Bergstolz Issue No. 111

KNOW-HOW 53 Bergstolz Ski & Bike Magazin • 01 | 2023 Was mache ich als allererstes nach einer Verletzung? Als erstes ist es wichtig, die verletzte Körperregion zu entlasten, um die Verletzung nicht zu verschlimmern. Der Körper reagiert physiologisch mit dem Warnsignal „Schmerz“ und einer Schutzspannung. Das darf man keinesfalls ignorieren. Im Idealfall wickelt man eine Kompressionsbandage um das verletzte Körperteil und kühlt es ein wenig – das beschleunigt danach die Heilung. Dann sofort ab zum Arzt – am besten zu einem erfahrenen Orthopäden oder Unfallchirurgen. Es ist nicht immer ganz einfach den passenden Physiotherapeuten zu finden. Wie finde ich trotzdem den richtigen für mich? Sehr oft arbeiten Unfallchirurgen und Orthopäden mit Physiotherapeuten zusammen, die auf Sportverletzungen spezialisiert sind. Hier kann man sich schon mal informieren, ansonsten online. Auf der Homepage lässt sich schon vieles rausfinden. Sehr häufig kommt man auch über Empfehlungen von Freunden zu guten Therapeuten. Auf was kann ich sonst noch achten? Der Therapeut sollte einen sportphysiotherapeutischen und muskuloskelettalen (Spezialisierung auf das Bewegungssystem) Schwerpunkt haben und sich gut mit Training auskennen. Manche Therapeuten haben sich auf eine bestimmte Sportart spezialisiert. Häufig arbeiten diese im Leistungssport und haben viel Erfahrung mit sportarttypischen Verletzungen. Ein Sportphysio aus dem Skisport hat z.B. sicher viel mit Kreuzbandrissen und Schuhrandprellungen zu tun. Je mehr Erfahrung ein Therapeut in einem bestimmten Gebiet hat, desto besser wird normalerweise auch die Betreuung sein. Am Ende spielen aber auch die persönliche Sympathie und das Vertrauen eine sehr große Rolle. Es gibt also nicht den einen Therapeuten, der zu jedem Patienten passt. Die regelmäßigen Einheiten bei den Therapeuten ist das Eine, aber was kann bzw. sollte man zuhause erledigen? Das gibt der betreuende Physio unter Absprache mit dem behandelnden Arzt vor. Der Physio wird basierend auf den Vorgaben des Arztes ein Heimübungsprogramm erstellen.Wichtig ist die Rückmeldung an den Therapeuten, wie der Körper reagiert hat. Schwellung, Schmerz und Erwärmung sind ein Zeichen für eine aufflammende Entzündung und Überlastung, die auch bei banalen Alltagstätigkeiten auftreten können. In dem Fall muss man Umfang und/oder Intensität des Trainings reduzieren und dem Körper die Zeit geben sich zu erholen. Du verfolgst einen ganzheitlichen Ansatz, welche Rolle übernimmt die richtige Ernährung bzw. Supplementierung bei Verletzungen? Die richtige Ernährung nach Verletzungen spielt in meinem Therapieansatz eine entscheidende Rolle. Der Körper muss nach einer Verletzung die Wunde schließen und neues Gewebe bilden, dafür benötigt er viel Energie, die nötigen Baustoffe und das richtige Säure-Basen-Milieu. Gemüse, hochwertige Kohlehydrate und genügend Eiweißquellen sollten da auf dem Speiseplan stehen. Zu viel Fleisch, kurzkettiger Zucker oder Alkohol sind kontraproduktiv, da sie den Körper übersäuern und entzündungsfördernd sind. Genug Flüssigkeit in Form von Wasser ist auch essenziell. Zusätzlich kann und sollte man Supplemente vor allem in den ersten sechsWochen nach der Verletzung einnehmen. Omega-3-Fettsäuren wirken positiv auf die Entzündung und die Zellmembranen, Enzyme und Curcumin ebenfalls. Vitamin C und bestimmte Aminosäuren benötigt der Körper zur Neubildung von Kollagenfasern. Man hat da also einige Asse im Ärmel. Die Rolle des vegetativen Nervensystems wurde auch von mir bei meiner Verletzung unterschätzt, für Physiotherapeuten spielt es aber eine wesentliche Rolle. Warum? Das vegetative Nervensystem, der Parasympathikus, steuert unsere Regenerationsmechanismen und generell alle unbewusst ablaufenden physiologischen Prozesse, wie beispielsweise die Durchblutung oder die Verdauung. Ein aktiver Parasympathikus öffnet Kapillargefäße und transportiert Nährstoffe zur Verletzung. Sein Gegenspieler, der Sympathikus, hingegen dominiert, wenn man sich zum Beispiel sehr viel Stress macht aufgrund einer Verletzung, möglichst schnell wieder fit sein zu müssen. Stresshormone wie z.B. Cortisol werden ausgeschüttet. Diese verschließen die Kapillaren und bestimmte Entzündungsmediatoren, welche die Heilung lenken, werden gehemmt. