Bergstolz Issue No. 102

I N N S B R U C K LO V E 43 Bergstolz Ski & Bike Magazin • 12 | 2021 Innsbruck Love Die Neuentdeckung Tirols // Foto & Text: Stefan & Florian Meiseleder Februar 2021. Österreich ist mitten imWinterlockdown. Eigentlich darf man jetzt fast gar nichts machen. Der Handel hat zu, Restaurants sind geschlossen, die Menschen in Innsbruck, wenn man sie auf den Straßen sieht, scheinen sich langsamer zu bewegen. Nicht einmal seine Freunde kann man treffen. Kurzum, das Leben ist runtergefahren. Dabei sind aber nicht alle Aktivitäten verboten. Skitourengehen ist weiterhin erlaubt, und dagegen scheint auch nichts zu sprechen. Was macht also eine frisch gegründete Guidingschule die bisher ihren Schwerpunkt am Arlberg hatte? Genau: Scouten, scouten, scouten! Wir, Florian und Stefan Meiseleder, sind zu einem guten Teil in Lech am Arlberg und in Norditalien am Idrosee aufgewachsen. Wir kommen aus einer Sportlehrer-Familie, im Winter ist unser Vater Skilehrer, im Sommer leiten unsere Eltern ein Windsurf- und Sportzentrum am Idrosee. Im Januar 2020 gründeten wir gemeinsam mit unserem Freund Pauli Pontiller ‘Guide and Ride’. Und wir planten auch, das grundsätzlich so beizubehalten. Skitouren mit Gruppen in Lech und Bikecamps am Idrosee sollten unsere Schwerpunkte sein. Ein Jahr später wirkt Lech allerdings wie wohl zum letzten Mal vor knapp 100 Jahren: Kein Tourist und nur ein paar vereinzelte Einheimische schlendern über die Straßen - und die Berge sind quasi leer. Arbeit gibt es hier heuer keine, dann besser gleich in Innsbruck bleiben. Es locken zwar umso schönere, einsame Powdertage, aber den ganzen Winter hier oben zu verbringen ist dann doch zu viel der Einsamkeit. Dann besser Innsbruck und schauen, was vor den Toren der Stadt so geht. Wir hatten beide in Innsbruck studiert und lernten schon zu Studienzeiten die Klassiker rund um die Tiroler Hauptstadt kennen – und so einige Geheimtipps. Die Frage, die sich uns also im vergangenen Winter stellte, war: Können Innsbruck und seine Hausberge auch einen ganzen Winter lang mit dem Freeride-Mekka Arlberg mithalten? Nach unseren gut 100 Scoutingtagen ist die Antwort klar: Die Gegend um Innsbruck liefert auf der ganzen Linie! Freeridetage mit den fetten Latten ohne Aufstieg? Check! Jeder Innsbrucker Freerider kennt die Massen an Powder auf der Nordkette bei Nordwestwetterlage. Aber wer kennt die vielen versteckten Rinnen im Familienskigebiet Seefeld? Wer kennt die hochalpinen Runs am Stubaier Gletscher? Varianten in der Axamer Lizum sind da schon eher bekannter, aber auch hier gab's noch so einiges zu entdecken! Liftunterstützes Freetouring mit langen Abfahrten? Check! Je nach Schneebedingungen gibt es Freetouringoptionen in alle Richtungen. Mit der Nordkettenbahn ins Karwendel zur kleinen oder großen Innsbrucker Runde, in nur fünf Kilometern Luftlinie von der Stadt entfernt, einsamste Hänge und Rinnen befahren und mit öffentlichem Verkehr zurück? In Seefeld nach kurzem Aufstieg über steilste Rinnen ins Karwendel und mit kurzem Taxiride zurück? Oder von der Schlick mit nur 500 hm Aufstieg über eine ewige Abfahrt ins Inntal hinunter? Weite Abfahrt und steile Rinnen nach kurzem Grad-Hike im Kühtai? Den Optionen scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Skitouren in allen Längen? Double Check! In maximal 45 Minuten Anfahrt ab Innsbruck gibt es eine Vielfalt an Skitouren, mit der keine Region in Österreich so leicht mithalten kann.Treeruns mit kurzen Aufstiegen über dem Inntal bei starken Schneefällen? Kein Problem! Hochalpine Gletschertour mit über 2000 hm Abfahrt? Mehr als genug! Mittlere Skitouren mit wenig befahrenen nordseitigen Hängen? Unmöglich alle zu kennen, aber man kann es versuchen! Es ist die Variabilität, die den großen Unterschied macht, es braucht ein wenig Erfahrung, aber bald wird klar, welches der unzähligen Täler rund um Innsbruck bei welchen Bedingungen am besten funktioniert. Ein Beispiel: Nordwestwetterlage. Hat es fünf Kilometer südlich von Innsbruck am Patscherkofel gerade mal 5 cm geschneit, lohnt sich ein Blick auf die Touren im Karwendel nördlich der Stadt, meist kommt man dann hier auf gut 20 cm. Hat es dagegen 70 cm auf der Seegrube im Karwendel geschneit, wird die Lawinensituation dort keine sinnvollen Touren mehr zulassen. Nun heißt es sich Richtung Süden orientieren z.B. ins Kühtai, dort erwarten wir 25 cm feinsten Powder. Jede Tour wird so eine kleine Lehrstunde und bald ist die Treffsicherheit verdammt hoch. Es kristallisiert sich ein Bild heraus: Wer bereit ist sich um Innsbruck zu bewegen, der hat mit der Gegend eine Treffsicherheit für guten Schnee die ihresgleichen sucht. Nach einer solchen Saison muss der Vergleich mit dem Arlberg nicht mehr bemüht werden, Innsbruck ist ein Freeride- und Tourenmekka, das vor allem durch seine Vielseitigkeit besticht. Eine volle Saison am Arlberg? Muss es für uns definitiv nicht mehr sein, Innsbruck ist einfach zu gut. Anstatt Hotels und reiner Tourismusorientierung, gibt es in der Studentenstadt Innsbruck echte urbane Kultur mit hippem Flair und einem Mix aus jung und traditionell. Es ist eine Sportlerstadt. So elegant wie sich Innsbrucker Studenten mit Skiern am Rucksack auf ihren Rädern fortbewegen wird man in den touristischen Hotspots Österreichs keine Menschen ihre Sportgeräte transportieren sehen. Eine Vielzahl an Bars und Kultureinrichtungen prägen die Innenstadt, die Szene ist bunt. Auch wenn wir den Arlberg immer noch als unseren Homespot bezeichnen, haben wir letzten Winter endgültig unsere Innsbruck Love entdeckt. Und die wollen wir auch unseren Gästen weitergeben, deshalb haben wir ganz neu ein Shuttletaxi mit neun Sitzen angeschafft. So sind wir noch flexibler und erreichen alle Gebiete rund um Innsbruck noch einfacher. Eine Anreise sogar mit dem Zug ist so leicht machbar. Dazu bieten wir ab diesem Jahr Freeride- und Skitourencamps ab Innsbruck an, geschlafen wird in der Innsbrucker Altstadt. Täglich werden andere Gebiete um die Stadt erkundet, die wir vergangenen Winter ausgekundschaftet haben. Ein paar unserer Lieblingstouren verraten wir hier noch – alle anderen Geheimtipps erfährt, wer mit uns unterwegs ist. Falls hoffentlich kein neuer Lockdown kommt. Dann allerdings werden wir uns 2022 wohl noch besser auskennen!

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