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SCHWEDEN

BERGSTOLZ Bike Magazin AUGUST 2016 | Seite 25

Da sitzen wir nun (drei Freunde) mit unseren Bikes und zwei polnischen Gastarbeitern, die

uns freundlicherweise mit ihrem Bus mitnehmen. Wir sind auf dem Weg von Kiruna nach

Abisko, dem Startpunkt unserer Reise. Die zwei Jungs gehen fischen, wir drei gehen biken.

Aber von Anfang an...

Vor einem Jahr hatten wir die Idee, den Weitwanderweg Kungsleden, 498 Kilometer, in

zehn Tagen zu befahren. Wir, Frowin, Marcel und Michi, Bike-Enthusiasten, die abseits der

täglichen Routine ein wenig Abenteuerluft schnuppern wollten. Der Plan war schnell

gefasst, es folgten Kartenstudium, intensive Trainingstage (man wollte schließlich fit sein)

und all die restlichen Reisevorbereitungen, die es eben so braucht. Ende Juli ging es dann

endlich nach Kiruna, die nördlichste Stadt in Schweden.

Tag 1 | Kiruna - Alesjaure

Kiruna steht auf Eisen. Unter Kiruna im Erdreich liegt das beste Eisenerz Europas. Ohne Eisen kein

Kiruna! Alle, die hier leben, sind abhängig vom Erzabbau. Aber das intensive Schürfen hat den

Boden instabil werden lassen. In den nächsten Jahren muss Kiruna umziehen, sonst werden Teile

der Stadt einstürzen. Die ersten Häuser sind bereits abgebrochen und das neue Gemeindehaus

befindet sich bereits im Bau - fünf Kilometer östlich. Dort entsteht das „neue“ Kiruna.

Der Kungsleden beginnt aber nicht in Kiruna, sondern in Abisko. Und weil wir unsere Bikes nicht

mit dem Zug transportieren durften, waren wir nun auf die Hilfe unserer polnischen Freunde

angewiesen.

Am späten Nachmittag in Abisko angekommen, kann es so richtig losgehen. Wir wollen heute

noch das erste Stück des Kungsleden befahren und Alesjaure erreichen. Ein tolles Gefühl, nach

intensiver Vorbereitung endlich auf dem Bike zu sein. Wobei das gute Gefühl nicht allzu lange

anhält. Oft haben wir in der Vorbereitung technische Trails befahren und das war, wie sich jetzt

zeigt, auch bitter nötig gewesen. Auf dem Kungsleden, technisch äußerst anspruchsvoll, muss

man sich mit dem Bike jeden Meter hart erarbeiten.

Mit Flussüberquerungen, Sümpfen, viel Wasser und den schmalen, rutschigen Holzplanken zeigt

der Kungsleden bereits am ersten Tag sein wahres Gesicht und wir sind froh, als wir unsere

Unterkunft in Alesjaure erreichen.

Tag 2 | Alesjaure – Sälka

Drei Uhr morgens in Alesjaure: Wir versuchen uns in der Hütte für die bevorstehenden Tage ein

wenig zu erholen. Alles schläft, als Marcel von einem dringenden Bedürfnis geweckt wird.

Zimmertüre auf und... Stopp! Auf dem Gang patrouilliert ein Hund, der mit Marcels Plan, das

Zimmer kurz zu verlassen, offensichtlich nicht einverstanden ist. Wie der liebevolle Nachbarshund

sieht er nicht gerade aus. Der zweite Versuch, eine halbe Stunde später das Zimmer zu verlassen,

misslingt aus demselben Grund. Marcel gibt den Plan mit dem Toilettengang auf und übt sich für

den Rest der Nacht in Körperbeherrschung.

Ein neuer Tag bricht an. Auf dem Trail bestätigt sich unser gestriger Eindruck. Eine gute Linie durch

den mit Steinen besetzten Weg zu finden, ist anspruchsvoll und kräftezehrend. Mit jedem

Höhenmeter kommt nun auch immer mehr Schnee dazu.Wir müssen bereits am zweiten Tag unse-

res Abenteuers die Bikes schieben und tragen – für die kommenden Tage schwant uns Böses.

Mittagshalt auf dem Tjäktja-Pass. Endlich was zu Essen, auch wenn es nur Knäckebrot mit

Würstchen ist, die unsere Bäuche füllen. Die Vorfreude auf die anstehende Abfahrt lässt das Essen

gleich doppelt so gut schmecken. Doch Schnee und Wasser trüben das Abfahrtserlebnis erheblich

und die Bedingungen bessern sich auch auf dem Weg aus dem Tal hinaus nicht merklich. Jede

Pedaldrehung kostet Kraft und ständig sinken wir tief in den Schnee ein. Zu allem Übel befinden

sich unter dem Schnee versteckt oft kleine Tümpel und Bäche und wir spüren, dass unsere Füße

die nächsten Tage wohl nicht mehr trocken werden. Acht Stunden sind wir an diesem Tag unter-

wegs, nur eine davon im Sattel.

Etwas Gutes hat das langsame Vorankommen: Wir können unseren Blick schweifen lassen und

genießen die atemberaubende Landschaft und die von Menschen unberührte Natur. Wildnis – so

weit das Auge reicht!

Am Abend wollen wir bei einem Besuch in der Sauna entspannen und gleichzeitig die lokalen

KUNGSLEDEN

Fluch & Segen

Text: Frowin Betschart | Foto: Michael Gerber