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Entzündung nicht richtig ausheilt und chronisch wird. Darum ist es wichtig, möglichst häufig den Parasympathikus zu aktivieren. Sich keinen Stress zu machen, klingt ja nett. Aber wie funktionierts? Man sollte sich mit diesen vegetativen Abläufen auseinandersetzen und mit diesem Wissen die Verletzung so annehmen wie sie ist. Man kann mit übertriebenem Ehrgeiz eben die Erholung nicht beschleunigen – eher im Gegenteil. Bei einer guten Therapie sollte daher immer auch vegetatives Training in die Rehabilitation eingebaut werden, um möglichst stark in die Entspannung zu kommen, damit der Parasympathikus anspringt. Zum vegetativen Training gehören Atemtrainings, autogenes Training, Meditation, Biofeedbacktraining oder Entspannungsübungen. Das verbessert die Wundheilung und man lernt seinen Körper besser zu spüren. Wie wichtig ist es, seinen Körper gut zu spüren bzw. die Signale richtig deuten zu können? Ein gutes Gefühl für den eigenen Körper ist absolut positiv. Bei Verletzungen ist die Belastbarkeit der betroffenen Körperregion stark reduziert. Außerdem verlernt das Gehirn das Verletzungsareal richtig zu spüren, sprich die Wahrnehmung geht verloren. In dieser Situation ist der Schmerz die dominierende Empfindung und überlagert alles andere. Man kann es sich so vorstellen, dass plötzlich die Verbindung gekappt wird. Geht man über die ohnehin reduziert Belastungsgrenze, reagiert der Körper mit weiteren Entzündungszeichen wie Schwellung und Erwärmung. Diese Anzeichen sollten unbedingt registriert werden und infolgedessen die Belastung im Reha- training aber auch imAlltag zurückgeschraubt werden. Man muss die Belastungen langsam steigern, um den Körper nicht zu überfordern und genau dafür braucht es eben auch ein gutes Gespür – damit die Heilung nicht noch länger dauert als sowieso schon. mit Christoph Schwarzl, Physiotherapeut PTeins in Salzburg Christoph Schwarzl MSc. ist ausgebildeter Sportphysiotherapeut und beschäftigt sich außerdem sehr viel mit ganzheitlichen Behandlungsansätzen. Chris ist der Physiotherapeut von zahlreichen ÖSV-Sportlern und Olympiateilnehmern, zu seinen Referenzen gehören Ironman-Sieger, Tour de France Teilnehmer und RallyeDakar Gewinner. Außerdem nimmt er für das Salomon Nordic Team an Volksläufen teil und kennt die Sichtweise eines Leistungssportlers. Seine Gemeinschaftspraxen betreibt er in der Stadt Salzburg und in Abtenau. INTERVIEW Top-Adressen und Empfehlungen: SALZBURG PTeins Physiotherapie // Christoph Schwarzl // www.pteins.at OrthoFocus // Dr. Gerd Seitlinger für Sportverletzungen //www.orthofocus.at BAYERN OsteoZentrum Schliersee // Martin Auracher www.osteo-zentrum.de Sport und Physiotherapie Zentrum Oberland // www.spz-oberland.de Ortho Zentrum Rosenheim // www.orthozentrum.net INNSBRUCK Sporttherapie Huber und Mair // www.sporttherapie-hm.at Loft41// Bibi Tölderer-Pekarek und Jon Örarbäck // loft41.com Gelenkpunkt // Das Dreamteam für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie www.gelenkpunkt.com GRAZ OrthoMedicum // Michael Krifter ist der Schulterspezialist (KTM Teamarzt Rally-Dakar) // www.orthomedicum.at Dr. Jürgen Mandl // spezialisiert auf relativ schwere, stark traumatische (Knie) Verletzungen // sportmedmandl.at VORARLBERG www.physiotherapie-froeis.at

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