A JOURNEY OF A LIFETIME
Mit dem Fahrrad zu den Skigipfeln Norwegens
Text & Fotos: Andreas Fausko
Inspiriert von zwei Deutschen Sportlern,
die mit ihren Fahrrädern durch die Alpen fuhren und einen Gipfel nach dem anderen erklommen, beschloss ich, dasselbe in Norwegen zu
versuchen.
Die Idee: Mit meinem Bike etwa 1.000 km zu den bekanntesten Bergen in Norwegen reisen, um diese mit den Ski zu erklimmen. Beladen war das Rad mit meinen Skiern, Stöcken, Stiefeln, Zelt, Schlafsack, Schlafmatte, Essen, usw. Start und Ziel war Oslo. Die perfekte Zeit für mein Abenteuer schien Ende April zu sein: Meist trockene Straßen und genügend Schnee in den Bergen. Ich verbrachte viel Zeit damit, die Route zu planen und zu überlegen, was ich mitnehmen und was ich zu Hause lassen sollte. Das Rad würde schwer sein, egal wie viel Gewicht ich versuchte einzusparen, aber ich wollte nichts mehr als das Nötigste mitnehmen.
Ende April 2023 fuhr ich aus Oslo in Richtung Berge los. Der erste Berg auf meiner Liste war der Gipfel Gaustatoppen. 200 km und eine zwei Tage lange Fahrt führten mich von Oslo bis zum Fuß des Berges. Das Fahrrad fühlte sich stabil und gut ausbalanciert an, und ich konnte ohne große Probleme ein anständiges Tempo halten.
Um zum Schneeanfang zu gelangen, musste ich zehn Kilometer und tausend Höhenmeter auf einem Anstieg namens „Zombie Hill“ bewältigen. Um das Fahrrad so leicht wie möglich zu machen, ließ ich alles Unnötige am Fuß des Berges zurück. Der Aufstieg war brutal und dauerte drei Stunden bis zum Parkplatz, wo ich endlich eine kurze Pause einlegen konnte. Der Übergang vom Fahrrad zum Skifahren verlief reibungslos und nach ein paar Stunden erreichte ich den Gipfel.
Oben auf dem Grat angekommen, lief ich mit den Skiern leicht zum Eingang eines der sieben westlich gelegenen Couloirs hinüber und war endlich bereit für die Abfahrt.
Glücklich, es bis zum Fuß des Berges geschafft zu haben, gab mir das Vertrauen, dass ich dieses Projekt vielleicht doch durchziehen könnte. Am nächsten Tag ging es weiter nach Haukeli, vorbei an der Hardangervidda im Süden, einem der berühmtesten Nationalparks Norwegens. Die Strecke nach Haukeli betrug 80 km, und was normalerweise eine vierstündige Fahrradfahrt gewesen wäre, dauerte nun wegen des ganzen zusätzlichen Gewichts, acht Stunden.
Ich ruhte mich aus, bevor ich am nächsten Tag einen Freund in der Gegend traf, mit dem ich mich zum Skitourengehen verabredete. Wir trafen uns am nächsten Morgen auf der Haukeli-Passstraße, zogen unsere Felle auf und stiegen ins Nupstal auf. Von dort aus stapften wir einen steilen Berghang hinauf, den er schon eine Weile im Auge hatte, und wurden mit einer grandiosen Abfahrt belohnt.
Fredrik, der Freund, den ich getroffen hatte, begleitete mich nach Røldal, dem
nächsten Skigebiet, aber da er mit dem Auto unterwegs war, verabschiedeten
wir uns mit dem Satz: „Wir sehen uns auf der anderen Seite.“ Da ich es kaum erwarten konnte, meine Ski erneut anzuschnallen, sprang ich wieder auf mein Fahrrad und setzte die Fahrt über den Haukeli-Pass fort.
Ich rollte entspannt nach Røldal, machte einen kurzen Halt an einer Tankstelle, bevor ich zum Parkplatz des Skigebiets weiter radelte, wo ich mit Fredrik verabredet war. Der Aufstieg war nicht einfach, doch auch diese Challenge bewältigte ich. Fredrik und einige einheimische Rider zeigten uns die Wettbewerbsstrecke der Røldal Freeride Challenge, die in der darauffolgenden Woche stattfand.
Ein schönes, steiles Couloir mit viel Air-Time Möglichkeiten ragte vor uns auf, aber ich war einfach froh, ein paar schnelle Schwünge machen zu können und ohne Zwischenfälle nach unten zu shredden. Zurück am Parkplatz verabschiedete ich mich von Fredrik, der zurück nach Oslo fuhr. Ich hatte einen Berg namens Monsas gefunden, der zehn km südlich entlang des Røldalsees in Richtung eines kleinen Ortes namens Botnen lag. Am nächsten Tag würde ich 1500 Höhenmeter bis zum Gipfel erklimmen, was für mich wiederum einen frühen Start bedeutete.
