bergstolz

Alaska - Last Frontier


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Gute Laune im Alaska-Eisknast
Leighan öffnet das Cockpit-Fenster ihrer einmotorigen de Havilland Canada DHC-3, manövriert routiniert zwischen den Granitzacken hindurch und wirft schwarze, beschwerte Beutel hinunter auf das makellose Weiß des Pika-Glaciers. Bleiben die Beutel an der Oberfläche liegen, kann der Landevorgang eingeleitet werden. Versinken sie aber im Schnee, muss abgebrochen und umgekehrt werden. Unsere Beutel werden vom Weiß der eingeschneiten Gletscherfläche verschluckt…

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Time matters: Happy Birthday Henry
Chris und ich waren bereits 20 Stunden unterwegs, als wir in Seattle das letzte Mal den Flieger wechselten. Hier trafen wir auf den dritten im Bunde, Henry aus der Schweiz. Ein schnelles Bier auf das Wiedersehen und seinen heutigen Geburtstag und ab in den letzten Vogel dieser Tortur nach Anchorage. Ein paar Stunden später holte uns Papa Erik am Flughafen ab. Den Amerikaner hatte ich vor ein paar Jahren beim Skifahren an einem grausam schlechten Skitag in Kirgistan in einer Bar kennengelernt und eine innige Freundschaft hatte sich seitdem entwickelt.
Am frühen Abend checkten wir übermüdet in ein schäbiges Motel in Anchorage ein. Eine kurze Nachricht an die Frauen daheim: „Gut angekommen!“ Unsere müden Knochen versinken in den super soften, amerikanischen Queensize-Betten. „Mit 32 Jahren darf man nach einer über 24 Stunden langen Anreise auch mal müde sein“, sagte ich auf Deutsch zu meinen Mitstreitern. „Das stimmt nicht ganz“, meint Henry und springt aus dem Bett. „10 Stunden Zeitverschiebung!“ Er hatte noch oder schon wieder Geburtstag. Ab in eine Bar – happy Birthday Henry. Der Jetlag griff, zweite Bar. Absacker bei indigenen Locals. Es war sechs Uhr morgens als wir wieder unser Motel erreichten. Alaska, here we are!
Der nächste Morgen war ein Graus. Nach drei Stunden Schlaf fraß uns die bittere Realität und ohne Erik wären wir wahrscheinlich nie auf den breiten Highway in Richtung Talkeetna gekommen, dem letzten bewohnten Ort vor der unendlichen Weite des Denali Nationalparks. Talkeetna hat rund 1.200 Einwohner, von denen gefühlt keiner wirklich von hier ist. Dieses Hippie-Dorf der Neuzeit zieht seit jeher Aussteiger aus der ganzen Welt an. Wir fragen uns warum? Trostlos ist es hier: flach, keine Berge in Sicht, nasskalt mit matschigem Schnee. Im Sommer soll es hier viele Touristen geben. Im Winter waren wir die einzigen.

Gut vorbereitet für ein Camp im Niemandsland
Wir wollten plus/minus sieben Tage auf dem Pika Glacier ein Camp aufschlagen, um von dort aus Skitouren in Angriff zu nehmen. Der kalte, staubtrockene Schnee Alaskas ist der Traum jedes Skifahrers. Und doch geht dieser nur für die Wenigsten in Erfüllung. Denn in Alaska gibt es kaum Skigebiete und die besten Areas erreicht man sowieso nur per ultrateurem Heli-Skiing. Oder eben wie wir: auf einem Wintercamp im Ungewissen.nächsten Tage verbrachten wir mit den Vorbereitungen. Wir meldeten uns beim Flugplatz, fuhren noch einmal drei Stunden zurück nach Anchorage, um Proviant zu besorgen und unser Camp-Equipment zu mieten. Zurück in Talkeetna registrierten wir uns in der Ranger Station des Nationalparks und bekamen eine Einweisung in die Benützung der so genannten „Clean Mountain Cans“ – wir nannten sie fortan liebevoll und selbsterklärend „Shit-Cans“ - gibt man sie gefüllt retour, bekommt man die Kaution zurück.
Schon von zu Hause aus hatten wir einen Flug mit dem Talkeetna Air Taxi in den Denali Nationalpark gebucht, allerdings ohne genauem Abflugdatum – das hängt vom aktuellen Wetter ab. Manchmal – so erfuhren wir in Talkeetna – kann es eine Woche dauern, bis sich ein Wetterfenster ankündigt.

