Bergstolz Issue No. 110

60 KNOW-HOW Bergstolz Ski & Bike Magazin • 08 | 2022 KNOW-HOW mit Eva Walkner Foto: Karol Jaworski-Richards Von Zwiebeln, Hybriden und „Long Johns“ Wir alle kennen den Begriff „Zwiebelprinzip“ wenn es um das Thema OutdoorBekleidung geht. Die Meisten können sich darunter was vorstellen, aber was steckt im Detail dahinter?Warum macht es total Sinn, sich die Zwiebel als Vorbild zu nehmen und worin liegen die Vorteile dieses Schichtprinzipes? Die kurze Antwort wäre: perfektes Wärme- und Feuchtigkeitsmanagement. Nun könnte man über Technologien in der Textilbranche und Innovationen, die in den Startlöchern stehen, ein ganzes Heft füllen. Gehen wir also auf die essenziellen Dinge ein. Dazu habe ich auch einen ganz besonderen Interviewpartner an Bord geholt, der sowohl die Sicht des Sportlers kennt, aber auch die des Designers und Produktmanagers. Das Thema Layering ist vor allem für Skitourengeher bzw. Freerider mit Anstiegen spannend. Auch an klirrend kalten Tagen kann einen der Aufstieg ordentlich ins Schwitzen bringen, in den Pausen oder am Gipfel angekommen fröstelt man schnell. Ein Bekleidungssystem, welches schnell und flexibel an jeweilige Situationen anpassbar ist, macht also Sinn. Statt einer dicken und gefütterten Lage ist es sinnvoller, sich für mehrere Schichten zu entscheiden. So kann man sich gezielt an die jeweilige Aktivitäts- und Wettersituationen anpassen. Zuerst ist es natürlich wichtig herauszufinden, welcher Typ man ist. Wie stark schwitzt man, ist man eher aufstiegs- oder abfahrtsorientiert unterwegs, bevorzugt man ein gemütliches Tempo oder geht es ausschließlich darum, möglichst viele Höhenmeter in einer möglichst schnellen Zeit zu bewältigen, bzw. möglichst viele Runs an einem Tag zu absolvieren. Wagt man sich auch bei extremem Wetter ins Freie oder bevorzugt man Blue Bird Tage? All dies spielt eine große Rolle, denn verschiedene Spielarten erfordern auch unterschiedliche Anforderungen an die Ausrüstung. Im Grunde sind die Layering-Präferenzen also sehr individuell und unterschiedlich. Ein unverzichtbares Teil ist allerdings der Base-Layer. Die letzten Jahre hat sich viel getan in diesem Bereich – von zellulosebasierten Materialien bis hin zu recycelten Polyesterfabrikaten, und natürlich hat Merinowolle den Markt in den letzten Jahren enorm geprägt. Egal auf welches Material die Entscheidung fällt, es gibt überall Vor- und Nachteile. Ich denke, die Wahl des Base-Layer Materials hängt von individuellen Faktoren ab, die keine pauschale Empfehlung zulassen. Mit einer Ausnahme: die Baumwoll-„Long Johns“. Gar keine gute Idee! Baumwolle nimmt Wasser auf, trocknet langsam und wärmt nicht, wenn sie feucht ist. Im Gegensatz zu Merinowolle, welche zwar Feuchtigkeit aufnimmt, aber trotzdem noch über eine wärmende Funktion verfügt. Vielleicht ist es aber auch vernünftig, sich für eine Materialmischung zu entscheiden und kombiniert das Beste aus allen Welten. Als zweite Schicht bietet sich der Mid-Layer an. Hybride Lösungen mit einer gefinkelten BODYMAPPING Technology sind absolut im Trend. Unterschiedliche Technologien, Stoffe, Gewebearten, Membranen und Fasern zielgerichtet an den jeweiligen Körperstellen einzusetzen, nennt sich Bodymapping. So kann optimal auf das Bedürfnis der jeweiligen Körperstellen eingegangen werden. Stretch- Einsätze dort, wo der Sportler Bewegungsfreiheit benötigt, Daune, Wolle und Primaloft smart und gezielt an Stellen und in unterschiedlichen Stärken dort positioniert, wo mehr Wärme benötigt wird. An den Stellen mit stärkerem Schwitz-Potential werden andere Materialien eingesetzt als an den Stellen, die direkt