Am nächsten Tag war es nur ein paar hundert Meter zu Fuß, bevor ich die Skischuhe in die Bindungen einklickte, und begann, im Wald in Richtung Gipfel aufzusteigen. Die Sonne schien, es gab keinen Wind, aber es war etwas kühl. Der Schnee war ziemlich eisig, was bedeutete, dass nachts noch Temperaturen unter null Grad herrschten. Ich hoffte, dass die Sonne den Schnee etwas erwärmen würde, aber als ich aus dem Wald hinaus und in den alpinen Bereich ankam, merkte ich, dass dies nicht der Fall war. Ich hatte mein Auge auf ein Couloir geworfen, aber da es nach Norden ausgerichtet und noch ziemlich kalt war, wusste ich, dass es eine ziemlich eisige Abfahrt werden würde.
Ich entschied mich, zum Gipfel herumzugehen, da ich keine Steigeisen oder Eispickel dabei hatte. Oben angekommen, beschloss ich, zum Couloir hinunterzufahren, um es mir mal anzusehen. Es war absolut niemand in der Nähe. Ich kam zum Eingang, schaute hinunter und entschied mich, es zu wagen. Es war so eisig wie erwartet und steiler noch dazu. Ich vertraute auf meinen guten Kantenhalt und behielt die Kontrolle. Ich kam sicher im Lager an und machte mich auf den Weg zurück nach Røldal. Nachdem ich ein eisiges Couloir ganz allein befahren hatte, weit entfernt von jeglicher Hilfe, falls etwas schiefgegangen wäre, wusste ich, dass ich mein Risikomanagement gründlich überdenken musste, wenn ich sicher von dieser Reise nach Hause kommen wollte.
Von Røldal aus setzte ich meine Fahrt weiter westlich, entlang der Fjorde in Richtung Myrkdalen, fort und befand mich nun fast auf halbem Weg meiner Rundreise. Da ich die Berge in der Gegend nicht kannte, schaute ich in einem Sportgeschäft in Voss vorbei, der Stadt, die man erreicht, bevor man nach Myrkdalen hinauffährt, und holte mir vor Ort Infos zu den umliegenden Bergen ein.
In Myrkdalen angekommen, traf ich einige Freeride-Freunde, die in einer Hütte in der Nähe des Skigebiets wohnten. Sie boten mir ein Bett an, das ich mit offenen Armen annahm, da ich die letzten sieben Nächte draußen in der Kälte in meinem Zelt
verbracht hatte. Ich nahm eine Dusche und bekam in dieser Nacht meinen dringend benötigten Schlaf. Am nächsten Tag ging es für mich wieder Richtung Berge.
Schlechtes Licht und der Verdacht auf ein kommendes Unwetter drängten mich dazu, meine Entscheidung für eine lange Tour zu revidieren und eine kleine Tour in der Nähe des Skigebiets zu unternehmen. Nach ein paar Stunden erreichte ich den
Gipfel des Tverrfjellet, und obwohl es nicht sehr steil war, war es ziemlich eisig, und in Kombination mit dem schlechten Licht war es wahrscheinlich der schlechteste Skitag der Reise bisher.
Da ich nun auf halbem Weg war und noch keinen einzigen Ruhetag gehabt hatte, war es an der Zeit, diesen in Myrkdalen einzulegen.
Als nächstes wollte ich nach Sogndal, eine Bergstadt am Fjord, aber um von
Myrkdalen nach Sogndal zu gelangen, musste ich über den Vika-Pass. Als ich nach einem wohlverdienten Ruhetag in Myrkdalen startete, lagen noch etwa achthundert Höhenmeter auf 25 Kilometer vor mir, um zum Gipfel des Passes zu gelangen.
Ich startete schon relativ früh und sah schon bald bedrohlich aussehende Serpentinen. Ich nahm Kurve für Kurve in Angriff und trat einfach weiter in die Pedale und hoffte, dass die Straße irgendwann flacher werden würde. Je näher ich dem Gipfel kam, desto mehr Schneefelder bemerkte ich auf der Straße. Ich hatte mich in alle warmen Skischichten eingewickelt, die ich hatte, denn jetzt musste ich nicht nur mit dem Schnee auf der Straße, sondern auch mit kalten Winden zurechtkommen. Ich kämpfte mich über den Pass und kam sicher zurück zum Fjord, bevor ich entspannt in Richtung Sogndal rollte. Ich beendete den Tag in Shorts und einer dünnen Windjacke, was ein Zeugnis für die Kontraste des Wetters in Norwegen ist.
In Sogndal angekommen wurde ich erneut mit einem warmen Bett gesegnet, als mir eine Freundin und ihr Partner Zuflucht in ihrer Wohnung anboten.
Ich wachte am nächsten Morgen bei Sonnenschein und kaum Wind auf und machte mich erneut auf den Weg zum Berg. Mein Ziel an diesem Tag war der Berg Togga. Ich ließ mein ganzes Camping-Equipment zurück, da Togga in die entgegengesetzte Richtung lag, in die ich am nächsten Tag weiterfahren wollte. Das bedeutete ein leichteres Fahrrad und eine entspannte zwanzig Kilometer lange Fahrt leicht bergauf bis zum Fuß des Berges.
