Bergstolz Issue No. 110

KNOW-HOW 61 Bergstolz Ski & Bike Magazin • 08 | 2022 Jacopo Bufacci berät seit mehr als 15 Jahren führende Marken im R&D Bereich. Als ausgebildeter Bergführer und Athlet testet er viele Jahre die Prototypen seiner Sponsoren und macht später noch eine Ausbildung zum Textildesigner. Dieser 360-Grad-Blick, aus der Perspektive eines Athleten, aber auch aus der eines Designer und Produktmanagers, zeichnet Jaco aus. Jaco, wie sehr hilft Dir Deine Erfahrung als Bergführer und Athlet, in Deinem aktuellen Job als Chefdesigner bei Rab? Für mich ist das alles sehr natürlich, ich verbringe seit jeher viel Zeit in den Bergen und kenne die Bedürfnisse der Outdoor-Sportler. Ich habe so viele Jahre als Bergsteiger und Freerider bei unterschiedlichstenWetterbedingungen in den Bergen von Chamonix und auf der ganzenWelt verbracht, ich weiß jetzt in meinem Job als Designer ganz genau, was es dafür braucht. Mit meiner jahrelangen Erfahrung bekommen die Feedbacks mehr Qualität. Ich weiß schnell und exakt, was funktioniert - und was nicht. Unsere Produkte bauen auf viel Erfahrung und Wissen auf. Die Schwierigkeit dabei ist, einen guten Kompromiss zwischen Design, Technizität und den Kosten zu finden. Was sind Deine Ansprüche als Designer, wenn Du an neuen Produkten arbeitest? Den Endkonsumenten, für den wir dieses Produkt designen, und dessen Bedürfnisse exakt zu kennen und zu verstehen. In meinem Team arbeiten sechs Designer, alle sind Kletterer, Skifahrer, Mountainbiker, Bergsportler. Es ist wichtig, dass wir Designer raus gehen und die Produkte selber testen. Das ist der Schlüssel und das sind meine Ansprüche. Mein Zugang ist: „creating products to make you comfortable in an uncomfortable situation“. Wenn es -20 Grad hat, windig ist und schlechtes Wetter hat, sollst Du zu Deiner Daunenjacke greifen und Dich gut und warm fühlen. Wie beobachtest Du die Veränderungen der Skitourenathleten bzw. der Freerider? Die Geschwindigkeit der Menschen hat sich enorm gesteigert. Die Leute haben weniger Zeit, die meisten sind sehr fit, deshalb schaut der Konsument auf mehr Vielseitigkeit, aber zunehmend auch das Gewicht der Produkte. Welche Funktion erfüllen die vier Layer beim Zwiebelprinzip? Vielleicht kannst Du auch ein wenig auf die technischen Eigenschaften eingehen. Der Base Layer liegt direkt am Körper, sollte die Körpertemperatur regulieren und Feuchtigkeit nach außen transportieren. Er muss atmungsaktiv sein und warmhalten. Merino ist ein großer Trend der vergangenen Jahre, aber wenn Wolle nass wird, braucht sie lange, um zu trocknen. Hier sind synthetische Base-Layer bzw. ein Merino-Polyester-Mix sicher die bessere Entscheidung. Ein guter Midlayer ist essenziell. Ich empfehle ein Fleece mit einem guten Backer, der ein Grid, also ein Fleece-Netzgewebe, auf der Innenseite hat und nicht mehr flach ist. Der Vorteil liegt darin, dass es mehr Luftraum bietet, wodurch der Stoff mehrWärme speichern, besser atmen und Schweiß schneller von der Haut wegleiten kann. Die wenigsten wissen das: Es ist die eingeschlossene Luft, die wärmt, und nicht der Stoff selbst. So kann auch einiges an Gewicht eingespart werden. Dasselbe Wärme-Prinzip funktioniert auch bei der Daunen Jacke, Luft wird in den Daunen und Kammern eingekapselt und wärmt. Ich persönlich bin ein großer Fan von Daunenjacken, aber synthetische Isolation ist gerade bei höheremAktivitätsgrad bzw. als Outer-Layer sehr beliebt. Gerade auch, weil eine synthetische Isolation bei Nässe immer noch funktioniert, während Daune zusammenfällt und ihre Wärmeeigenschaften verliert. Legt man allerdings Wert auf minimales Packmaß und Gewicht bei maximaler Wärmeleistung, dann führt kein Weg vorbei an der Daune. Die letzte Lage beschließt eine Hardshell-Jacke. Viele Leute suchen gezielt nach einer Gore-Tex Jacke, wissen aber nicht, dass es noch andere Materialien gibt, die sich für manche Zwecke sogar besser anbieten. In den USA hat sich das schon etwas gewandelt, man greift nicht mehr automatisch zu Gore-Tex, sondern zieht immer stärker auch andere Materialien in Erwägung. Im Hardshell-Bereich gibt es viele unterschiedliche Stoffe mit jeweils unterschiedlichen Eigenschaften, wie z.B. mehr Stretch-Anteil. Was passt, hängt von der jeweiligen Aktivität und Intensität ab. Liegt der Fokus auf Skitouren, greift man zu einer anderen Shell-Jacke als beim Eisklettern oder Freeriden. Warum ist ein korrektes Layering so wichtig, worin liegt der Vorteil? Man erkennt deutliche Unterschiede hinsichtlich Performance. Deshalb ist es auch so wichtig, dass man weiß, welche Lagen man trägt.Wenn der Körper gut reguliert ist, leistet er deutlich mehr, und man kann eine Outdoor-Aktivität auch mehr genießen. Es ist wie bei den Skiern: Ein gut präparierter Ski macht deutlich mehr Spaß als ein Ski mit einer stumpfen Kante, einer Bindung, die rüttelt und einem ungewachsten Belag, der schlecht läuft. Beides fährt, aber der Genuss ist einfach nicht derselbe. Abschließend: Mit welchen Bekleidungslagen startet man am Morgen am besten in eine Skitour? Outdoorsportler starten ihre Skitour oftmals in klirrender Kälte und ziehen sich sämtliche Lagen an. Nach einigen 100 Metern stoppen sie, um sich auszuziehen. Vernünftiger wäre es, mit weniger Kleidung am Körper zu starten, denn in Bewegung dauert es nur wenige Minuten, bis sich der Körper erwärmt. Die Grundregel lautet: Zu Beginn einer Skitour sollte man leicht frösteln. mit Jacopo Bufacci INTERVIEW

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