Bruchchlandung ins Abenteuer
Doch das Glück war auf unserer Seite, Hochdruckeinfluss kündigte sich an. Am Horizont ragten die Riesen der Alaska Range in den Himmel. Wir wogen unser Equipment, beluden das Bushplane, bekamen eine kurze Einweisung von Pilotin Leighan und ein zugerufenes „Good Luck on the first mission of the year in the Alaska Range“. Leighan hob ab und der Denali, mit 6.190 Metern der höchste Berg Nordamerikas, tauchte auf.
Unsere Pilotin steuerte zielsicher auf den tief zwischen Granitmonolithen eingeschnittenen Kahiltna-Gletscher zu und begann mit dem Landeanflug auf den Pika-Glacier. Warum sie plötzlich schwarze Beutel aus dem Cockpitfenster schmiss erfuhren wir erst später! Die Propeller staubten den frischen Schnee in die Luft, die Kufen unseres Flugzeugs setzten sanft auf. Leighan musste den Speed so dosieren, dass sie am oberen Ende des Gletschers eine 180 Grad Kurve einlegen konnte, um anschließend wieder starten zu können. Aber die Schneemassen übertrafen alles Erwartete. Der linke Flügel unseres Flugzeugs fing sich, brachte uns in Schräglage und im hinteren Bereich des Flugzeugs wurden wir fast von unserer eigenen Fracht erschlagen. Wir tasteten uns ab: alles heil, die Maschine war zum Stehen gekommen. Wir blieben einen Moment wie versteinert in Schräglage sitzen. Leighan sagte kein Wort, öffnete die Tür, sprang hinaus und versank bis zu den Schultern im Schnee. Auch wir verließen vom Adrenalin gepusht das Flugzeug. Eine Flasche Fireball-Whiskey kullerte durchs Flugzeug, wir schnappten sie uns und nahmen einen kräftigen Schluck. Leighan schaute uns ungläubig an und sagte: “This was the worst landing of my life. An Alaska bushpilot never wants to experience something like this. The situation right now definitely rates a nine out of ten on my ‘What The Shit-o-Meter’!” Ok, nicht gut!

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Schaufel-Party für Leighan
Das Flugzeug war heil geblieben, wir mussten es „lediglich“ wieder aufrichten und in die richtige Position bringen. Leichter gesagt als getan, denn kein Flugzeug – und auch kein kleines – kann man, wenn man selbst bis zur Brust im Schnee ver-sinkt, einfach anheben. Nach einer gefühlten Ewigkeit buddeln war das Flugzeug wieder gerade, aber mittlerweile bis zu den Tragflächen im Schnee versunken, keine Chance wegzukommen. Also bauten wir in den nächsten Stunden eine Rampe und trampelten einen Runway platt. Als Leighan erneut den Motor startete, schaffte sie es mit Mühe und vollem Schub, abzuheben. Stille.
Als wir unsere Zelte aufbauten – zwei Schlafzelte und ein Kochzelt - dämmerte es bereits, die Kälte zog uns in die Knochen, aber das Adrenalin unserer Bruchlandung hielt uns wach. Erschöpft verkrochen wir uns in unsere Schlafsäcke. In der Nacht wachte ich einige Male auf, immer näher kam mir Chris – oder ich ihm. Die Zelt-plane beulte sich zusehends ins Innere – es schneite wie verrückt.

Und täglich grüßt das Murmeltier
Am nächsten Morgen bog sich unser Kochzelt unter einer rund ein Meter dicken Neuschneeschicht. Wir sortierten uns, traten den Schnee platt, stolperten über un-sere Shit-Cans, versuchten zu Frühstücken, schmolzen Schnee um Tee zu kochen – mit viel Zucker und Rum, der weckt die Lebensgeister! Und obwohl es immer noch schneite, beschlossen wir ein erstes Mal unseren Abenteuerplatz mit den Skiern zu erkunden. Wir klebten die Steigfelle auf, legten Klettergurt und Seil im Falle eines Gletscherspaltensturzes an und stapften los. Es herrschte null Sicht, nach einer kur-zen Abfahrt im bauchtiefen Schnee brachen wir ab.
Die nächsten Tage verbrachten wir mit Schaufeln. Der Schneefall, den wir sonst so liebten, ließ nicht nach und wurde zunehmend zum Problem. Insgesamt, so erfuhren wir später, kamen um die fünf Meter Neuschnee während unseres Aufenthalts zu-sammen. Über Satellitentelefon hielten wir Kontakt mit Talkeetna: So lange keine Wetterbesserung in Aussicht war, konnten sie uns aus unserer misslichen Lage nicht befreien. Wir mussten ausharren.