Mein Plan war, die Ostseite des Berges abzufahren, aber mein Orientierungssinn ist nicht immer der Beste und so endete ich fast direkt auf der Nordseite. Nicht nur war es steiler als geplant, sondern da die Seite nach Norden zeigte, war der Schnee absolut hart wie Beton. Ähnlich wie am Tag in Røldal, als ich die Monsas befuhr,
war ich auch an diesem Tag allein unterwegs und diesmal hielten meine Kanten nicht – ich rutschte die Flanke einfach hinunter. Glücklicherweise kam ich kurz darauf zum Stillstand und schaffte es sicher zurück zum Parkplatz, nachdem ich mich durch den Wald nach unten kämpfen musste. Ich war zu diesem Zeitpunkt natürlich überhaupt nicht happy, denn genau diese Situation wollte ich eigentlich vermeiden, als ich Røldal eine Woche zuvor verlassen hatte.
Ich war nun fast am Ende meiner Reise und musste nur noch über einen weiteren Pass, bevor ich Hemsedal, mein letztes Ski-Ziel, erreichte. Auf den am meisten befahrenen Bergpässen in Norwegen gibt es Webcams, über die man die Bedingungen prüfen kann. Der Hemsedal-Pass ist einer davon, und als ich mich dem Fuße näherte, checkte ich online die aktuellen Bedingungen, die mir überhaupt nicht gefielen.
Ein Teil von mir hoffte, dass der Pass gesperrt wäre, weil ich den Anstieg fürchtete, aber als ich all die Autos sah, die hoch- und runterfuhren, wusste ich, dass das nicht der Fall war. Es war ziemlich windig und es gab viele Schneefelder oben auf dem Pass hinunter nach Hemsedal. Mit starkem Verkehr, einer brutalen Steigung und schwierigen Bedingungen wurde mir alles auf einmal abverlangt.
Ich ging in einen örtlichen Supermarkt, packte so viel Schokolade und Snacks ein, wie ich tragen konnte, und machte mich auf den Weg. Es war brutal, aber ich sagte mir einfach, dass ich die Beine in Bewegung halten musste. Irgendwann würde ich den Gipfel schon erreichen. Dies war eine der wenigen Male, in denen ich an mir zweifelte, aber am Ende wurde die Straße flacher und ich konnte mich für ein paar Minuten ausruhen, in dem Wissen, dass der harte Teil geschafft war. Jetzt musste ich nur noch heil nach Hemsedal hinunterkommen.
Während ich nach Hemsedal hinunterfuhr, war die Straße größtenteils mit Schnee bedeckt, und starke Seitenwinde drückten gegen mein Fahrrad. In diesem Moment war ich mehr als nervös als ich mich dafür entschied, die Bremsen loszulassen, das Rad möglichst gerade zu halten und einfach hinunterzurollen. Kurz bevor ich die Stadt erreichte, geriet mein Vorderrad auf den Schotter am Straßenrand, ich verlor das Gleichgewicht und stürzte, was zu einem Platten am Vorderrad führte. Nach einem schnellen Reifenwechsel kam ich endlich in Hemsedal an, wo mich mein Freund Alex mit einem warmen Bett empfing. Genau das, was ich nach einem langen und anstrengenden Tag auf dem Rad dringend brauchte.
Inzwischen war es Mai und ich hatte nur noch einen Skitag vor mir, bevor ich mein Fahrrad wieder Richtung Heimat lenkte. Ich musste nur noch einen Berg mit Schnee finden, den ich befahren konnte. Am Ende entschied ich mich für einen Klassiker in Hemsedal: den Svarthetta. Er schien die beste Option zu sein, und ich entschied mich, über die Ostflanke des Berges abzufahren.
Normalerweise eine Flanke, die aufgrund der Lawinengefahr wirklich stabile Schneeverhältnisse braucht, aber der Schnee war inzwischen so vom warmen Wetter durch weicht, dass es nichts war, worüber ich mir besonders Sorgen machte. Ich lief den gleichen Weg zum Gipfel hinauf, den ich auch abfahren wollte, um mich diesmal nicht zu verirren. Das Wetter war an diesem Tag unvorhersehbar: Schlechte Sicht und ordentlicher Wind empfingen mich, als ich den Gipfel erreichte. Vielleicht nicht das Ende, das ich mir erhofft hatte, aber ich sammelte noch ein paar schöne Abfahrten und war nun fast auf der Zielgeraden.
Der Ski-Teil war geschafft und ich begann entspannt in Richtung Oslo und Heimat zu rollen. Es waren noch zweihundert Kilometer bis nach Hause und es würde der längste Abschnitt auf dem Rad ohne große Zwischenstopps sein, aber es gab keine weiteren Anstiege. Es ging einfach leicht entlang der Hauptstraße Richtung Oslo. Zwei Tage später erreichte ich das Dach von Oslo, den Parkplatz meines Heimat-Skigebiets, wo ich vor etwa 30 Jahren Skifahren gelernt hatte. Es fühlte sich an wie ein passender Abschluss und ein wirklich stolzer Moment, dass ich geschafft hatte, was ich mir 18 Tage zuvor vorgenommen hatte. Es war die Reise meines Lebens und etwas, das mich für immer begleiten wird.