NAVA UND ETWAS MEHR - ITALIEN

Text: Günter Scholz | Fotos: Robert Holzer & Günter Scholz
Diese Reise führt uns tief ins ligurische
Hinterland – fernab von Strandpromenaden und Touristenmassen. Mit unserem sieben
Meter langen Sunlight-Wohnmobil, vollgepackt mit zwei Pivot E-Bikes und einer ordentlichen Portion Vorfreude, durchqueren wir auf der Suche nach Trails fantastische Bergwelten mit super ligurischem Essen.
Unsere Reise führte uns über die Schweiz bis nach Sanremo. Dort verbrachten wir die erste Nacht – bereit für unser Abenteuer. Am nächsten Morgen starteten wir auf unseren Pivot E-Bikes zur ersten großen Runde Richtung San Romolo. Zunächst ging es auf einer acht Kilometer langen Teerstraße bergauf, bevor wir auf eine steile Mulattiera wechselten, die uns weiter hoch führte.
Nahe dem Colle Termini di Perinaldo erreichten wir den ersten Trail. Die Abfahrt ließ nicht lange auf sich warten – ruppig, ausgewaschen, zerfurcht von den zahlreichen Enduro-Motorrädern, die hier unterwegs sind. Es dauerte ein wenig, bis wir den richtigen Downhill fanden. Er führte uns in Richtung San Pancrazio Negli, am gegenüberliegenden Berg erblickten wir das kleine Bergdorf Perinaldo, das gegenüber am Hang zu kleben schien – wie festgenagelt. Der Trail hatte es in sich: felsig, technisch, fordernd. Bergauf wie bergab brachte uns die warme Oktobersonne ordentlich ins Schwitzen.
Was als gemütliche Runde geplant war, wurde schnell zu einem echten Trailabenteuer. An der Kapelle „Da Cruxe“ folgten wir einem schmalen Pfad entlang des Hangs, bis wir eine Abzweigung fanden – den „Ciapa da Cruxe“-Trail. Flowig, schnell und mit einem spektakulären Blick aufs ligurische Meer bei Bordighera schlängelte er sich Richtung Küste. Schon beim Fahren freuten wir uns auf das verdiente Bier am Strand. Wir folgten dem Piani Borghetto bis Bordighera, wo wir nach gut drei Stunden im Sattel schließlich auf der Strandpromenade ankamen – und in einer Bar auf unser erstes großes Etappenziel anstießen.
Nach der Stärkung ging es weiter über Ospedaletti auf dem ligurischen Küstenradweg zurück nach Sanremo. Dort verluden wir unsere Bikes und setzten die Reise fort: über Imperia in Richtung Pieve di Teco und hinauf zur Passstraße nach Colle di Nava. Dort, auf einem abgelegenen Campingplatz, bezogen wir unser Lager für die kommenden Tage. Colle di Nava ist ein verschlafenes Dorf mit gerade mal einer Pizzeria und einer Bar – mehr braucht es auch nicht. Denn wir waren ja zum Biken hier und das ist wirklich sensationell.
Am nächsten Morgen stand eine Tour ins Nachbartal auf dem Plan. Über eine Forststraße erreichten wir den Colle di Prale und folgten der SP216 bis zum Colle di Caprauna. Links von uns ragten die Berge der ligurischen Alpen in die Höhe. Am Colle begann das eigentliche Abenteuer: der Einstieg in den Trail. Ein paar Enduro-Motorradfahrer wollten denselben Trail nehmen, kehrten aber bald um – zu eng, zu zugewachsen. Für uns genau richtig! Am Colle Domenica legten wir eine kurze Rast ein, bevor es richtig zur Sache ging: technischer Uphill, verblockt, steinig. Ohne unsere E-Bikes wäre der Frasinello-Ridge-Trail kaum zu schaffen gewesen. Wir schoben und wuchteten die Bikes über so manchen Felsen. Aber genau das war es, was wir suchten: wild, urig, einsam.
Oft mussten wir den Trail neu suchen, denn Markierungen gab es kaum. Nach scheinbar endlosen Metern, Schweißtropfen und Anstrengung erreichten wir den "Gipfel" – eher ein überwucherter Hügel. Doch der Blick und die folgende Abfahrt machten alles wett: abwechslungsreich, mal steil über Felsplatten, mal locker durch Geröll, bis wir auf eine Straße stießen und gleich auf der anderen Seite in einen waschechten Downhill überging: den DH Antenna. Steilstufen, verblockte Felspassagen, Adrenalin pur. Wir „ballerten“ durch bis Casa Baraucola, nahmen noch einen leichten Trail-Abschnitt mit und rollten schließlich in Pieve di Teco ein. Ein Ort mit ein paar Lokalen, perfekt für eine Pause, bevor wir die letzten 700 Höhenmeter zurück nach Colle di Nava in Angriff nahmen. Natürlich gibt es normalerweise ein Shuttleunternehmen, aber Ende Oktober war dort schon Saisonpause. Kein Problem mit unseren Pivot Shuttle LT und Shuttle AM. Ohne E-Unterstützung wäre das Ganze kaum machbar gewesen. Am späten Nachmittag erreichten wir wieder den Campingplatz. Es gab eine fantastische Pizza und einen Plan für den nächsten Tag.
