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RONDA

BERGSTOLZ BikeMagazin AUGUST 2017 | Seite 35

Einmal rund um den Sellastock, das gehört zu den Dingen, die

man als Skifahrer – und vor allem als Freerider – mal gemacht

haben muss. Das atemberaubende Bergmassiv in den Dolomi-

ten, das von den Orten Wolkenstein, Alta Badia, Corvara und

Arabba eingerahmt wird, lockt im Winter mit anspruchsvollen

Freeridehängen: Pordoi Joch, Holzer Rinne, Joel Rinne und Mit-

tagstal – ein Wahnsinnsgebiet. Immer wieder tauchte beim Er-

innern an die Winterzeit der Gedanke auf, dass das doch auch

im Sommer mit dem Bike möglich sein sollte. Einige Internet-

Recherchen später waren wir schlauer und unser Plan gefasst:

nicht über Forststraßen, sondern mit Gondelunterstützung und

bergab über die unzähligen Trails wollten Daniel und ich zu-

sammen mit ein paar Freunden das Gebiet erkunden und die

Sella Ronda in Angriff nehmen. Das ganze Unternehmen sollte

inWolkenstein Richtung Grödner Joch starten und uns dann im

Uhrzeigersinn rundherum führen.

Wir treffen uns am Morgen an der Bahn Dantercepies. Unser Guide

Hermann – übrigens ein Bruder des lokalen Ski-Heroes Peter Rung-

galdier – unterhält sich zwangsweise ein wenig länger mit dem Be-

triebsleiter, es war eine kleinere Diskussion notwendig, um

herauszufinden, wo unsere Liftpässe hinterlegt wurden: „Hoi,

co vala? Iesa inò san y nton?“ „Sci, la me va inò bona, dut a post.

Cie fejesa tu ncuei?“ „Jì cun la roda coche te vëijes. Cun chësc bel

tëmp...“1 Wir verstehen nur Bahnhof, sind aber froh, dass er das

mit unseren Tickets klären konnte und es endlich losgeht.Auf geht’s

nach oben aufs Grödner Joch. Hier wurde ein neuer Flow Trail, der

Cir Trail, geshaped, ein sehr spassiger Trail für jede Könnensstufe,

selbst der nicht so versierte Fahrer kann hier das Anlieger fahren

üben. Optimal zum Einfahren also. Danach rollen wir auf Trails und

Forststraßen nach Corvara hinunter, um von dort mit der Col Alt

Bahn wieder hochzufahren. Hier das gleiche Spiel, aber für uns über-

raschend auf Italienisch: „Ciao Hannes, bella giornata oggi!“ „Ciao

Hermann! Hai ragione, anche oggi c’è un po’ di movimento.“2

Diesmal keine Fragezeichen in unseren Gesichtern, auch wenn man

kein Ladinisch spricht, kommt man im Grödner Tal mit Italienisch

und Deutsch bzw. Südtirolerisch überall weiter.

Auf einem kurzenWaldtrail fahren wir zum nächsten Sessellift Braia

Fraida. Von hier können wir die herrlichen Almwiesen und im Hin-

tergrund das Fanes Gebirge mit Heiligkreuzkofel und Cunturines

bewundern, gegenüber die Boe Spitze, die höchste Erhebung des

Sella Massivs. Was für eine Aussicht! Nach einem etwas steileren

Anstieg vorbei an der Refugio Pralongia, fahren wir nun abseits der

Sella Ronda noch einen technischen Trail hinunter zum Sessellift

Pralongia in der Nähe des Golf Platzes von Alta Badia. Der ziemlich

steileWurzeltrail ist ziemlich lehmig, da es amVortag noch geregnet

hat und fordert uns ganz schön mit seinen Spitzkehren.

