Stone - King

Der Berg, der weithin sichtbar ist
Text & Fotos: Max Schumann
Im südwestlichen Teil dieses weitläufigen Bogens der Alpen die Norditalien begrenzen, erhebt sich einer der imposantesten und markantesten Berge Europas - der Monviso. Er trägt den italienischen Spitznamen Il re di Pietra (der Steinkönig) - The Stone King. Der Blick auf diesen markanten Gipfel prägt das Rennen und gab dem Projekt seinen Namen.
Ash Smith ist der Kopf hinter der Stone King Rally. 2009 begründet er mit der Trans Provence eine neue Ära des Enduro-Racings. Aus seiner Sicht aufs Biken entwickelte er ein Rennformat, das mit seinem Entdeckergeist und seiner Abenteuerlust nach wie vor begeistert. Nach 10 Jahre Trans-Provence wollt er das Konzept weiter entwickeln und über den reinen Rennsport hinaus für ein breiteres Publikum zugänglich machen und vor allem einen nachhaltigen und positiven Einfluss auf die Region zu haben. Mit Stone King öffnet und unterhält er Trails, und bringt Gemeinden und Biker zusammen.
Stone King Rally ist das Rennen. Es findet jedes Jahr im Frühsommer statt. Im Rahmen des Stone King Touring Clubs kann die Route im Ganzen oder in Teilen nachgefahren werden. Selbstständig oder mit Support.
Tag 1
Arvieux ist der Startpunkt der Stone King Rally. Ein abgelegenes Bergdorf, umgeben von den gigantischen Bergen des Queyras. Ursprüngliche und unberührte Natur mitten in den Westalpen. Knapp unterhalb des Col de l’Izoard beginnt die Woche, an einem der schönsten und berüchtigsten Pässe der Tour der France. Teils pedalierend, teils schiebend wagen wir uns immer weiter in die grandiose Natur. Der leicht ansteigende Trail bietet spektakuläre Blicke auf mondähnliche Krater, Türme aus gelber Erde und unberührte Kiefernwälder. Es erwarten uns wie an jedem der kommenden Renntage, vier gezeitete Abfahrten und viel Zeit auf dem Bike. Unterstützt von Shuttles fahren wir im Laufe der Woche über 20.000 Tiefenmeter.
Den Hauptprotagonist Stone King, der Monviso, mit seinen unverwechselbaren Felswänden werden wir heute immer wieder zu sehen bekommen.
Doch es kommt anders. Nach einem rasanten Vormittag auf spektakulär schnellen Stages sind wir warm gefahren und heiß auf mehr. Durch Kiefernwälder jagen wir über staubige Trails und müssen uns schnell an das „blinde“ Rennen fahren gewöhnen. Unbekannte Strecken haben ihren eigenen Reiz. Das Gelände lesen lernen und dem gleichbleibenden Rhythmus des Trails zu vertrauen, ist enorm wichtig. Gleichzeitig ist es wichtig, nicht zu viel zu wagen und schnell und aktiv auf dem Bike zu bleiben. Die Abkühlung kommt schneller und heftiger als erwartet. Am Col Agnel, der Grenze zwischen dem französischen Queyras und dem italienschen Piemont, öffnet der Himmel seine Schleusen. Und das Unwetter, das sich in der Ferne aufgebaut hatte, ist plötzlich ganz nah. Die letzte Stage wird abgebrochen und wir schauen, dass wir möglichst schnell ins Tal kommen. Doch wir verlieren das Rennen gegen den heftigen Hagel, der den Trail in einen reißenden Strom verwandelt und erreichen das 1100 Meter tiefer gelegene Camp ausgekühlt und völlig durchnässt. Die richtige Reihenfolge aus heißer Schokolade und Bier wärmt Körper und Geist und bringt das internationale Fahrerfeld in der engen Bar auf dem Campingplatz am ersten Tag zusammen.
