YUKON
BERGSTOLZ Bike Magazin März 2016 | Seite 19
Veranstalter. Auf Platz eins der Regeln steht: „ Jeder Teilnehmer muss die Erklärung zum
Haftungsausschluss unterschreiben“. Kleine Fehler oder Verletzungen können hier gra-
vierende Folgen haben. Eine Bergung ist zwar „jederzeit“ möglich, kann aber nur „im
Laufe von 48 Stunden garantiert werden“. Der Trail ist zwar „gespurt“ und markiert, die
Markierungen können jedoch verblasen oder umgefahren sein. Nur erfahrene
Winterathleten werden für die 300 Meilen-Strecke zugelassen. Sollte es für einen
Teilnehmer der erste Ultra sein, so muss er der Rennleitung glaubhaft erklären können,
warum Fitness und Können für die Bewältigung der Strecke ausreichen. Auf der 300
Meilen Strecke gibt es 8 Checkpoints in denen die Teilnehmer essen, schlafen und Ihre
Sachen trocken können.
Am 04. Februar um 10:30 Ortszeit geht es dann endlich los. 35 Athleten, davon 3
Radfahrer, gehen auf die Strecke. Leider hat es am Vortag ordentlich geschneit, was das
Biken sehr anstrengend bis unmöglich macht. Auf dem ersten Abschnitt bis zu
Checkpoint 1 muss Flori sein Bike fast 5 Kilometer schieben. Die Temperaturen „stei-
gen“ in der Nachmittagssonne auf -5 Grad. Leider sind die Tage im Februar so weit oben
in Kanada noch sehr kurz. Schon gegen 16.00 Uhr beginnt es zu dämmern, um 18.00
Uhr ist stockfinstere Nacht und die Temperatur fällt auf -31 Grad. Flori fühlt sich gut, die
Ausrüstung funktioniert, der Schnee auf dem Trail ist stabil und so rollt er mit einer
Durchnittsgeschwindigkeit von 12 km/h durch den Kanadischen Winter. Es läuft. Er pas-
siert Checkpoint 2 am Dog Grave Lake bei Kilometer 95, denkt aber noch nicht ans
Pause machen. Nach 17 Stunden im Sattel ist dann Schluss: „Ich bin in einem Busch auf-
gewacht. Scheinbar bin ich auf dem Bike eingeschlafen und gestürzt.“ Er beschließt es
nach gut 150km am ersten Tag gut sein zu lassen, schlägt sein Biwak bei über 30 Grad
minus auf und schläft unruhige 1,5 Stunden.
Am zweiten Tag bringen ihn die großen Seen fast zur Verzweiflung. Es geht 12 Kilometer
nur gerade aus. „Da kannst die Gabel an den Rahmen schweißen, weil Du stundenlang
ned lenken musst“. Dazu kommen die Eiswinde, die brutal über die Seen pfeifen und bis
zu minus 39 Grad kalt sind. Hier wird auch eine Kleinigkeit wie eine metallene
Verschraubung des Lenkergriffs zum Problem: „Die Metallschraube haben wir überse-
hen. Und trotz drei Handschuhen und dem Stulpen hatte ich richtig Probleme und extre-
me Schmerzen in der linken Hand. Rechts gings, da war ich zum Schalten weiter weg
vom Lenkerende“. Abends erreicht Flori Checkpoint vier, 3 Stunden später kommt der
Zweitplatzierte Tim an, es gibt Bisongulasch von den Streckenposten und ein Lagerfeuer
bei minus 32 Grad.
Nach vier Stunden Schlaf geht es um 5:15 Uhr auf die nächste Tagesetappe. Die Seen
und langen Geraden wollen kein Ende nehmen. Gott sei Dank wird Flori zum
Sonnenaufgang mit einem schönen Trail belohnt, den er auch mit
Spitzengeschwindigkeiten bis zu 50 km/h nimmt. Am Checkpoint 5 wartet er wieder auf
Tim, der starke Probleme mit den Bronchien hat, die ihm bei minus 39 Grad binnen
Das MAXX Jagamoasta Arctic Edition von Flori Reiterberger
300 Meilen also fast 500 km und auf sich allein gestellt in der winterlichen Arktis Nord Kanadas: für den
Menschen und seinem Bike bedeutet dies eine riesengroße Herausforderung. Hier etwas falsch zu machen,
kann schnell zur Überlebensfrage werden. Wir haben nachfolgend die wichtigsten Spezifikationsdetails
zusammengefasst, mit denen wir das Fatbike von Flori Reiterberger mit engster Abstimmung und
Zusammenarbeit mit ihm für die arktischen Bedingungen fitgemacht haben.
