„40 Jahre
#55 und
noch kein
bisschen
müde“
Vier Weltmeistertitel und sechs Worldcup Gesamtsiege schmücken sein
Palmares, er wurde aufgenommen in die Mountainbike UND die BMX
Hall of Fame, ist seit mehr als 20 Jahren als Profi im Geschäft – Brian
Lopes ist ohne Frage einer der Superheroes des MTB-Sports, eine Moun-
tainbike-Legende, und dazu einer der vielseitigsten Athleten, der je auf
einem Fahrrad einen Wettkampf bestritten hat. Auf seiner Website findet
sich das Zitat des Kinderbuchautors Dr. Seuss "Be who you are and say
what you feel, because those who mind don't matter and those who
matter don't mind“, das auf den ersten Blick nicht ganz ins Bild zu passen
scheint. Blickt man aber auf Brian Lopes‘ Karriere, so zeigt sich schnell,
dass es sich hier nicht um eine leere Worthülse handelt: er wechselte
vom BMX aufs MTB und dort innerhalb der Disziplinen, wie es ihm gefiel,
und war trotzdem überall schnell und erfolgreich.
Von seinem Vater bekam er im zarten Alter von 4 Jahren sein erstes
BMX Bike, das er auch sofort auf der BMX Bahn ausprobierte – der Start
einer bis heute beispiellosen Karriere. Seine gesamte Kindheit und Ju-
gend hindurch bestritt er BMX Rennen, bis er mit nur 17 Jahren ins Pro-
filager wechselte. Dort fuhr er sieben Saisonen an der Spitze mit, ehe er
1993 das BMX gegen das Mountainbike tauschte. Er trat hier zu Beginn
in den Disziplinen Downhill und Dual Slalom, später dann im 4 Cross
an. Nur zwei Jahre später setzte er die Erfolgsstory fort und fuhr von
Sieg zu Sieg. Insgesamt holte er 26 Weltcupsiege, 19 Titel darunter sechs
Weltcup Gesamtsiege – je drei im Dualslalom und drei im 4Cross - und
kürte sich vier Mal zum Weltmeister. Er wurde 2000 und 2001 mit dem
World Extreme Sports Award NEA für den Mountainbiker des Jahres aus-
gezeichnet und 2008 sowohl in die MTB- als auch in die BMX-Hall of
Fame aufgenommen.
Auch einer seiner härtesten Konkurrenten damals, Guido Tschugg, zollt
dem US-Amerikaner vollen Respekt: „Brian war ein harter Gegner, sehr
fokussiert, professionell und straight.“ Zudem zählte Brian Lopes immer
zu den absolut fittesten Fahrern. Gegen ihn zu fahren, war nie einfach.
Ich sah „Flying Brian“ (der Spitzname kam aus seiner BMX Zeit, wo er
berühmt für seinen aggressiven Style und seine Jumps war) in Schladming
bei 4Cross Weltcup zum ersten Mal fahren. Die Strecke führte über den
extrem steilen Zielhang der Weltcup Skiabfahrt der Herren, war gespickt
mit vielen Sprüngen, darunter ein Dreifach-Sprung, der es in sich hatte.
Viele versuchten sich vergebens an diesem Sprung, Brian war der Einzige
der ihn souverän meisterte und so den Weltcupsieg holte. Es war so be-
eindruckend ihn fahren zu sehen, dass es mir immer in Erinnerung blieb.
Neben dem Biken hat sich Brian im Lauf seiner Karriere auch anderen
Aufgaben gewidmet. Es gibt fast keinen MTB Profi in Kalifornien, der
nicht auch mit Motocross zu tun hätte und privat auch selbst Motocross
fährt – so auch Brian. Er kam in Kontakt mit Troy Lee – kein Wunder, da
beide in Laguna Beach wohnen - und wurde 2003 als Fitnesstrainer für
das Honda/Red Bull/Troy Lee 250er Motocrossteam engagiert. Von seiner
Erfahrung profitierten die Fahrer Jessy Nelson, Cole Seely (aktuell gerade
5. In der Supercross WM) und Shane Mc Elrath sowohl mental als auch
physisch in ihrer Rennvorbereitung.
Seine aktive Weltcup-Karriere beendete Brian nach der Saison 2008 im
Alter von 37 Jahren. Ganz konnte er aber nicht ohne Rennen sein, er ist
eben durch und durch ein Racer. So startete er mit 41 Jahren in der neuen
Disziplin UCI Worldcup XC Eliminator Serie 2012 in Houffalize (BEL) beim
erstenWeltcup-Rennen dieser Art und überraschte alle mit seinem nächs-
ten Wordcupsieg. 2013 feierte die EWS Enduro World Series Premiere in
Punta Ala in der Toskana (ITA), da musst er natürlich auch gleich mitfah-
ren. Die neu ins Leben gerufene Serie hatte das Who-Is-Who der
Downhill- und Enduro-Szene antreten lassen. Brian konnte sich wieder
einmal sehr achtbar aus der Affäre ziehen: 15.Platz Overall. Dabei ließ
er Fahrer wie Nicolaus Vouilloz, Luic Bruni, Cedric Garcia, Steve Peat oder
auch Greg Minaar hinter sich. Ein weiterer Beweis dafür, was für ein viel-
seitiger Fahrer er ist, und dass er zweifellos nach wie vor einer der besten
überhaupt ist.
Heute lebt Brian Lopes mit seiner Frau Paula und Sohn Maverick in Laguna
Beach und ist Bike Ambassador. Getreu dem Motto „einmal Racer, immer
Racer“ nimmt er immer noch an dem ein oder anderen Rennen teil.
Er shaped seine eigenen Trails, von denen zwei vom Top of the World
in Laguna Beach weg gehen und hinunter ins Aliso Creek Tal führen.
2014 erschien die zweite Auflage seines Buchs „Mastering Mountain
Bike Skills“, das er zusammen mit seinem langjährigen Freund Lee McCor-
mack verfasste (und von dem 2017 eine dritte Auflage erscheinen soll).
2017 wird auch aus einem weiteren Grund ein spannendes Jahr für Brian
Lopes sein: auf der Suche nach einer neuen Herausforderung wechselte
er nochmals die Bikemarke und steht seit Februar bei Ellsworth Bikes
unter Vertrag. Hier will er seine Erfahrung und seinWissen mit einbringen,
um die Marke nach vorne zu bringen. Der kalifornische Bikehersteller hat
stark investiert und neue Modelle auf den Markt gebracht. Das hat Brian
überzeugt, sein neues Bike, das Rogue Sixty ist der Hammer. „Ich fuhr
schon sehr viele Bikes, aber das hier ist das Beste, das ich je hatte“,
meinte er letzten Sommer im Interview. Als Lead Athlete Brand Ambas-
sador steuert er aber nicht nur seinen Namen bei, um mehr Aufmerk-
samkeit für Ellsworth zu generieren, er hat auch vor, wieder einzelne
Rennen in den USA zu bestreiten.
Die Geschichte Brian Lopes geht also weiter, der Racer kann es nicht
lassen und so wird die #55 auch dieses Jahr wieder an den Start gehen
und auf den Rennstrecken zu sehen sein. Wir wünschen Brian Lopes viel
Glück dabei!
LOPES
BERGSTOLZ BikeMagazin APRIL 2017 | Seite 21