Tag 2
Am nächsten Tag rutschen wir in unsere noch nassen Schuhe. Sie werden zum Glück lange vor der ersten Abfahrt trocken sein. Denn es erwartet uns ein langer Anstieg. Der längste Anstieg der Woche. Bei der Stone King Rally geht es um mehr als um reines Rennen-Fahren. Es geht vor allem auch um viel gute Zeit auf dem Bike. Um viel Zeit auf den Trails. Und nicht jede Abfahrt läuft auf Zeit. „Eine gute Zeit haben.“ Bedeutet nicht nur, möglichst schnell von A nach B zu kommen, sondern vor allem auch den Weg zu genießen. Das genießen fällt noch schwer. Seit über einer Stunde tragen und schieben wir das Bike den steilen, felsigen Weg hinauf. Doch die Aussicht belohnt uns, als wir mit einem letzten Energieschub das Bike über die letzte Stufe schieben und sich der Blick auf die anstehende Abfahrt öffnet. Wir sind auf dem Weg ins wilde Herz der okzitanischen Täler im Piemont, und schon bald durchqueren wir einen Teil dieser großartigen, aber nur wenigen Bikern bekannten Landschaft. Hohe Gipfel und raue Hänge sind hier keine undurchdringliche Kulisse. Mit unseren Bikes finden wir den Weg, den Ash für uns vorgesehen hat, und der uns alles abverlangt. Die Abfahrten wollen ebenso wenig enden, wie der Anstieg. Und durch zusätzliche Shuttlefahrten und weitere Traversen sind sie bemerkenswert lang. Aber auch bemerkenswert gut. Das Trail-Potential der Täler Valle Varaita und Valle Maira wirkt so unerschöpflich, wie wir erschöpft sind.
Tag 3
Der Colle Fauniera ist einer der höchsten Straßenpässe in den Alpen und der dritthöchste in Italien. Der morgendliche Shuttle bringt uns auf 2481m in eine felsige, zerklüftete Landschaft. Alte Militärpfade und Hirtenwege führen uns in verschlungene Seitentäler des Valle Stura und in eine Welt fantastischer natürlicher Singletrails. Der Tag ist alles andere als einfach, auch wenn es deutlich weniger bergauf geht als am Vortag. Es erwartet uns wieder ein langer Anstieg, der nur teilweise fahrbar ist, und dem man anmerkt, dass Ash seine Routen mittlerweile mit dem E-Bike erkundet. Aber jeder Tritt in die Pedale oder jeder Schritt nach oben ist gespeicherte Energie, die darauf wartet, in der atemberaubende Abfahrt freigesetzt zu werden. Wir starten auf einem felsigen Grat, durchqueren offene Wiesen und tauchen immer schneller werdend in einen lichten Wald ein. Am Fuß der langen Abfahrt, überraschen uns die Bewohner des abgelegenen Dorfes mit Musik und Kuchen. Sie feiern, dass mit uns Bikern Leben ins Tal kommt. Die Vision der Stone King Rally funktioniert. Alte Wege mit neuem Leben zu füllen. Gemeinden und Menschen zu verbinden.
Tag 4
Wir haben nun einige anstrengende Tage in beeindruckendem Terrain hinter uns. Und zweifellos auch Kämpfe mit den Elementen, technische Probleme und körperliche Beschwerden. Aber die Probleme werden gelöst und die Schmerzen vergessen. Die Stone King Rally stellt uns auf eine harte Probe, aber manchmal gibt es auch leichtere Tage. Tag 4 ist einer davon. "Leicht“ allerdings nur relativ zu dem, was vorher passiert ist. Der Tag beginnt in Italien und endet wieder in Frankreich. Und wir erleben erneut einen beeindruckenden Wechsel von Trails und Landschaften. Nach schnellen Trails in dichten Laubwäldern, die einstige Dörfer verbindet, von denen heute teils nur noch einzelne Mauerreste im Wald zu finden sind. Dann geht es über den Col du Tende auf die ligurische Hochstraße, die sich durch karstiges Gelände schlängelt. Geländewagen und Motoräder kommen entgegen. Die Straße ist in der Offroad-Szene sehr bekannt.
Wir biegen aber wieder auf kaum bekannte Pfade ins Royatal ab. Einige Wochen Arbeit stecken in diesem Weg. Speziell für Stone King wurde aus der undefinierten Pfadspur ein Trail, der sich in großzügigen Kehren hinabwindet.
