Bergstolz Issue No. 96
UR I / / GRAUBÜNDEN Bergstolz Ski & Bike Magazin • 02 | 2021 19 Im warmen Winterraum wuchs der Kuhnagel und der abgefrorene Hintern taute in der temperierten Indoor-Toilette wieder auf. Wärme und fließend Wasser – was für ein Luxus! Wir teilten ihn mit nur wenigen anderen Tourengehern, mit denen wir schließlich einen großen Topf Pasta auf dem schwer einzuheizenden Ofen kochten. Nach dem reichlichen Essen wurde es unanständig:Wir brachten Tof «Arschlöcheln» bei. Die Karten waren schnell gelegt, gespielt wurde unter den Jungs um die zweite Hälfte meines Biers. 21 Uhr: Nachtruhe, unterbrochen durch eine Bettrochade als Flucht vor Schnarchern. 6 Uhr 30: Draußen windet es in der Dunkelheit, drinnen dampft der Porridge. Ein mo- tiviertes «We go or we what?!» mit französischem Akzent trieb uns in die Kälte, wo uns ein wunderschöner Sonnenaufgang überraschte. In 45 Minuten erreichten wir wieder den Leckipass, wo wir uns von Remo verabschiedeten. Er wollte uns vom Tal- boden aus mit der Drohne filmen. Die Lawinensituation schien günstig genug und wir stiegen über die sichere Variante über die geplante Route auf. Oben angekommen war die Enttäuschung groß: Der Wind hatte zu viel Triebschnee ins Couloir geblasen, statt der gescoutete Abfahrtsroute im bekannten Nordostcouloir entschieden wir uns für die Rinne direkt vom Gipfel aus nach Norden. Tof hatte mir vor einigen Tagen schon einen Screenshot davon gezeigt, diesmal sahen die Bedingungen vielverspre- chend und sicher aus. Zumindest während dem «Petit Rappel». In wenigen Minuten hatten die Jungs einen Felsen gefunden, dessen scharfe Kanten sie mit einem Stein abflachten, um mit einer Schlinge einen Ankerpunkt einzurichten. Mit den Ski schon an den Füßen gelang das Abseilen problemlos. Nur war das Seil 20 Meter zu kurz, was uns dazu zwang, seit- wärts über Eis und Fels zu steigen, mit dem Pickel in der Hand… Dann aber so ein Sahnehäubchen! Tof ließ als erster den Schnee stieben und stach mit viel Speed und kraftvollen Turns ins 45-55 Grad steile Couloir. Jetzt war die Reihe an mir. Nach den ersten Schwüngen ergriff mich plötzlich aus dem Hinterhalt mein Sluff und erinnerte mich daran, meine Line vorsichtig zu wählen und notfalls dem Sluff den Vortritt zu lassen. Andri und Finn folgten als zweites Team und als wir dann alle beim halb tiefgefrorenen Remo angekommen waren, waren wir uns einig: Beine bren- nen, Sicht und Schnee waren herausfordernd, aber was für ein Erlebnis!
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