Bergstolz Issue No. 102

54 K I R G I S TA N GO Bergstolz Ski & Bike Magazin • 12 | 2021 Da sich der größte Teil des Gletschers nur einige hundert Meter entfernt befindet, erkoren wir die Hütte zu unserem Basislager – und das, obwohl es noch höher gelegene, einfache Unterkünfte wie Uchitelskaya Khizhina und Korona Hotel gibt. Diese sind ziemlich spartanisch eingerichtet und nicht beheizt, haben aber zumindest einen großen Tisch, an den man sich zum Essen oder Kartenspielen setzen kann. Diese Entscheidung trafen wir auch, weil im Tian Shan-Gebirge die Schneegrenze deutlich höher liegt als in den Alpen. Das bedeutet, dass man sich im Allgemeinen über deutlich mehr Höhenmeter über loses Geröll und Gestein kämpfen muss, bis man die Ski anschnallen kann. Innerhalb des Al-Archa-Nationalparks gibt es nur wenige Möglichkeiten für sanfte Gletschertouren. Und die erfordern immer noch den Einsatz von Seil, Steigeisen und Eispickel. Wer aber über alpinistische Erfahrung verfügt und auf der Suche nach technischen Herausforderungen und Mixed-Kletterei aus ist, der ist hier genau richtig. Skifahrerisch gilt ebenso: Das Gebiet ist anspruchsvoll. Geübte Skitourengeher werden unzählige herausfordernde Lines finden, wer allerdings leichteres Gelände bevorzugt, dessen Möglichkeiten sind begrenzt. Und dann ist da noch das Wetter - Schneefälle sind nicht sehr häufig, und selbst wenn sie auftreten, reißen die Winde alles mit und transportieren es in unbekannte Richtung. Diese Berge scheinen also eine gute Option für diejenigen zu sein, die es lieben, tagelang in der senkrechten Wand zu campen und zu versuchen, herauszufinden, wie man das verdammte Ding klettert, während man ständig von Winden getroffen wird, die einem die Augäpfel einfrieren. In diesem Gebiet sind 130 Kletterrouten beschrieben und 80 % davon sind nichts für schwache Nerven. Die Frage war, was zum Teufel wir als Skifahrer dort zu suchen hatten. Also stiegen wir auf den Korona Peak und fuhren ihn mit Skiern ab, vor allem, um das gesamte Gebiet nach technischen Linien abzusuchen. Einige davon konnten wir erfolgreich befahren, andere ließen uns schreiend davonlaufen. Nichtsdestotrotz waren die Tage, die wir im Korona Hotel und in der Racek Station verbracht haben, sehr angenehm - auch wenn das Gelände eher die klassischen "Ski-Extrem"-Liebhaber zufriedenstellen wird. Wir hatten nicht genug Zeit, um mehr vom Ala-Archa-Nationalpark zu erkunden, aber nach einem tiefen Blick in die Karten und einigen interessanten Gesprächen mit den Einheimischen wurde mir klar, dass es noch mehr skifahrbares Gelände gibt - man braucht nur Zeit und die Bereitschaft, es zu erkunden. Easy Riding & kein Shangri-La Nach zwei Wochen musste die Hälfte unseres Teams wieder nach Hause fahren, aber das war noch nicht das Ende unserer Abenteuer in Kirgistan. Von unseren Freunden im Stich gelassen, mieteten Michal und ich einen Toyota Land Cruiser, tankten ihn voll und fuhren ins Ungewisse. Der zweite Teil unserer Reise war bei weitem nicht so detailliert geplant wie der erste, die Taktik simpel: Das Auto so hoch wie möglich fahren unter Ausnutzung sämtlicher Offroad-Qualitäten und anschließend auf Manpower umsteigen und nach Schnee suchen. Es war immer noch Frühling und Sulz gab es noch zuhauf. So begann unser Kreuzzug entlang des Südufers des Issyk-kul-Sees. Wir wollten eigentlich das Suusamyr-Tal erkunden, aber noch bevor wir überhaupt dort ankamen, drehten wir ein paar Runden um den Tunnel auf der Straße M41. Der Grund dafür war ein schönes Couloir, das wir entdeckt hatten. Es führte fast bis zum 3.586 Meter hohen Gipfel und wir konnten einfach nicht widerstehen. Es stellte sich heraus, dass wir mit dem Auto genau die richtige Entscheidung getroffen hatten, der mächtige Toyota bot mehr als genug Platz für uns beide zum Schlafen und er entwickelte sich im Nu zu unserer Homebase. Auf der anderen Seite des kirgisischen Ala-Too-Gebirges fehlte es an Schnee, und so war klar, dass das von uns gewählte Gebiet, das Suusamyr-Tal, nicht annähernd das Shangri-La der Skifahrer sein würde. Nachdem wir uns mit dem Toyota festgefahren und ihn stundenlang ausgegraben hatten, waren wir endlich bereit, mehr von Kirgistan zu sehen und ein weiteres Gebiet zu erkunden, das wirklich interessant aussah - zumindest auf den Karten.

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