Von außen wirkt Michelle Khares Büro wie ein Haus unter vielen hier in Burbank, Kalifornien: kubische Formen, glatte weiße Wände, offene Fensterflächen. Umso ungewöhnlicher wird es im Inneren. Da hängen ein Basecap mit Secret-Service-Logo und ein Schild mit der Aufschrift „Madame President“ an der Wand, im Regal steht eine Biografie des legendären Entfesselungs- und Zauberkünstlers Harry Houdini. Ins Auge springt, passend dazu, ein Poster im Stil klassischer Film-noir-Plakate: Darauf steckt Khare im schwarzen Badeanzug kopfüber in einem Wassertank. Sie ist mit Ketten gefesselt. Das Bild zeigt eine Szene, die sich tatsächlich zugetragen hat, als Zitat des legendärsten Houdini-Tricks. Michelle Khare musste mehr als zweieinhalb Minuten lang die Luft anhalten, ehe sie sich aus den Ketten und dem Wassertank befreit hatte. Die meisten Requisiten aus Michelle Khares YouTube-Filmen und Andenken an ihre denkwürdigsten Auftritte lagern im Keller des Hauses. „Sieh mal, damit habe ich mich in die ,Mission: Impossible‘- Premiere geschlichen“, sagt Khare und zieht die Folie von einer Latexmaske, die einen weißhaarigen Greis zeigt. „Ich hatte die Wahl: Entweder ich ziehe ein hübsches Kleid an und hoffe darauf, Tom Cruise zu treffen und ein Foto mit ihm zu kriegen. Oder ich gehe aufs Ganze.“ Sie entschied sich für Letzteres und bekam ein Foto mit Tom Cruise, als sie sich auf dem roten Teppich die Greisenmaske vom Gesicht riss. „Aufs Ganze gehen“ kann man durchaus als Khares Lebensprinzip sehen. In den vergangenen sieben Jahren schaffte es die heute 33-Jährige mit ihrer YouTube- Dokureihe „Challenge Accepted“ auf mehr als fünf Millionen Abos. In der Reihe absolviert sie Prüfungen aller Art: 911-Notrufe entgegennehmen, vom ACTION-STUNTS „ES GING NICHT NUR DARUM, DIE SACHE ZU ÜBERLEBEN. ES GING DARUM, DABEI BADASS AUSZUSEHEN.“ Kampfsport-Neuling in 90 Tagen zum Schwarzgurt werden oder den berühmtesten Schauspieler der Welt auf dessen eigener Premiere verblüffen. Als Actionstar der neuen Art ist für Khare der Weg zum Stunt ebenso Teil der Show wie der Stunt selbst. Sie führt uns in den oberen Stock des Hauses, in ein schlichtes Konferenzzimmer. „Hier haben wir den Flugzeug-Stunt geplant“, sagt sie. Mit „Flugzeug-Stunt“ meint Khare ihr jüngstes und zugleich bisher riskantestes Projekt: sich außen an einem Militärflugzeug festhalten, bei 240 km/h, ohne Fallschirm, ohne Schutzbrille. Sie trug dabei einen maßgeschneiderten grauen Anzug, genauso wie Tom Cruise bei seinem Stunt in „Mission: Impossible – Rogue Nation“. Geradezu obsessiv bereitete sie sich auf das Projekt vor, unter anderem mit knallharten Drills zum Training der THE RED BULLETIN 82
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