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RENNER

Seite 23 | BERGSTOLZ Bike Magazin März 2016

Unter einem Pionier versteht man im Bereich Forschung einen

Menschen, der auf einem bestimmten Gebiet eine Vorreiterrolle

einnimmt, der etwas Bahnbrechendes geleistet und damit weiteren

wissenschaftlichen Arbeiten und Erkenntnissen den Weg geebnet hat.

Bahnbrechend war 1982 das „Centurion Country“ – das erste

„Mountainbike“ in und aus Deutschland. Wem und was er damit den Weg

geebnet hat, zeigt ein Blick auf die aktuelle Bikelandschaft in Deutschland.

Aber wie wird man zum „Bike Pionier“? Wahrscheinlich indem man das

Radfahren schon seit frühester Kindheit

betreibt:Wolfgangs

Vater war im

Rad Club aktiv, also war für die beiden Söhne der Weg vorgegeben:

Wolfgang und sein Zwillingsbruder Jürgen wurden als Kunstradfahrer

erfolgreich. Da ihm die Halle aber schnell zu eng wurde und sein Vetter

Karl Stehle zu der Zeit schon Querfeldein-Rennen bestritt, konnte er mit

Ihm zu den Rennen rund um Magstadt fahren. Wolfgang hatte die

„Gnade, mit wenig Training eine gute Form zu erreichen“, fuhr schnell

die ersten Top-Platzierungen ein und wurde schließlich mit 21, 22 und

23 Deutscher Cross Meister. Da die Querfeldein Rennen weniger Training

als klassische Straßenrennen forderten, konnte er es auch gut mit seinem

Elektrotechnik und dem anschließenden BWL Studium unter einen Hut

bringen. Leider beendet ein schwerer Autounfall Wolfgang Renners akti-

ve Karriere schon im Alter von 25 Jahren.

Aber einmal Radsport – immer Radsport: Sein ehemaliger

Mannschaftskollege Ekkehard Teichreber, der schon beim Radvertrieb

Messingschlager angeheuert hatte, fragt ihn, ober er nicht die japanische

Komponenten von Suntour in Deutschland vertreiben will. Das war im

Jahre 1976 – die „Centurion Bikes“ entstehen. Der Name sollte interna-

tional leicht auszusprechen sein und eine Bedeutung haben. „Und die

Japaner hatten ihn schon“. Neben dem Vertrieb der Marken Suntour,

Sakae und Sugino entstehen schon im ersten Jahr Centurion-Rahmen

aus japanischer Fertigung. Dass Didi Thurau im Jahr darauf mit seinen 15

Tagen in Gelb einen ersten Radsportboom in Deutschland auslöste war

„ein sehr glücklicher Umstand“ und hatte zur Folge, dass Wolfgang

Renner zusammen mit Hans-Joachim Möller und Eddy Kahlich das

Magazin TOUR gründete. Kurz darauf schwappt eine völlig neue

Fahrradgattung aus den USA nach Europa: Das BMX Rad. Wieder ist

Renner ein Mann der ersten Stunde, er bewirkt die Aufnahme von BMX

ins sportive Angebot des Bund Deutscher Radfahrer. Allerdings muss er

sich im Gegenzug den Posten des „BMX-Fachwart“ übernehmen und

setzt sich dabei für den Bau der ersten BMX Bahnen in Bremen und

Magstadt ein.

Anfang der Achtziger sind es erneut die Kalifornier, die die nächste Rad-

Neuheit erfinden: Das Mountainbike. Wolfgang Renner sieht die

Prototypen auf einer Messe in den USA, zeichnet von Hand einen

Rahmen und bringt 1982 das Centurion „Country“ als erstes deutsches

Mountainbike auf den Markt. Es entsteht ein ganz neuer Sport: „1976

sind wir die Karwendel Runde noch mit den Querfeldeinrädern gefahren.

Jetzt konnten Andy Heckmair und ich die ersten Trans Alp Touren fah-

ren.“ Es erscheinen die ersten Sonderbeilagen zum Thema Mountainbike

in der TOUR und auch bei der späteren Gründung der BIKE hat Wolfgang

Renner seine Finger im Spiel. 1987 bricht er zu seiner ersten großen MTB

Expedition nach Kathmandu auf.

Jetzt geht es Schlag auf Schlag: 1984 wird auf der IFMA das Centurion

Accordo GT als erstes Trekkingfahrrad der Welt ausgestellt. Anfang der

Neunziger kommen die ersten Fullys auf den Markt. Alle Hersteller kämp-

fen mit der neuen Technik und der Beeinflussung der Federung durch

den Antrieb. Centurion präsentiert 1996 das „No Pogo“, einen

Fahrradrahmen, bei dem Federung und Antrieb unabhängig voneinander

funktionieren. Die ersten Fully Rahmen lässt Wolfgang Renner noch in

Italien fertigen. „Im Nachhinein denke ich, ich hätte gleich nach Taiwan

gehen sollen.“ Diese Erkenntnis führt direkt zu einem Joint Venture mit

dem taiwanesischen Radhersteller Merida: Centurion entwickelt, Merida

baut. Es folgen das LRS-System, das Numinis und unzählige weitere

Meilensteine der Radgeschichte.

Heute ist Wolfgang Renner Chef von 110 Mitarbeitern, sitzt immer noch

fünf bis sechstausend Kilometer pro Jahr auf dem Rad, war zusammen

mit Eddy Merxx in Ladakh, war beim Cape Epic am Start, ist sieben Mal

den Jakobsweg mit dem Rad gefahren, kennt jeden, weiß fast alles aus

und über die Fahrradbranche und hat und wird hoffentlich noch sehr vie-

les auf den Weg bringen. Kilometer auf dem Bike und Pionierleistungen

für die Branche.

Wir verneigen uns vor einem wahren Pionier des Mountainbikes und

wünschen alles Gute zum vierzigjährigen Bestehen von Centurion!

Fotos:Archiv

Renner |

Text:Ralf

Jirgens

„Einmal Radsport –

immer Radsport“