den Elementen ausgesetzt sind. Am Rücken benötigt ein Midlayer andere Eigenschaften als im Brustbereich mit der größten Angriffsfläche für Wind und Wetter. HybridModelle sind das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung der Materialentwickler, Designer und Produktmanager mit dem Sportler, der Sportart und den spezifischen Anforderungen in der jeweiligen Wettersituation. Neben einem Hybrid-Teil gehört auch eine leichte Daunenjacke in jeden Kleiderschrank respektive Rucksack, selbst an sonnigen Tagen. Es gibt mittlerweile Daunenjacken, die nur zwischen 200 und 250 Gramm wiegen und in ein Skibrillensackerl passen würden. Das Wetter in den Bergen kann schnell umschlagen, eine Daune mit einer hervorragendenWärmeleistung kann in unangenehmen Situationen ein Segen sein. Und sollte es doch passieren, dass sich jemand verletzt und die Rettung länger dauert, hält ein extra Layer den Verunfallten warm. Was ich noch (ohne *Fingerzeig*) gerne mitgeben würde. Wir sollten bei allen Materialien auf die Zertifizierungen achten: Tierwohl, Nachhaltigkeit im Sinne von Recycling, Thema Abholzung bei zellulosebasierten Materialien und, ganz wichtig, auf die Langlebigkeit der Produkte. Deshalb: „Buy less, choose well, make it last“. Eure Eva THINDOWN = Eine spezielle Daunen-Isolation. Vereinfacht gesagt, wird Daune nach einem innovativen Verfahren zwischen zwei Trägerschichten fixiert. In der Daunenjacke befinden sich also keine losen Daunen mehr, was definitiv ein großer Vorteil in der Pflege beim Waschen und Trocknen ist – ein Verklumpen der nassen Daunen gehört der Vergangenheit an. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Thindown auf die gesteppten Daunenkammern verzichten kann und somit keine Kältebrücken durch die Nähte entstehen. Der Nachteil: Der noch hohe Preis. Gamechanger Spinnenseide? Ihr lest richtig! SPIBER aus Japan und AMsilk aus München forschen an proteinbasierten Fäden. Diese gleichen der DNA einer Spinnenseide und werden im Labor erzeugt. Durch bakterielle Fermentation stellt das Münchner Unternehmen AMsilk recyclingfähiges und vollständig biologisch abbaubares Seidenmaterial her. 2016 entwickelte AMsilk gemeinsam mit Adidas einen Laufschuh Prototypen aus „Spinnenseide“. Eine Technologie, die in den Kinderschuhen steckt und noch nicht skalierbar ist, für den Massenmarkt also definitiv zu teuer – noch. Aber ein sehr spannendes Material für die Zukunft. BACK TO THE FUTURE Es tut sich richtig viel und einige spannende Innovationen stehen in den Startlöchern. Zwei möchte ich kurz vorstellen. Pertex® Quantum Air ist windabweisend, aber trotzdem atmungsaktiv. Es wird an den Stellen eingesetzt die stärker Wind und Wetterbedingungen ausgesetzt sind. Z.b. die Vorderseite der Jacke und bis über die Ohren der Kapuze. Hinter dem Pertex Material verbirgt sich ein extrem leichtes, aufgerautes Netzgewebe. Die bauschige Konstruktion schafft Luftkammern, in denen die Körperwärme in flauschigen Fasern gespeichert wird, sodass es eine beeindruckendeWärmeleistung bietet. Das offene Mesh-Gewebe führt bei großer Anstrengung überflüssige Wärme ab. Leichtes, wärmendes und schnell trocknendes Grid Fleece Material an den Stellen, die mehr Atmungsaktivität bzw. Beweglichkeit benötigen. DieWaffelstruktur zieht den Schweiß noch schneller und effizienter vom Körper weg. Sehr wichtig im Rückenbereich, wo der Rucksack aufliegt bzw. unter den Armen. Flatlock-Nähte für geringes Volumen und reduzierten Abrieb. Tasche ist so positioniert, dass der Zugriff auch ganz einfach mit Klettergurt bzw. Rucksack Hüftgurt ermöglicht wird.

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