Bergstolz Issue No. 108

G R O S S V E N E D I G E R Bergstolz Ski & Bike Magazin • 06 | 2022 33 Eis der zahlreichen Pfützen. Kraftsparend und fast lautlos befördern uns die elektrifizierten Drahtesel bis zur Materialseilbahn der Kürsingerhütte und dem Ende des Forstweges. Neun Kilometer und 1.000 Höhenmeter sind es bis zu unserer Wechselzone. Auch wenn es kein herausragend schneereicher Winter war: ergiebigen Schneefällen im Spätwinter haben wir in den Ostalpen gute Frühjahrsverhältnisse zu verdanken. Ohne zusätzlichen Fußmarsch können wir von den Bikes direkt auf die Ski wechseln. Räder abstellen, Ski auffellen. Flotten Schrittes über den Obersulzbach See Aufwachen heißt es jetzt für Körper und Geist. Dem fast mühelosen Aufstieg mit den E-Bikes folgt nun der zu 100% von menschlicher Muskelkraft betriebene Weiterweg auf Ski. Trotz der frühen Morgenstund sind die Sinne geschärft, schließlich bewegen wir uns ab sofort im hochalpinen Gelände. Entlang eines rauschenden Baches, der dem Obersulzbach See entspringt, gewinnen wir schnell an Höhe. Vor uns taucht im ersten Morgenlicht der Große Geiger (3.360m) auf. Eine eindrucksvolle, von Gletschern umzogene Pyramide. Ein paar, vom schlechten Wetter der letzten Tage übrig gebliebene, Wolken machen die Mystik an diesem Morgen perfekt. Nach einigen steilen Spitzkehren erreichen wir den noch im Winterschlaf schlummernden Obersulzbach See. Die Skispur führt schnurstracks über die solide wirkende Eisfläche. Eine Türkische Zeltstadt im Herzen der Hohen Tauern Ein Blick in die Karte verrät für diesen Ort einen etwas abstrakt wirkenden Namen: „Ehemalige Türkische Zeltstadt“ steht dort geschrieben. Der Begriff stammt von Ignaz von Kürsinger, einem jener mutigen Männer, die 1841 den Gipfelsieg am Großvenediger errungen haben. Damals befand sich genau hier, an Stelle des heutigen Obersulzbach Sees, noch ein mächtiger, wild zerklüfteter Gletscherbruch. „Die Eistürme sahen aus wie die Zelte des Muslims“ schreibt Ignaz von Kürsinger in seinen Berichten. Im flotten Schritt gleiten wir über den See. Ein klein wenig mulmiges Gefühl bleibt beim Überqueren von gefrorenen Gewässern dann doch immer. Just mit dem Erreichen des Gletschers, dem Obersulzbachkees, streichelt uns die Sonne zum ersten Mal über die Wangen und spendet der kalten Nase angenehme Wärme. Der Schnee ist hart und nach dem letzten Regen von einer Eisglasur überzogen. Unsere Harscheisen bewähren sich wieder als treue Begleiter für Frühjahrsskitouren. Trotz und gerade wegen des tiefgefrorenen Schnees steigt bereits jetzt die Vorfreude auf die Abfahrt. Mit dem richtigen Timing werden wir hier später im Frühjahrsfirn dahin schmieren. Mit zunehmender Höhe erreicht die Klimax der bevorstehenden Skifreuden ihren absoluten Höhepunkt. Pulver! Die

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