Bergstolz Issue No. 113

Fotos: Victor Strasse RIDERPROFILE Bergstolz Ski & Bike Magazin • 03 |2023 TIMO PRITZEL „My bike took me places school never could“ Alter: 46 Homespot: Berlin Grunewald Beruf: Yoga Lehrer und Biker Sponsoren: Nox Cycles, Sour Bicycles, Sqlab, TSG, Schwalbe, Triple2 Clothing, Cosmic sports, DMR Pedals Karriere: 6x Deutscher Meister in BMX, 3x Race, 1x Street, 2x Dirt 3. Platz ABA Grandnationals USA, World Champion BMX Dirt 2. Platz Crankworx Slopestyle, 2. Adidas Slopestyle, 2x Winner Red Bull Freeride, 2x Winner Sea Otter Dirt Jump Contest Media: 21 Fotos: Victor Strasse Fotos: Manfred Stromberg 1983, Timo Pritzel ist sechs Jahre alt und E.T. erobert die Welt. „Alle coolen Kids hatten ein BMX. Klar wollte ich auch eines!“ erinnert er sich. Weihnachten wurde sein Wunsch schließlich erfüllt. Was jedoch aufgrund dieses BMX geschehen würde, das hätte auch E.T. nicht vorhersehen können. Schon im darauffolgenden Jahr nimmt er an seinem ersten BMX-Rennen teil. „Zu Beginn war ich nicht gut, aber überglücklich! Ich hatte etwas gefunden, das ich wirklich wollte – und es fühlte sich so gut an“, denkt Timo, die BMX- und Mountainbike-Legende, an seine Anfänge zurück. „Ich habe damals sehr viel übers Gewinnen und Verlieren gelernt. Und sehr von den älteren Jungs profitiert.“ 1996 markiert schließlich das Jahr, in dem er offiziell Bike-Profi wird. „Meine Eltern haben mich sehr unterstützt, aber Mitte der 1990er Jahre war ‚Bike-Profi‘ nicht das, was sie sich erhofft hatten. Als ich kein wirkliches Interesse an einer Ausbildung zeigte, weil ich nur Fahrräder im Kopf hatte, waren sie schon besorgt“, erzählt er. 1996 arbeitet er noch als Postbote, doch schon 1998 wird er Weltmeister, bekommt mehr Jobs – „Stunt Double Sachen, Guinness Record Show, GZSZ“ – und kann so als Vollprofi leben. „Im Rückblick habe ich das – meinen Traum zu leben – nicht so genossen, wie ich es vielleicht hätte tun sollen. Mit dem WM-Titel in der Tasche stieg der Druck, und oft hab ich mir den auch selbst gemacht.“ Rund um die Jahrtausendwende entdeckt Timo FreerideMTB. „Mein erster MTB-Job“, lacht er, „war irre: Ich musste mir die Beine rasieren und in Lycra fahren. Gottseidank hat sich das schnell geändert!“ 2002, als Freeride noch in den Kinderschuhen steckt, schlägt er in der Szene ein wie eine Bombe. Er gewinnt den Sea Otter Dirt Jump Contest, das Joyride, wird 2. beim ersten Crankworx in Whistler 2004. Er dreht Segments für die legendären New World Disorder-Bikefilme und zeigt als einer der ersten Rider überhaupt BMX-Tricks und den entsprechenden Style auf Mountainbikes. „Als Hardcore-BMXler musste ich von Big Red Ted Tempany und John Cowan allerdings erst einmal überredet werden, auf ein Fully zu steigen“, schmunzelt er. „Aber als sie mich in Squamish dann so weit hatten, liebte ich es!“ Die jungen 2000er Jahre markieren aber noch einen weiteren Meilenstein in Timo Pritzels Leben: Viele Jahre im Extremsport mit den dazu gehörigen Verletzungen hatten ihre Spuren hinterlassen. „Ich hatte solche Rückenschmerzen, dass selbst Kortisonspritzen nicht mehr halfen und ich Wettkämpfe überhaupt nur mit Painkillern durchstand.“ Doch er landete über Umwege beim Yoga. „Das war einschneidend: Ich konnte Energieblockaden auflösen, jahrelange Fehlhaltungen korrigieren und meine körperlichen Schwachstellen stärken“, erklärt er und führt weiter aus: „Viele der Jungs belasten ihren Körper total einseitig, da hilft Yoga sehr. Auch mental, denn Bike-Pro sein ist ein Fulltime Job.“ Seine Erfahrungen gibt er heute im Rahmen von Events wie den Nine Knights an die Freeride-Elite weiter, oder als Personal Trainer und Yogalehrer in Berlin. „Ich bin aber auch oft auf Bike Events und gebe dort Kurse“, setzt er nach. "Ich finde es super, meine beiden Leidenschaften z.B. in Bike & Yoga Camps zu verbinden." Also früher „junger Wilder“ und heute „Bike Buddha“? „Oh nein, nennt mich bitte nicht so“, lacht er. „Das Competition-Gen steckt schon noch in mir. Wenn ich eine Session mit jüngeren Fahrern springe, dann packt es mich schon noch!“ Er grinst. „Mein Bauchgefühl verhindert aber, dass ich Blödsinn mache. Ich freu mich dann, dass ich trotz meines fortgeschrittenen Alters noch ein bisschen mithalten und meinen Backflip springen kann. Die crazy Tricks überlasse ich mittlerweile den Jüngeren.“ Timo Pritzel wird der Freeride MTB Szene also noch länger als „Elder Statesman“ erhalten bleiben. Ob die nächste Generation in seine Fußstapfen treten wird? „Ja sicher wäre es cool, wenn meine Tochter die nächste Anne Caroline Chausson würde“, sagt er. Und ergänzt: „Aber anders gefragt: Würdest Du Deinem Kind einen Schädelbruch, Milriss, unzählige gebrochene Knochen und gerissene Bänder, plus lädierte Knöchel, Knie und Rücken sowie ca. 50 Gehirnerschütterungen wünschen? Ein Bike Pro zu sein, hat auch negative Seiten.“ Nicht ohne jedoch gut gelaunt abzuschließen: „Aber ich habe großes Vertrauen ins Leben, das Auf und Ab gehört dazu, macht uns stärker und hilft uns zu wachsen.“ @timopritzel / @yogaforbikers

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