Seite 38 | BERGSTOLZ Ski Magazin JANUAR 2017
WINTERRAUM
auf den Beinen zu halten. Mehr war wohl nicht zu holen in diesem
perfekten Face, deshalb entschließen wir uns für einen Hang an-
derer Ausrichtung. Eines war klar: Wenn es hier mit dem Puder-
schnee nichts werden sollte, müssen wir uns wohl mit hartem,
windverblasenem Schnee begnügen. Während des Aufstiegs
haben wir reichlich Zeit, um uns schöne Lines auszumalen und
die Route perfekt zu planen. Mit gutem Gefühl kraxeln wir die
letzten Meter Richtung Gipfel, packen unseren Kocher aus und
stärken uns mit einer schmackhaften Suppe für den bevorstehen-
den Run. Noch immer zeigt sich das Wetter von seiner besten
Seite, die Sonne blinzelt von der Seite in den Hang und sorgt für
perfektes Licht um ein paar Shots vor dem Arlberger Panorama
einzufangen. Nachdem ich mich an einem geeigneten Punkt plat-
ziert hatte, gibt es von mir das Go an die Jungs: „Ok, ich bin bereit,
kann losgehen!“ Philipp schießt los und setzt seinen dritten
Schwung auf die jungfräulicheWechte. In diesem Moment ist mir
klar, dass gerade gewaltige Aufnahmen entstehen. Kurz darauf
stürzen sich auch Julian und Marc ins Vergnügen. Jubelschreiend
unten angekommen, checken ich die Jungs ab. Da war er, der gute
Powder! Voller Euphorie klatschen wir die Felle auf unsere Ski und
jagen für einen weiteren Run Bergauf.
Für den dritten Tag sagen dieWetterdienste erste Schneefälle und
Nebel voraus, doch mit zwei ausgesprochen gelungenen Tagen
im Gepäck sehen wir dem nahenden Wetterwechsel entspannt
entgegen.Wir checken ein letztes Mal denWetterbericht und ver-
kriechen uns pünktlich um 22 Uhr in unsere warmen Schlafsäcke
in der Hoffnung auf einen gut gesinnten Wettergott. Nach neun
erholsamen Stunden Schlaf müssen wir allerdings beim ersten
Blick aus dem Fenster ernüchternd feststellen, dass der Wetter-
dienst Recht behalten sollte. Der Nebel verhüllte die umliegenden
Berge und verwehrten uns einen Blick auf die atemberaubende
Kulisse, an der wir uns einfach nicht satt sehen konnten.Wir haben
keine Wahl und verlängern unseren Schlaf um weitere Stunden.
Die Gewissheit keine Eile zu haben, lässt uns merklich entspannen
und so starten wir locker in den Tag, gönnen uns eine dicke Portion
Müsli mit Obst und genießen die Ruhe und Einfachheit am Ofen
desWinterraumes. Mails können hier oben nicht beantwortet wer-
den, denn Strom und Handyempfang sind Mangelware. Es dauert
eine Weile, bis wir uns völlig entspannen können und nicht das
Gefühl haben, ständig auf’s Display unseres Smartphones gucken
zu müssen, doch von Tag zu Tag lassen wir uns mehr und mehr
fallen. Neben den täglichen Aufgaben, den Ofen einzuheizen und
Essen zu kochen, finden wir genügend Zeit, um über alles Mögli-
che nachzudenken, Karten zu spielen und uns intensiv auf die
nächsten Runs am Berg vorzubereiten. Zeit, die wir in unserem
täglichen Leben zwischen Uni, Arbeit und Freunden nicht haben,
so scheint es zumindest, denn es tut uns erstaunlich gut, dem hek-
tischen Alltag zu entfliehen.
Während wir so dasitzen und am heißen Tee nippen, schweift der
Blick immer wieder aus dem Fenster. Langsam werden wir unge-
duldig. Ermutigt durch leichte Auflockerungen in der dichten Ne-
beldecke beschließen wir uns bereit zu machen um wenigstens
etwas frischeWinterluft zu schnappen und die Aufstiegsroute zum
Einstieg der geplanten Rinne zu inspizieren. Eine Stunde später
stehen wir am Fuße eines beidseitig von Felsen begrenzten, sich
nach oben verjüngenden und steiler werdenden Hanges. Die
Schneebedingungen wechseln auf kleinstem Raum von harschig
bis pulvrig, sorgen aber dennoch für angenehme Laufbedingun-
gen. Angeführt von Philipp, bewältigen wir gut drei Viertel der
Strecke mit Spitzkehren, bevor wir unsere Ski auf den Rücken
schnallen um das letzte steile Stück bis zum Grat zu meistern.Auf
unserem Weg nach oben erahnen wir immer wieder von der
Sonne aufgehellte Bereiche über uns, der Gedanke, die geplante
Rinne zu befahren, scheint auf einmal gar nicht mehr so unrealis-
tisch. Leider sollte es bei diesem Gedanken bleiben, denn dicke
Nebelfelder nehmen uns aber immer wieder die Sicht. Heute müs-
sen wir uns damit zufriedengeben, unsere Lines in die wechsel-
haften Bedingungen im Bereich unseres Aufstiegs zu ziehen, doch
erstaunlicherweise finden wir recht annehmlichen Schnee vor, so-
dass uns auch dieser Hang ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Zurück
an der Hütte können wir einstimmig sagen, den Tag so gut es geht
genutzt zu haben. Leider verhüllte der Nebel auch an unserem
letzten Tag den kompletten Kessel, sodass es erneut bei einem
Run nahe der Aufstiegsspur bleiben sollte, eher wir zur Hütte zu-




