Seite 20 | BERGSTOLZ Bike Magazin März 2016
YUKON
Sekunden eingefroren waren, weil er den Mundschutz vergessen hatte. „Die
Kameradschaft und Fairness unter den Fahrern ist sehr groß. Wir haben uns gegen-
seitig geholfen, wo wir konnten“. Da Tim noch rasten will entschließt sich Flori, wie-
der allein weiterzufahren. Und da passiert, was nicht passieren darf: Mitten auf einem
See bricht er durch einen Overflow ins Wasser ein. Overflows entstehen, wenn sich
die meterdicken Eisplatten des Yukon sprengen und Wasser auf die Eisfläche fließt.
Die „Pfützen“ sind nicht tief, aber eben anfangs nur von einer dünnen Eisschicht
bedeckt. Flori bricht ein und muss mit den Füßen ins eiskalte Wasser. Sofort bildet
sich eine dicke Eisschicht. Am rettenden Ufer muss er erst mal die Schuhe enteisen,
schon nach kürzester Zeit hatte sich eine 10cm dicke Schicht aus Eis und Schnee an
den Sohlen gebildet. Auch wenn kein Wasser im Schuh war, und trotz zwei Socken,
einer Plastiktüte und den Expeditionsschuhen, sorgt das Eis dafür, dass die Kälte mit
minus 25 Grad in den Schuh kriecht. Da eine Evakuierung – die frühestens am näch-
sten Morgen hätte stattfinden können – keine wirkliche Option ist, entscheidet sich
Flori für’s weiterfahren. Und das so schnell wie möglich. Alle Steigungen schiebt er,
um den Kreislauf und damit die Durchblutung in den Füßen aufrecht zu erhalten.
Fahren, schieben – Fahren, schieben und das wieder auf endlosen Geraden, bei abso-
luter Dunkelheit und minus 30 Grad. Plötzlich denkt er, Motorengeräusche zu hören
und Lichter zu sehen. „Dein Verstand sagt Dir, dass des da draußen eigentlich nicht
sein kann, auf irgendwas „menschengemachtes“ zu treffen“. Aber es war
Checkpoint 6, den er um 22.00 Uhr erreichte. Die Socken waren vom Fußschweiß ein-
gefroren, die Zehen hatten leichte Erfrierungen „waren aber noch weiß, und ned scho
schwarz“. Er verordnet sich eine 7 Stunden Pause zur Regeneration bevor es an Tag
vier bei minus 28 Grad Richtung Pelly Crossing weitergeht. Die 29 Meilen schafft er
in fünf Stunden, aber die Zehen machen Probleme. Bevor es auf die letzte Etappe –
eine Schleife von Pelly Crossing nach Pelly Farm und zurück – geht, legt er noch mal
eine 12 stündige Pause ein um den Zehen etwas Wärme zu gönnen. Nach 11 Stunden
im Lager kam der Gesamtführende Läufer Jan Kriska an. Auch Tim war zurück im
Rennen und die Freude sich zu sehen war da schon riesengroß.
Auf die letzte Etappe startet Flori um 6:30 bei minus 20 Grad, leider sind die
Bedingungen mit Lockerschnee und Eisrinnen alles andere als gut und so werden die
33 Meilen nach Pelly Farm zur Qual. Pelly Farm ist der letzte Checkpoint vor dem Ziel,
nach 1,5 Stunden Aufenthalt und einem sehr leckerem Essen geht er auf die finale
Etappe zurück Richtung Pelly Crossing und es wird zur Genussfahrt: Nach 108
Stunden erreicht er um 20:30 am fünften Tag als erster das Ziel. Als erster der drei
Biker und als Overall-Winner. Und das ist bis jetzt noch keinem Biker gelungen.
Flori hatte aber nie geplant oder auch nur damit spekuliert das Rennen zu gewinnen.
Und darum geht es ihm auch nicht. „Für mich war der Yukon Artic Trail eine unglaub-
liche Erfahrung – sei es zwischenmenschlich, sei es erfahrungstechnisch aber auch
belastungstechnisch.“ Aber trotz der Strapazen und der absoluten Grenzerfahrung
hat es unheimlich Spaß gemacht, die Trails zu fahren: „Mei Bike, da Trail und i,…
Fertig. Ned mera und ned weniga…“




