TRAMIN
BERGSTOLZ BikeMagazin APRIL 2017 | Seite 31
Im Süden Südtirols, im Etschtal, da wo sich die Autostrada nur mehr
gemächlich talabwärts schlängelt, beginnt die Südtiroler Weinstraße.
Sie zieht sich von Nals über Bozen durch das Überetsch und Unterland
bis nach Salurn. Es hieß, dass es hier nicht nur exzellenten Rebensaft,
sondern auch ein richtig gutes Trailnetz fürs Mountainbiken zu entde-
cken gäbe. Hört sich nach einem ziemlich guten Vorwand an, dieses
Jahr nicht erst am Lago das Bike auszupacken.
Während sich die Skitourengeher noch in den Bergen vergnügen, machen
sich im frühen Frühling die Mountainbiker bereits kolonnenweise auf den
Weg Richtung Süden – oftmals um am nur allzu gut bekannten Lago die
ersten Kilometer der Saison auf dem Bike und in die Beine zu bekommen.
Durch Südtirol fährt man dann vorbei an den jetzt blühenden Apfelbäu-
men, an unzähligen Weinbergen und mehr oder weniger gut erhaltenen
Burgen. Nicht selten meldet sich der Gedanke, doch auch mal eines dieser
Dörfchen oder eine der Festungen zu besuchen, anstatt sie immer nur hin-
ter dem Autofenster vorbei ziehen zu sehen. Zu stark ist meistens die An-
ziehungskraft des Gardasees, um spontan von der Autostrada abzubiegen
und einen Abstecher zu wagen. Heuer wollten wir aber endlich diese Re-
gion entdecken – also das Mountainbike reisefertig verpackt, rein ins Auto
und ab auf die Strada del Sole!
In Bozen Süd verlassen wir die Autostrada und fahren der „Strada del
Vino“ entlang Richtung unseres Zielortes – Tramin. Schon aus dem Auto
heraus präsentiert sich dem Biker eine Region, die kontrastreicher kaum
sein könnte: Wesentlich lieblicher und weicher als am Gardasee. Es gibt
jede Menge hügelige und waldige Gegenden, sie zeigt aber auch ihre
hochalpine Seite. Biken kann man hier das gesamte Jahr über. Es gibt un-
zählige schöne Trails, die überwiegend sehr flowig sind und auf griffigem
Waldboden, teilweise mit Wurzeln überzogen und und im Herbst goldgelb
mit Blättern bedeckt, hinab führen. Die Anstiege sind im Großen und Gan-
zen moderat, so sollte auch zu Beginn der Saison nach dem Bergaufpe-
dalieren noch genügend Kraft in den Beinen stecken, um es mit
Hochgenuß bergab laufen zu lassen. Im Notfall könnten wir immer noch
auf die Mendelbahn oder den Shuttle umsteigen, um zu den höher gele-
genen Traileinstiegen zu kommen. Selbstverständlich fix eingeplant ist so-
wohl das abendliche Glas Wein zur Belohnung, als auch möglicherweise
schon ein erstes Bad im Kalterer See – einer der wärmsten Seen der Alpen.
Soweit unsere Erwartungen an die Tage im Tramin.
Der Traminer Hof, in dem wir uns eingebucht haben, hat sich als DAS Bi-
kehotel der Region etabliert. Chef des Hauses ist Armin Pomella, sozusa-
gen ein Bike-Tourismus-Pionier, der vor gut 23 Jahren begonnen hat,
geführte Touren in dieser Region anzubieten. Als leidenschaftlicher Radler
ist Armin selbstverständlich immer noch selbst als Bikeguide tätig und zu-
sammen mit seinem Team werden wöchentlich wechselnde Touren ange-
boten. Nicht nur für Mountainbiker, sondern auch für Rennradler und
E-Biker ist für jeden Geschmack etwas dabei: von gemütlichen Aussichts-
routen durch den Montiggler Wald und rund um die gleichnamigen Seen,
über die anspruchsvolle Ausfahrt auf den Roen – den 2.116 Meter hohen
Hausberg der Traminer - bis hin zu abwechslungsreichen Single-Trail-Run-
den und Touren auf Grauner oder Fenner Joch. Beim Sichten der Touren-
vorschläge auf der Homepage konnten wir es schon kaum mehr erwarten,
aufs Bike zu steigen und die Gegend zu erkunden. Jetzt sind wir gespannt,
was Armin mit uns vor hat.