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Morning Glory: wie eine Fata Morgana in weiß und blau
Es dürfte der fünfte oder sechste Tag auf dem Gletscher gewesen sein, als Chris uns aus dem Schlaf jodelte: Die Sonne lachte vom azurblauen Himmel. Was für ein atemberaubendes Gefühl! Wie eine Belohnung für die harten, entbehrungsreichen Tage im Schnee. Doch wir mussten zuerst einmal Hausarbeit verrichten, bevor wir den ultrakalten Alaska-Powder endlich zum Stauben bringen durften. Unser Koch-zelt war kollabiert. Wir bargen unsere Ausrüstung, gruben eine Schneehöhle und bauten davor eine Art Vorzelt aus gebrochenen Campingstühlen und zerrissenen Zeltplanen.
Als die Sonne am höchsten Punkt des Tages stand, war unser Werk vollendet. Es schien alles perfekt, unser Abenteuergeist aufs Neue geweckt. Wir wählten eine erste, sanft ansteigende Route – die Lawinengefahr war enorm – und spurten eu-phorisch dem oberen Ende des Gletschers zu. Ganz oben in einer Scharte ange-kommen öffnete sich uns der Blick in eine schneeweiße, unendliche Hochgebirgslandschaft. Wir fühlten uns klein, aber doch stolz dieses Abenteuer in Angriff genommen zu haben.
Unsere erste richtige Skiabfahrt in Alaska hätte nicht besser sein können. Noch nie zuvor in unserem langen Skifahrerleben hatten wir dermaßen fluffig-trockenen Pul-verschnee unter den Latten. Es staubte, wir machten Bilder und klebten die Felle erneut auf, stiegen ein zweites, ein drittes Mal unsere Spur hinauf, dropten Seracs, jubelten bei jedem Schwung und fühlten uns nun auch wie echte Pioniere. In der Abendsonne erkundeten Henry und ich eine neue Area unterhalb unseres Camps. Ich wollte bis auf einen schmalen Gipfel, um den Denali direkt vor meinen Augen zu haben. Und obwohl ich darauf vorbereitet war, holte es mich kurz wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, als sich unter meinen Skiern ein Schneebrett löste. Doch der Schock löste sich schnell, die restliche Abfahrt verlief wieder über sanfte Gletscherhänge. Wir zogen weite Schwünge, Henry gleich neben mir. Wir schrien vor Freude und motivierten Chris und Erik uns ein weiteres Mal zu begleiten. Ein Tag, der nie zu Ende hätte gehen sollen. Zufrieden saßen wir im Freien vor unserem neuen Wohnzimmer, genossen Rum mit Tee. Die Sonne ging unter, der Schatten überzog unser Camp und die Luft begann allmählich vor Kälte zu klirren - minus 30 Grad Celsius. In der Nacht verkrochen wir uns mit samt unseren Daunenjacken in den Schlafsäcken und kuschelten uns so nah wie möglich zusammen.

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Bitter grüßt die Realität
Noch in der Nacht brachte eine neue Kaltfront Neuschnee in die Alaska Range. Am nächsten Morgen fühlte sich der vergangene Tag wie der Traum der letzten Nacht an. Alles war wieder wie vorher. Wir holten unsere Schaufeln und begannen erneut unser Camp vom Schnee zu befreien. Am nächsten Schönwettertag mussten wir ausgeflogen werden. Nur wann sollte der kommen? Wir rationierten unseren Pro-viant und tranken immer mehr heißes Wasser mit Rum oder Whiskey, wir präpa-rierten Tag für Tag eine neue Landebahn für Leighan.

