Bergstolz Issue No. 111

war klar, dass ich den Einstieg nicht mehr erreichen konnte. Schnell reorganisierte ich meinen Kopf und meine Ausrüstung und überlegte mir, wie ich von unserem Lager aus eine der anderen Lines erreichen konnte. Dazu müssten wir über den Südgrat zum Gipfel aufsteigen, diesen überschreiten und von der Nordostwand aus in das Face einsteigen. Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um drei Uhr früh. Um vier waren wir auf dem Weg. Zwei Stunden später setzte eine dichte Nebeldecke unserem Vorhaben ein Ende. Frustriert und enttäuscht kehrten wir zum Lager zurück. Was, wenn unser Vorhaben überhaupt nicht machbar wäre? Auch der vierte Tag brachte keine Verbesserung: Schlechtes Wetter suchte uns heim und wir mussten uns wohl oder übel vom Jiehkkevárri verabschieden und zurück ins Tal. Glück auf den 5. Versuch Ein Monat verging, und der April war vorbei. Als es langsam Mai wurde, wusste ich, dass ich auf einen richtig großen Dump angewiesen war, um mein Ziel noch in diesem Winter zu erreichen. Und als ob der Himmel mich gehört hätte, begann es plötzlich eine Woche lang wie verrückt zu schneien. Das wäre meine letzte Chance, also rief ich Finn Hovem und Jacob Wester an, ob sie im nächsten Wetterfenster zusammen mit mir zum Jiehkkevárri kommen wollten, um das Südface zu befahren. Beide sagten zu. Die Leere füllen Um 22 Uhr brechen wir auf. Wir nähern uns dem Gipfel von der Westseite, um von oben in die Line einzufahren. Um drei Uhr morgens erreichen wir unseren Einstieg, während wir den schönsten Sonnenaufgang erleben, den ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Von oben sieht alles gut aus, und wir starten mit den Vorbereitungen, während wir auf Tageslicht warten. Ich kann nicht umhin, mich zu fragen, ob es das jetzt ist, was mir fehlt. Hier oben am Jiehkkevárri zu stehen und darauf zu warten, in die Line zu droppen. Würde dieses Abenteuer die Leere füllen, die ich in mir verspürte? Ich packe meine Siebensachen zusammen, während sich Angst und Nervosität in meinem Magen breit machen. Mir ist sehr bewusst, dass das die exponierteste Line ist, die ich in meinem gesamten Leben bisher gefahren bin… Das Licht ist gut und Finn droppt rein. Er fährt die stark ausgesetzte Traverse hinunter, als sich plötzlich ein Schneebrett direkt unter seinen Skiern löst. Ich schnappe nach Luft und halte den Atem an, aber er fährt weiter über eine Spine, bis er außer Sichtweite ist. Kurze Zeit später meldet sich seine Stimme in meinem Funkgerät, er habe einen Safe Spot gefunden, wir könnten weiterfahren. Ich bin der Nächste. Ich nähere mich dem Drop-In. In jeder Hand halte ich einen Eispickel, meine Boots sind fester geschnürt denn je, und die Kanten meines Boards sind scharf wie Messer. NORWEGEN 37

RkJQdWJsaXNoZXIy Mzk0ODY=