Im Eingangsbereich gegenüber der Rezeption befindet sich ein Aushang
über die Tourenplanung der Woche. Armin ist bei der Tourenplanung je-
doch immer flexibel in Abhängigkeit in erster Linie vom Wetter, von den
Wünschen seiner Gäste und den sonstigen Rahmenbedingungen –
„Bringt halt nix, wenn Dienstag der Roen am Plan steht, es oben schneit
und hier unten die Montiggl-Trails trocken sind!“.
Je nach Können und Kondition werden zwei Gruppen angeboten für die
entsprechende Leistungsklasse, damit auch jeder voll auf seine Kosten
kommen kann. Daneben hängen zwei riesige Landkarten der Region –
eine fürs Rennrad, die andere fürs MTB. Darauf eingezeichnet sind unzäh-
lige Touren mit ihren Profilen, exakten Höhen- und Streckenangaben und
jeweils einer kurzen Beschreibung der Tour-Charakteristik. Stolz erzählt
uns Armin, dass all die Touren im Laufe der Jahre von ihm selbst „erfah-
ren“, aufgezeichnet und erfaßt wurden.
Für uns stehen heute die Trails im Montiggler Wald auf dem Plan. „Mon-
tiggl“ wurde bereits im 9. Jahrhundert als „Admonticlo“ in Urkunden er-
wähnt und bedeutet ursprünglich im Romanischen „kleiner Berg, kleine
Geländeerhebung“.
So präsentiert sich dieser zwischen Bozen auf der einen und den Gemein-
den Eppan, Kaltern und Tramin auf der anderen Seite eingebettete Hügel-
zug. Durchzogen ist dieser mit einem schier nicht enden wollenden Netz
aus Forst- und Hohlwegen und versteckten, abwechslungsreichen Single-
Trails und wird gekrönt von den beiden Montiggler Seen.
Wir holen unsere Bikes aus dem komfortablen Bikekeller. Hier waren un-
sere „Schätzchen“ über Nacht sicher und überwacht aufbewahrt. Für E-
Bikes wurden über den Winter eigens jede Menge an Ladestationen
installiert. Ein Waschplatz für die eingesauten Bikes nach der Tour darf
natürlich nicht fehlen.
Es ist ein wundervoller Morgen, die Sonne scheint und obwohl die Saison
erst begonnen hat, erlauben es die Temperaturen bereits so früh kurz-kurz
loszurollen. Armin geleitet die Gruppe rasch von der Straße weg und führt
uns gezielt auf schönen Nebenwegen durch bunt blühenden Apfelplan-
tagen direkt zum Montiggler Wald. Mit von der Partie ist Davide, der neue
Bikeguide im Team. „Es dauert schon a Weile, bis man sich hier zurecht-
findet“ meint Armin. Das Wegenetz ist in der Tat unendlich. Aber unser
Guide kennt sich aus wie kein Zweiter. Los geht’s nun über einen schönen
Forstweg bergauf und schon nach wenigen Minuten hinein in den ersten
Trail. „Hier schaue ich mir an, wer wie fit ist und wie er fahren kann“, ein
letzter Check, damit die Gruppen auch wirklich homogen eingeteilt sind.
Bei uns paßt alles. Nun pedalieren wir wieder locker über weitere Forst-
wege fast bis zum Bergrücken hinauf. Hier geht es in einen wunderbar
wilden Trail hinein. Es kommt fast Jungelfeeling auf. „Den hab ich selbst
erst vor kurzem entdeckt“ meint Armin mit einem verschmitzten Grinsen.
