schnell bin, dann folgt zwangsläufig der große Sturz. Ich konzentriere mich, dosier meine Geschwindigkeit. Der Grip ist super, nur an den Stellen, an denen das Wasser den Stein überspült, ist es etwas kniffliger. Ich löse die Bremse ein wenig, während die Felskante näherkommt. Ich orientiere mich am Wasserbassin, bremse konstant und vor allem ohne das Hinterrad zu blockieren, und trotzdem nehme ich rasant Tempo auf. Der Puls steigt, das Adrenalin rauscht durch meinen Körper. Wenige Zentimeter vor dem Wasserfall halte ich an. Rush hour in meinen Adern! Wir beenden unseren Downhill und erreichen schließlich unser Ziel für den Tag. Es fühlt sich an, als ob wir durch Raum und Zeit geflogen wären: Wir befinden uns nicht mehr länger in Kerala, der reichsten Region Indiens, sondern in Tamil Nadu, einem wesentlich ärmeren Bundesstaat. Die Häuser sind nur kaputte Hütten, überall stapelt sich Müll, die Kinder spielen auf dem Boden, die Abflüsse werden als Kanalisation genutzt. Wir verwöhnte Europäer haben so etwas noch nie gesehen, fühlen uns beinahe ins Mittelalter versetzt. Trotzdem schaut uns die Bevölkerung immer noch gleich an, überrascht, aber freundlich. Wir kehren nach Munnar zurück und versuchen, bei Sonnenuntergang eine letzte Runde zu drehen, um Elefanten zu sehen. Wir entdecken ein wunderschönes Tal, in das sich ein paar Häuser schmiegen. Es fühlt sich ziemlich gut an. Wir fahren bis in die Nacht, ohne Tiere zu sehen. Am Ende sitzen wir am Feuer und tauschen uns mit den Einheimischen aus.

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Letzter Tag in Indien und was für ein Tag! Der schönste. Wir verlassen Munnar um 7:30 Uhr, um ins Silent Valley zu fahren, eine der schönsten Landschaften, die wir in Kerala gesehen haben. Nach fast zweieinhalb Stunden Uphill erreichen wir eine Höhe von 2.200 Metern. Wir tragen unsere Fahrräder noch weitere 400 Höhenmeter bis auf 2.600 Meter. Dort oben ist die Aussicht unglaublich. Im Norden strömt der feuchte Nebel den Bergrücken hinunter. In dieser alpinen Atmosphäre nehmen wir den letzten Tag unserer Radtour in Angriff. Wir sind verloren, weit weg von allem, zwischen Almwiesen, Flüssen, Wasserfällen, Riesenrho-dodendren und Eukalyptuswäldern. Das ist unsere letzte Erinnerung an Kerala. Auf unserer Rückreise sind wir uns schnell einig, dass Kerala ein außergewöhnliches menschliches Abenteuer war – und das Fahrrad beinahe zweitrangig…

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Infobox

CÉDRIC TASSAN
Mountainbike-Abenteurer, reist um die ganze Welt und ist auch für extreme Soloabenteuer bekannt. Cédric ist auch ein Filmregisseur.

Anreise:
Mit dem Flugzeug, Landung in Kerala am Flughafen Cochin. Obligatorisches Visum für Indien, das online beantragt werden kann.

Reiseführer:
Wir empfehlen Mike! Mike kennt Indien gut, seine Reisen sind gut konzipiert und bieten guten Komfort. Wir hatten keinen einzigen Zwischenfall zu beklagen.
www.mountainbikekerala.com

Zu sehen/ zu tun:
Wer nach Kerala kommt, muss eine Teefabrik besuchen. In Kuttikkanam, neben Mikes Lieblingslodge, gibt es einen Betrieb zu besichtigen. Sehr interessant. Die Begegnung mit wilden Tieren wie Elefanten sollte im Nationalpark gesucht werden, um sicher zu sein, sie zu sehen. Aber Vorsicht, an der Biegung eines Weges kann man sehr wohl auch zufällig auf einen Dickhäuter treffen!

Budget:
Das teuerste bleibt das Flugzeug. Vor Ort ist das Leben nicht teuer, Essen kostet nur eine Handvoll Euro. Dazu kommen dann noch Kosten für Unterkunft und Guide.

Chairity:
Während dieser Reise wollte ich der lokalen Bevölkerung helfen, die wir bei unseren Ausflügen rund um Kuttikkanam kennengelernt haben. Mike und Khila gründeten die Green Frog India Foundation, eine Wohltätigkeitsorganisation, die Dorfkindern durch die Bereitstellung von Sportgeräten und den Bau von Bibliotheken zu einer gesunden Entwicklung verhilft.

http://greenfrogindiafoundation.org




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