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Touchdown Penis-Airport / Pika-Glacier, Alaska
Und es mag sexistisch sein oder auch nicht. Am Morgen unseres zehnten Tages be-freiten wir mit Hilfe eines GPS-Geräts erneut unsere Landebahn vom Neuschnee. Beim Blick darauf sagte Erik: „Looks like a huge penis“, und meinte damit die U-Form unseres Runways. Da in Europa ein überdimensionaler Schaft aber noch kei-nen ausgewachsenen Pimmel ausmacht präparierten wir noch sämtliche andere Bestandteile des männlichen Gemächts. Ein Meisterwerk, Testosteron gesteuert nach zehn Tagen Isolation im Eisknast Alaskas! Doch es war nicht Leighan, die unter unserem Jubel nach erfolgreicher Landung aus dem Flugzeug steigt. Es war Paul Roderick, eine lebende Legende unter den Alaska Bushplane Piloten. Er grinste und begrüßte uns mit den Worten: „Nice Runway guys!“
Unser Equipment, bzw. das, was davon übrig war, hatten wir schon zusammen-gerafft, die Essensvorräte hatten wir bis zum letzten Bissen aufgebraucht. Nur einen Liter Whisky hatten wir übriggelassen – unser Gute-Laune-Macher hatte uns selbst an den miesesten Tagen zum Lachen gebracht. Diesem erwiesen wir nun in gut 30 Minuten Flug die letzte Ehre.
Zurück in Talkeetna werden wir wie Helden empfangen. Es schien, als hätte ein ganzes Dorf mit uns mitgefiebert. In der Ranger-Station übergibt Papa Erik unsere gefüllten Shit-Cans wie Trophäen. Henry, Chris und ich müssen draußen warten. Wir torkeln, lallen und können uns kaum mehr auf den Beinen halten. Und doch schafften wir es noch ins Denali Fairview Inn und grölten bis tief in die Nacht Ka-raoke-Songs mit unseren neuen Freunden aus dem Hippie-Dorf.

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Infobox

ANREISE
» Mit dem Flugzeug meist über Seattle nach Anchorage.
» Tipp: Wer die lange Anreise lieber komfortabel in der Business-Class verbringen will, sollte mal bei www.reisetopia.de reinschauen
» Unbedingt eine Auslandskrankenversicherung für den Fall der Fälle abschließen.

MOBIL IN ALASKA
» Mietwagen. Unbedingt einen 4x4 Geländewagen buchen.
» Tipp: Am besten einen fetten US-Pickup mit geschlossener Ladefläche mieten, um auch Skier und sonstiges Equipment gut verstauen zu können. Außerdem kann man so auch die ein oder andere Nacht im Schlafsack auf der Ladefläche verbringen – die Entfernungen zwischen den Ortschaften in Alaska kann man mit europäischen Maßstäben nicht vergleichen!

AUSRÜSTUNG
» In Anchorage gibt es viele Fachgeschäfte die Outdoor-Ausrüstung zum Verleih anbieten. Im Prinzip kann man dort alles für ein echtes Alaska Abenteuer mieten. Die wichtigsten persönli-chen Essentials wie Schlafsäcke, gute Zelt und Sport-Ausrüstung (Ski) sollte man aber besser von zu Hause mitbringen.
» z.B. Alaska Outdoor rental: www.alaskaoutdoorgearrental.com

VERPFLEGUNG IM DENALI NP
» Man muss alles selbst mitbringen – lieber zu viel als zu wenig.
» Große Supermärkte findet man auf dem Weg nach Talkeetna in Anchorage und Wasilla. In Tal-keetna selbst gibt es nur einen kleinen Tante-Emma-Laden.

TALKEETNA
» Talkeetna liegt knapp 200 km nördlich von Anchorage und ist das Tor zum Denali Nationalpark. Im Zentrum gibt es mehrere einfache Unterkünfte, die man am besten direkt vor Ort bucht. www.alaskausa.de/Destinations/Communities/Talkeetna.aspx
» Tipp: Die Steaks im Latitude 62 und das Bier im Denali Brewpub probieren. Einen typisch amerikanischen Pub-Abend erlebt man am besten im traditionsreichen Denali Fairview Inn.
» Denali Nationalpark Ranger Station: Zentraler Ort für die Registrierung jedes Besuchers des Nationalparks. Schulung über die Verhaltensweisen innerhalb des Nationalparks. www.nps.gov/dena/planyourvisit/walter-haper-trs.htm
» Bushplanes (auch Air Taxi genannt) sind die einzige Möglichkeit ins Herz des Denali Nationalparks vorzustoßen – erst vor Ort buchbar, Kosten variieren je nach Ziel (z.B. Pika Glacier ca. 550 USD pro Person)
www.talkeetnaair.com




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