Weiter geht’s über einen Waldtrail leicht bergauf zu einem spektakulären
Aussichtspunkt. Zum Glück stand unser Guide da und stoppte uns.Wenn
Du im Flow bist und gut Speed drauf hast, könnte es schon kritisch wer-
den. An diesem Punkt reißt eine Felskante abrupt ab und es geht gut 400
Meter senkrecht in die Tiefe. Uns bietet sich ein spektakulärer Blick, der
sich über das Etschtal von Bozen bis fast nach Trento erstreckt. Nachdem
wir die Aussicht ausgiebig genießen konnten, satteln wir auf und reiten
einen sich wild schlängelnden, super flowigen Trail hinunter bis auf halbe
Höhe. Dort biegen wir in einen Hohlweg ab, der sich wie eine Halfpipe
surfen läßt. Als uns der Trail am Ende ausspuckt, haben wir durch die Bank
ein breites Grinsen in den verschwitzten Gesichtern.Weiter geht’s zur Mit-
tagspause am größeren der beiden Montiggler Seen. Auf der Terrasse vom
Seehotel Sparrer genießen wir die leckere Küche und die wärmende Sonne
Südtirols – mit fast 27 Grad fühlt es sich an wie im Sommer.
Gestärkt machen wir uns auf, um den See herum und wieder hinauf auf
den Bergrücken. Ambitioniert zeigt uns unser Guide immer wieder neue
Trails – bergauf wie bergab, über Sand, Fels, Wurzeln sauber dosiert mit
technischen Passagen. Wir hätten nicht gedacht, dass der unscheinbar
wirkende Bergrücken so viel Spaß machen kann, aber auch ordentlich
Kraft kostet. Inzwischen haben wir gut 1.000 Höhenmeter gemacht und
das merken wir auch. Zum Einfahren war die Tour perfekt und wir be-
schließen, den Rückweg zum Hotel anzutreten. Wir freuen uns alle,
schließlich wartet dort das ein oder andere kühle Getränk oder ein leckerer
Wein in gemütlicher Runde mit dem Chef zum Ausklang der Tour.
Wir waren zeitig zurück, sodaß sich vor demAbendessen noch ein Besuch
in der Wellnesslandschaft ausgeht. Im Untergeschoß finden wir einen In-
door-Pool mit Jacuzzi und nebenan eine Saunalandschaft – wir entschei-
den uns dafür. Der Bereich ist großzügig angelegt mit zwei Saunen, einem
Dampfbad und einem gemütlichen Ruhebereich. Schnell stellt sich die ge-
wünschte Entspannung ein. Doch bald stellt sich ein deutliches Leerege-
fühl in der Magengegend ein, dem wir vorfreudig nachgeben.
Den ersten Hunger stillen wir am üppigen Salat- und Antipasti-Buffet. Da-
nach folgen drei leckere Gänge, die wir morgens aus jeweils drei Optionen
ausgewählt hatten. Ich habe mich für die hausgemachte Pasta entschie-
den, gefolgt von der Tagliata auf Rucola und dem krönenden Abschluß –
einer herrlichen Panna Cotta. Großes Kompliment an die Küche, die hier
ganz hervorrangende Arbeit leistet. Begleitet wird das ganze von einem
guten lokalen Rebsaft. Wir sind ja schließlich nicht umsonst in Südtirol.
Der nächste Morgen beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück. Wichtig,
denn heute steht die Auffahrt zum Grauner Joch auf 1.800m auf dem
Plan. Ganz schön knackig, denken wir uns noch, für den zweiten Biketag.
Armin beruhigt uns: „Mal sehen, wir fahren wohl nicht ganz rauf“. Sein
Ziel ist es, sich zu Mittag mit der schwächeren Gruppe in der Jausenstation
zu treffen. Wir werden so weit fahren, bis die andere Gruppe einen be-
stimmten Punkt passiert und der Guide kurz durchruft. Soll uns recht sein,
mehr Meter nach oben ist auch mehr Trail nach unten. Bis auf ein, zwei
kleine Rampen gestaltet sich die Auffahrt über die Forststraße recht locker.
Und bei dem Panorama, das sich uns bietet, sind wir eh permanent ab-
gelenkt. Wir werden langsam unruhig, denn permanent zweigen die