Am zweiten Tag nahmen wir uns die Trails rund um Colle di Nava vor. Die Jungs von Nava Freeride haben hier ein beachtliches Netz geschaffen – alles naturbelassen, nichts verbaut. Falegname, Neonato, Carabinieri, La Fattoria: allesamt schnelle, spaßige Trails, die ordentlich Laune machen. Pro Trail muss man 300 bis 500 Höhenmeter einkalkulieren. Mit dem E-Bike kein Problem, aber wer mag, kann sich auch shutteln lassen. Wir verbrachten den ganzen Tag auf dem Bike. Am Abend kochten wir im Sunlight Adventure selbst und planten die große Tour am kommenden Tag.
Frühmorgens ging es los. Wir fuhren die Via Provinciale Monesi hoch, um den
Neonato-Trail zu erreichen. Flowig und lichtdurchflutet führte er bis zur SP28 – definitiv ein Highlight! Kurz vor Pornassio bogen wir beim Castel auf einen steilen Pfad Richtung Ponti ab. Danach warteten zehn Kilometer Forststraße und fast 1.100 Höhenmeter bis zur Alpe Pian Latte. Steil, steinig, kräftezehrend. Aber oben: eine Aussicht bis zum Meer, 50 Kilometer entfernt. Wahnsinn!
Ein kleiner Pfad führte uns weiter zum Poggio Pian del Latte auf 1.780 Metern hinauf. Von dort begann eine 20 Kilometer lange Abfahrt. Das Gras war sehr hoch, der Trail schwer zu erkennen. Aber wir hielten grob die Richtung und cruisten von Bergrücken zu Bergrücken, durch eine fast surreale Landschaft. Manchmal mussten wir schieben, im hohen Gras war bergauf fahren kaum möglich. Nach einer Stunde wurde der Weg besser, führte uns durch dichteres Unterholz bis hinunter nach Cenova.
Von dort nahmen wir einen letzten Trail zurück nach Pieve di Teco. Dort kehrten wir wieder ein. Danach nochmal 700 Höhenmeter zurück nach Colle di Nava. 58 Kilometer, 2.706 Höhenmeter, über sieben Stunden im Sattel – mit nur einem 750-Watt-Akku! Wer da noch behauptet, E-Biken sei easy...
Am nächsten Tag legte Robert eine Pause ein. Ich nahm es locker – Abreisetag. Wir verabredeten uns in Pieve di Teco. Ich nahm noch den Carabinieri-Trail mit und fuhr zum Fortino Richermo hoch. Dort begann ein wilder, steiler Trail durch dichtes Gestrüpp, der Kategna-, ISurdi- und San Pietro-Trail hinunter nach Pieve di Teco. Hier endete unser Nava-Abenteuer.
Noch nicht genug? Klar. Wir machten noch einen Abstecher nach Molini di Triora, nur einen Steinwurf entfernt. Dort trafen wir Harald Philipp, der oberhalb von Triora lebt. Zusammen unternahmen wir eine Tagestour am Colle Langan. Harald zeigte uns seinen Lieblingstrail: den Belenda. Typisch Harald: felsig, technisch, aber unten mit viel Flow.
Mittagessen in Molini in der Bar. Dort trafen wir Holger Meyer. Alte Bekannte, alte Geschichten – Robert war ja früher selbst in der Bikebranche. Danach ging’s mit Luca von aTipico auf Shuttletour. Er zeigte uns den neuesten Trail am Santa Bridgida. Steil, mit vielen Spitzkehren – Konzentration war gefragt. Am Ende standen wir wieder in Molini und verabschiedeten uns von unseren Trailbuddies.
Bevor es ganz heimwärts ging, machten wir noch Halt in Bardineto im Hinterland von Pietra Ligure gelegen. Ein verschlafenes Nest –außer im November, wenn das Fiesta di Funghi ist, dann kommen die Pilzliebhaber aus ganz Italien. Dort gibt’s riesige Steinpilze – aber auch tolle Trails. Comore, Gobbo, Pian Fieno, Abendown, Dondella, Rientro, Greenriver – Vollgas-Downhills ohne Ende.
Unsere Tour führte uns Richtung Castelvecchio di Rocca Barbena. Mehr dazu in der Story „Ceriale Castelvecchio di Rocca Barbena“ im Bergstolz. Wir nahmen die Scravaion-Forststraße zum Bric Schenasso, weiter zum Piazzale sotto Bric Agri, bereits auf piemontesischer Seite. Absolute Stille. Nur das Surren unserer E-Bikes durchbrach die Ruhe.
Am Bric Scravaiazza startete der Rientro-Trail: schnell, flowig, durch einen riesigen Buchenwald nach Calizzano. Leider machte ein Unwetter den Trail einen Monat später unpassierbar. Hoffentlich ist der Trail bald wieder offen – er ist einer der besten der Region.
Zurück auf der Straße rollten wir entspannt nach Bardineto. Ligurische Küche am Abend, dann letzte Nacht im Van. Zum Finale brachen wir am nächsten Morgen nochmal Richtung Bric Schenasso auf– und nahmen meinen absoluten Lieblingstrail in Angriff: den Dondella. Im ersten Teil geht es durch schnelle, weite Kurven, um dann in einen kleinen Canyon einzubiegen wo der Trail unfassbar hin und her geht. Mit kleinen Sprüngen, Steilstufen und Naturanliegern geht es richtig zur Sache. Kurz vor Bardineto spuckt uns dieser Canyon wieder ans Ziel: der Dondella-Trail. Unser Abenteuer endete dort. Müde, aber grinsend, traten wir die Heimreise an und hatten genug Zeit, über das nächste Bike-Abenteuer nachzudenken.