Bergstolz Issue No. 96

Bergstolz Ski & Bike Magazin • 2 | 2021 28 R I DERPROFI LE Alter: 29 Homespot: La Tzoumaz/Verbier Beruf: Alpinistin und Bergführerin Sponsoren: Völkl, Mammut, Julbo, Scarpa Highlights: • 2. Winterbegehung des Walkerpfeilers / Grandes Jorasses in einem Tag, 2019 • Skiexpedition mit dem Segelboot in die Antarktis, 2018 • Erstbegehungen in Alaska & British Columbia in Fels & Eis, 2018 • Erstbesteigung & Befahrung mit Ski des Cerro Gallie, Patagonien • Erstbesteigung Monte Iñaki, 5300m, Kishtwar, 2016 • Erste freie Frauenseilschaft auf den Cerro Torre, 2015 • Onsight-Begehung von Astroman, Yosemite 2015 • Mitglied im ersten DAV Damen-Expeditionskader Media: @caronorthofficial CARO NORTH „Mein Leben ist sicher eines der Extreme“ Foto: Laurent Bruchez Bleibt einem mit diesem Nachnamen eigentlich eine andere Wahl, als hoch hinaus zu wollen? „Das ist wahr- scheinlich so“, lacht Caro North im Interview. Die 29- jährige Profi-Alpinistin wusste schon früh, was sie mal werden wollte: „Auf der Schule wurde ich ausgelacht, wenn ich sagte, dass ich Bergführerin werde. Klingt in Darmstadt wahrscheinlich auch ziemlich verrückt.“ So abwegig für Caro, die in La Tzoumaz in der Nähe von Verbier lebt, dann aber doch wieder nicht: Sie wurde in der Schweiz geboren und stand im zarten Alter von drei Jahren auf Ski. Mit ihren Eltern, selbst begeisterte Out- doormenschen, unternahm sie schon als Kind viele Hüttentouren und landete so beim Klettern: „Meinen Eltern fiel auf, dass mir vor allem Kletterpassagen un- heimlich Spaß machten, da haben sie mich beim Al- penverein angemeldet. Als Jugendliche habe ich an Wettkämpfen teilgenommen, aber für mich war schnell klar, dass ich lieber draußen unterwegs bin“, erinnert sie sich. Auf Bergtouren mit der Jugend- gruppe des AV folgte schon mit 16 ihre erste Expedition – zum Aconcagua in Argentinien. „Es ist vielleicht un- gewöhnlich, aber meine Eltern haben mich voll unter- stützt. Sie mussten ja auch alle Unterlagen für mich unterzeichnen, damit ich überhaupt hin konnte“, er- zählt sie, „Meinen Eltern verdanke ich, dass sie mir das Fenster zum Profi-Bergsport aufgemacht haben.“ Caro war auf den Geschmack gekommen: „Das war für mich echt «Wow!».“ Sie unternahm weitere Expeditio- nen und landete schließlich im Expeditionskader des DAV. „Das war im Nachhinein eine extrem coole Zeit für mich. Wir haben unheimlich viel zusammen unter- nommen und ich konnte vor allem im Eis und Mixed- Gelände sehr dazulernen. Der Expedkader war mein Sprungbrett in den Profi-Alpinismus.“ Ihren Namen in der Szene machte sie sich mit der Besteigung des Cerro Torre 2015: „Wir waren die erste freie Frauen- seilschaft, und es hat drei Anläufe gebraucht. Als wir es dann endlich geschafft haben, war das ein überwäl- tigendes Gefühl.“ Als wären all die erfolgreichen Begehungen und Expe- ditionen nicht genug, hat Caro North ihrem Leben ein weiteres Kapitel Profi-Bergsport hinzugefügt: Sie ist zertifizierter IFMGA Mountain Guide und hat die Berg- führer-Ausbildung in der Schweiz in Mindestdauer ab- solviert – als einzige Frau ihres Jahrgangs. „Zu Beginn waren wir noch mehrere Mädels, aber am Ende war ich die Einzige, die immer alle Module bestanden hatte. Für mich war das nie ein Problem, allein mit 30 Män- nern bei den Ausbildungskursen. Sowohl Ausbildner als auch meine Kollegen haben mich immer gleichbe- handelt, was mir sehr geholfen hat. Trotzdem wäre es manchmal schön gewesen, ein anderes Mädel zum Reden zu haben“, lacht sie. Corona hat 2020 auch ihr, die am liebsten unterwegs und weit weg ist, um „neue Berge, neue Kulturen und Menschen kennenzulernen“, eine Zwangspause ver- ordnet. „Die mir ehrlich gesagt, gutgetan hat. Ich war gezwungen mal ruhiger zu machen und habe mir end- lich auch die Zeit genommen, mich mit mir selbst zu beschäftigen. In den beiden Jahren davor habe ich et- liche Freunde in den Bergen verloren, konnte mich aber nie richtig damit beschäftigen, weil ich ständig unterwegs war“, wird sie ernst. „Aber ich hab auch viel in der Schweiz gemacht. Es gibt hier noch viel zu ent- decken, da gehen mir die Ideen noch nicht so bald aus.“ Wieder fröhliches Lachen. Dass ihre Unternehmungen und ihr Leben vielen ex- trem erscheinen, kann sie nachvollziehen: „Extrem ist ein großes Wort, aber mein Lebensrhythmus unter- scheidet sich schon sehr: Ich bin oft monatelang un- terwegs, erlebe so viel und sammle so viele Eindrücke, und wenn ich nachhause komme, ist da alles immer noch normal, so wie immer. Nach diesen wahnsinnig intensiven Wochen, in denen ich auch meinem Körper alles abverlange, kommt immer auch ein Tief. Denn mein Körper holt sich zurück, was er braucht. Mein Leben ist sicher eines der Extreme, bei mir kommen komplette Hochs auf komplette Tiefs. Aber das suche ich auch, immer in der Mitte bleiben, das bin ich ein- fach nicht.“ Im Gespräch wirkt Caro dennoch stets bodenständig, nahbar und reflektiert – was vielleicht auch an den kleinen Dingen liegt, die sie erzählt: „Das Schönste am Heimkommen ist, Freunde und Familie wieder zu tref- fen. Und meine Mama fragt mich dann auch immer, was ich gerne zu essen haben möchte.“ Nicht anders als bei den meisten anderen Menschen also. Beruflich geht es für die zielstrebige Alpinistin ohnehin hoch genug hinaus: „Es gibt noch so viel, das ich ent- decken möchte. Ich möchte mehr mit dem Segelboot reisen, anstatt zu fliegen, vom Boot aus auf Baffin Is- land und in Grönland zum Klettern. Und ich will unbe- dingt nochmal in die Antarktis, da gibt es noch viel zu tun“, lacht sie. „Ich bin bereit dafür.“ Foto: MDV-Touring-Ma.Fia Foto: MDV-Touring-Ma.Fia

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