Wieder oben angekommen ist es Zeit für die Mittagspause auf der

Rifugio Marmotta. Wir haben uns schon im Vorfeld auf das her-

vorragende Essen auf den Südtiroler Hütten gefreut, und wir wer-

den nicht enttäuscht. „Nëus s’ancunton bën mpo uni di tlassù!“

Ti grupa semea na scuadra drët da rì“3, scherzen unser Guide und

sein Spezl, den wir auch noch treffen. Ich rätsle noch, ob sie sich

über die Qualität des Essens, das Wetter oder doch unsere fragen-

den Gesichter unterhalten haben, während wir den obligatori-

schen Espresso schlürfen.

Danach geht es für uns weiter auf einen Höhenweg hinüber zum

Sessellift Campolongo.Von der Bergstation verläuft ein teilweise an-

gelegter Trail mit Anliegern ziemlich flott nach Arabba hinunter.Wir

lassen es aber sowas von krachen! Überhaupt sind wir mit der Tour,

die Hermann für uns zusammengestellt hat, ziemlich zufrieden: ab-

wechslungsreich, schnelle flowige Trails wechseln mit technisch an-

spruchsvollen Passagen und Steigen, langweilig wird uns da keine

Sekunde.

InArabba steigen wir in die Seilbahn zum Portavescovo. Mittlerweile

kennen wir das Ratschen-beim-Einsteigen-Spiel schon, und auch

uns kommt das „Bon dí!“ mittlerweile ganz gut von den Lippen.

Oben angekommen nehmen wir nicht die Forststraße hinüber zum

Pordoi Joch, sondern fahren amAnfang einen ausgesetzten Geröll-

pfad hinunter bis wir unten auf den 680 Wanderweg treffen. Auf

dem fahren wir dann leicht ansteigend und technisch in Richtung

Pordoi. Nach der Querung der Passstraße nehmen wir den Singletrail

hinunter zum Fodom Sessellift, von wo es dann endgültig hoch zum

Pordoi Joch geht. Hermann fährt mit uns linkerhand in einen weite-

ren Singletrail (der auch gebaute Anliegerkurven enthält) und wir

geben auf dem schönen flowigenWaldtrail ordentlich Gas hinunter

nach Canazei. Die Strecken sind einfach der Hammer, breites Grinsen

zeigt sich auf unseren Gesichtern. In Canazei angekommen fahren

wir die Col Rodella Bahn hoch. Es hat etwas zugezogen, wir sind

aber bisher vom Regen verschont worden und auch hier hat sich

das Gewitter schon verzogen. Unterhalb des Langkofels treten wir

zurück nach Wolkenstein. Als wir den Tag Revue passieren lassen,

können wir kaum aufhören zu grinsen: 64 Kilometer Strecke, 700

Höhenmeter bergauf, dafür 5.000 bergab – was für ein Tag. „Son

drët cuntënt cun mi trupa, l me à sapù scialdi bel cun chisc jëuni“4,

erklärt Hermann unserem Gastgeber im Hotel Else. Sein Lachen ist

übrigens nicht weniger breit als das unsere, also beschließen wir

davon auszugehen, dass er uns ein Kompliment gemacht hat.

Da wir morgen zusammen mit ihm einen weiterenTag vor uns haben,

lassen wir uns mit Sauna und gutem Essen verwöhnen. Wir wollen

ja bei Kräften sein, wenn wir uns nochmal auf die Trails stürzen.

Am Morgen erstrahlt die Sonne die umliegenden Berge, wir treffen

Hermann an der Ciampinoi Bahn. „Bon dí! Co vala?“ Unser Ladi-

nisch hat Fortschritte gemacht! Heute wollen wir gegen den Uhr-

zeigersinn einige schwierigere Trails befahren, daher werden wir

auch nur bis Arabba fahren. Oben an der Ciampinoi geht es erst mal

hinauf und durch die steinerne Stadt, am Passo Sella bewundern

wir die alte Zwei-Personen-Seilbahn, die auf den Langkofel hoch-

fährt. „Chësc vedl pez pudëssa dessegur nes cunté truepa ntrauni-

des.“5 Aha, wir pflichten schuldbewusst bei. Wir fahren unter der

Bahn durch und wappnen uns für den steilen Anstieg zur Rondella.

Wir halten uns ein wenig unterhalb des Gipfels, bleiben links und