Wahl der Schaltung:
Aufgrund des Wettkampfcharakters der
Veranstaltung, seiner sportlichen Fahrweise und der Topografie des
Rennens haben wir uns für die neueste Shimano Kettenschaltung XT
1 x 11 entschieden.
Bremsen:
Aufgrund der eisigen Temperaturen kam die bewährte
mechanische Scheibenbremse Avid BB7 ans Bike, weil ab ca. -15 C°
die Dichtungen hydraulischer Scheibenbremsen zu hart und spröde
werden und somit das gesamte hydraulische Bremssystem undicht
und unsicher werden lassen.
„Arctic Setup“:
Alle beweglichen Teile und Lager wurden mit
einem Spezialschmierstoff SKF LGLT2 geschmiert, der bis -50°C
ausgelegt ist; kabelführende Schalt und Bremshüllen wurden
durchgehend im Unterrohr verlegt mit gedichteten Endkappen.
Außerdem wurde die komplette Zugführung innen ebenfalls mit
diesem Spezialschmierstoff gegen Verdunstungsfeuchtigkeit „isoliert“, um zu verhindern, dass die Züge
gefrieren, wenn das Bike starken Temperaturunterschieden ausgesetzt ist.
Keine Spritzguss Kunststoffe:
Es wurden keine tragenden bzw. belasteten Teile aus Spritzguss Kunststoff ver-
wendet, also z.B. Schnallen, Halter,Anschraubteile. Sie werden schnell spröde und brechen und wurden daher
gegen Alu oder Stahl ausgetauscht.
Keine Schnellspanner:
Aufgrund der extremen Kälte funktionieren die Schnellspanner an Naben und
Sattelstütze nicht mehr richtig und sind bruchgefährdet. Deswegen wurden sie gegen Inbus Schraublösungen
ausgetauscht.
Winter Bereifung:
Wir haben uns für den mit 5.05“ derzeit breitesten Spezialreifen VEE Snowshoe XL
PSC mit Pure Silica Mischung entschieden. Zur Breite des Reifens gibt es eine Grundregel fürs Fatbiken
im Schnee: Je breiter desto besser!
Tubeless Laufräder:
Wir haben uns für die Schlauchlos Variante entschieden, weil dadurch
Schlauchdefekte (Snakebites) vermieden werden und durch den
Wegfall des kältestarren und schweren Schlauchs jede Menge
wertvolle Energie eingespart wird. Ein Spezialhersteller aus Israel
hat uns die passende Dichtflüssigkeit entwickelt, die auch bei
Tiefsttemperaturen ausfallsicher abdichtet.
Stromquelle:
Die Hälfte des Rennens fand in arktischer Dunkelheit
bzw. Dämmerlicht statt. Deswegen brauchten wir eine zuverlässige
Energiequelle für sicheren Ausleuchtung der Fahrstrecke (Flori fuhr
bergab bis zu 50 km/h!) und zum Wiederaufladen der Akkus für
Stirnlampe und Navigationsgerät. Unsere Wahl fiel auf den SON
Nabendynamo, der den SON Edelux Scheinwerfer und den
Spannungswandler E Werk von Busch & Müller sowie die Akku
Aufladestation Guide 10 Plus Recharger mit Strom versorgen konnte.
Gabel:
Es wurde eine Starrgabel eingesetzt, da aufgrund des
vorderen Gepäckträger mit Last und der tiefen Temperaturen keine
Federgabel mehr zuverlässig funktioniert hätte.
Gepäckträger:
Jeder Teilnehmer der 300 Meilen Distanz muss alles „on Board“ haben, was er zum Über-
leben für ca. sechs Tage benötigt: Verpflegung, Biwak, Schlafsack, Ersatzteile, Holzsäge zum
Feuermachen, Kocher mit Wasser uvm. Deswegen haben wir das Bike mit zwei extra stabilen Spezial
Gepäckträgern von Tubus jeweils vorne und hinten ausgestattet, um die Ladung sicher und ausgewogen
zu verteilen.