Tag 5
Auch wenn die glitzernde Küste in Sichtweite ist, können wir noch nicht vom Sprung ins Meer träumen. Es wird einer der längsten Tage der Woche, mit harten Anstiegen und verrückten Abfahrten. Von trockenen Bergkämmen bis hin zu grünen Wäldern bietet der Tag so ziemlich alles, was wir einer fantastischen Biketour erwarten. Nach einer feinen Schlaufe bei La Brigue wartet als Highlight des Tages die Traverse um die beeindruckenden Flanken des Monte Toraggio, ein Singletrail-Abenteuer, das sich an die Seite dieses steilen Berges schmiegt. Lange, kaum befahrene Abfahrten machen Mehrtagesrallyes so besonders, aber auch gewaltige Anstiege stehen auf dem Programm. Die morgendliche Anstrengung bergauf ist es wert: Die Abfahrten sind lang, vielseitig, spaßig. Es ist der vorletzte Tag der Stone King Rally, wir blenden die körperliche Ermüdung aus und gehen nochmal in die vollen. Die langen Abfahrten belohnen uns. Und der Extra-Große Eisbecher in Pigna ist nötig. Denn wir erreichen das Camp mitten in dem malerischen Städtchen Dolceacqua erst am frühen Abend, wo uns unsere kleine Zeltstadt auf dem Sportplatz mitten im Ort erwartet.
Tag 6
Das Meer ist nah und die Temperaturen sind hoch. Das ist das Ligurien, das wir kennen. Der letzte Tag der langen und trailreichen Woche bildet einen großartigen Abschluss und die Abfahrten unterstreichen nochmal, worum es geht: Felsplatten, technische Kehren und steile Passagen, die sich mit Flow und Fahrfluss traumhaft verbinden. Wir surfen über zwei der berüchtigten Trails von San Romolo und San Remo und folgen dann einem neu angelegten Weg in Richtung Mittelmeer. Mit dem Ende der letzten Stage steigt schon die Euphorie. Im Zielort Bordighera warten der lang ersehnte Sprung ins kühle Nass, lachende Gesichter und High Fives. Die Gedanken an die Route der letzten Tage verschwimmen schon in einem großen Flowgefühl. Die spektakulären Aussichten, die weiten Berge, die dichten Wälder, die entlegenen Orte, die freundlichen Gesichter der Locals, … waren vielleicht alle nur ein Traum auf der Isomatte im Zelt.
Infobox
Die Santa Cruz Stone King Rally ist ein einwöchiges Enduro-Rennen, das einmal im Jahr innerhalb von sechs langen Renntagen vom Queyras in den Westalpen an die ligurische Küste führt. Als Nachfolge-Rennen der Trans-Provence verbindet die Stone King Rally Outdoor-Abenteuer und Enduro-Racing. Doch abgesehen von den Rennen kann man Stone jetzt auch ganz ohne Rennstress genießen.
Dazu wurde der Stone King Touring Club ins Leben gerufen, der begeisterten und erfahrenen Mountainbikern helfen soll, ihr eigenes Abenteuer entlang der jährlich wechselnden Strecke zu erfahren. Die umfassende Plattform bietet aber nicht nur sämtliche Infos, die es braucht, um die Stone King Rally auf eigene Faust nachzufahren. Im Rahmen der Club Weeks kann man gemeinsam mit Ash Smith die Stages und Strecke als geführte Tour erkunden – und sich von ihm selbst natürlich alle Infos dazu holen.
Stone King Rally Vol. 1 - 2022
Dauer: 6 Tage
Route: Arvieux – Pontechianale – Prazzo – Demonte – Tende – Dolceaqua – Bordighera
Zahlen zur Strecke:
- ›› 272,4 km
- ›› 8190 Höhenmeter
- ›› 20420 Tiefenmeter
- ›› 14 Shuttlefahrten
- ›› Teilnehmerzahl: 88
Renn-Teilnahme ist generell für alle offen. Man sollte aber fit sein, der Anspruch an Ausdauer und Fahrtechnik ist sehr hoch. Bike-Erfahrung wird bei der Anmeldung abgefragt.
Im Rahmen des Touring-Clubs, also das Nachfahren der Route ohne Rennen, gibt es für jeden Tag auch Möglichkeiten, die Tour zu kürzen.
Club Weeks 2023
Stone King Club Week 1
02.-09.09.2023
Stone King Club Week 2
23.-30.09.2023
Stone King Club Week 3
30.09.-07.10.2023
Alle Infos unter:
www.stonekingrally.org