Skitouren
REAL FREERIDING
Die Wintersonne strahlt flach vorbei an Gipfel und Graten ins Tal. Die in der kalten Luft schwirrenden Eiskristalle funkeln wie kleine Blitze und weit und breit niemand.
Die Felle sind schon aufgezogen, Skischuhe anziehen, Rucksack anlegen und der obligatorische LVS Check, dann kann es losgehen. Das Knirschen des Schnees und die Art der Fortbewegung lässt einem das Herz aufgehen. Eine gleitende Bewegung - es ist ein-fach die schönste Art zu gehen!
Früher, so sagen zumindest die Alten, begann die Skitouren-Saison im Februar, März und fand ihren Höhepunkt im April und Mai. Mittlerweile beginnt die Touren-Saison Ende Oktober auf den Gletschern und oft schon Anfang November, wenn denn der erste Schnee bis ins Tal fällt, auf den Pisten der noch nicht in Betrieb genommenen Skigebiete. Mitte November beginnen dann die Kunstschneesturm-Wochen mit Bruchharschdeckel an den äußeren Rändern des maschinell produzierten Weiß und der Schneekano-nen-Slalom.
Das, wofür meiner Meinung nach Skitouren gehen steht, hat heutzutage nichts mehr damit zu tun. Das soll kein Urteil sein, ist halt so. Für mich ist es eine Lebenseinstellung, für andere ein Fitness Tool im Winter, um in der Zeit bis zum nächsten Trailrun oder der ersten Rennradrunde die Kondition zu halten, oder nur eine gesellschaftliche Aktivität, um nach der Arbeit in einer Chatlane zur Skihütte für Nachtschwärmer zu pilgern. Letztlich suchen alles dasselbe, um Körper und Geist in der Balance zu halten.
Dass die Zahl derer, die Touren gehen immer mehr werden, ist nichts Neues. Wie frei ist man als „Freerider“ unter dem Diktat der Seilbahnen. Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis man an der Hatz ermüdet, als erster den unverspurten Hang zu befahren, das Gedränge in der Bahn und der damit einhergehende Stress. Tiefenmeter zu konsumieren, den richtigen Spot für den Socialmedia Post zu finden und im Gedanken damit beschäftigt, wie am Ende des Tages die Instagram Story sein wird. „Also noch schnell am Selfie-Stick die Actionsport Kamera montieren.“ Zum weißen Rausch kommt jetzt noch die virale Sucht. Und so ist es doch nur umso mehr verständlich, dass über kurz oder lang die Erkenntnis keimen muss, wie wenig Freiheit das Freeriden in der Art und Weise wie man es betreibt, ist.
Freeriden ist, wenn man nicht für den Liftpaß zahlen muss...
Sind es bis dahin Alpinisten und Leistungssportler, die mit Fellen unter den Skiern unterwegs waren, um 500 Schwünge in einen Hang zu ziehen oder in kürzester Zeit möglichst viel Höhenmeter zu absolvieren. So ist nun eine abfahrtsorientierte Generation am Berg, die kreativ unterwegs ist und die standardisierten Routen verlassen, um neue Wege zu gehen.
In den Jahren vor 2019 war dies ein stetig steigender Prozess, die alt eingefleischten Tourengeher waren am jammern: „Soviele waren ja noch nie am „Vis a Vis Kogel, wo kommen die alle her, gibt es einen neuen Skitourenführer?“ Nein, der ist schon 15 Jahre alt, aber irgendwie hat es am Hauptkamm keinen Schnee, dann stöbert man eben in der Bibliothek herum und wird fündig. „Früher war alles besser“ ja genau, das Gras war grüner und der Schnee weißer.
Tja, seit vergangenem Winter wissen wir, dass da noch verdammt viel Luft nach oben ist.
Egal, wie auch immer man den Tag in den Bergen verbringt, das wichtigste ist doch das Erlebte und die Zufriedenheit.