Bergstolz Issue No. 96

UR I / / GRAUBÜNDEN 17 Bergstolz Ski & Bike Magazin • 02 | 2021 Moinsa // Winter 2019/20: Es sollte der beste Winter ever werden, dessen waren wir uns sicher. Im Februar waren die Prüfungen durch und dann stand nur noch Skifahren und Filmen auf dem Plan. Ideen für die Storyline unseres ersten Skifilmes „Moinsa“ entstanden bei den Uphills auf Mountainbike-Touren genug, jetzt fehlte nur noch der Schnee. Als wir die Story festlegten, konnten wir nicht ahnen, wie aktuell das Thema werden würde: Der Film sollte die Vorteile des Skifahrens in unserem Home Resort Disentis hervorheben und zeigen, warum man nicht un- bedingt weit reisen muss. Wir wollten auf SAC Hütten gehen und Locals interviewen. Im Februar kam dann wenig Schnee in 15-Zentimeter-Schüben mit Wind, sodass Couloirs in Liftnähe die beste Wahl für den ersten Filmtag waren. Erste Aufnahmen im Kasten – Crew happy. Danach warteten wir sehnsüchtig auf den nächsten Schnee- fall, da für Cliffs die Take-offs noch zu sharky waren. Dieser kam und mit ihm die Probleme: Am zweiten Filmtag vergaß ich aus lauter Aufregung, meine Jackentasche zu schließen, in der ich Remos Funkgerät verstaut hatte. Erstes Cliff, erste Landung, Funk weg – und ich verbrachte den Rest des Mor- gens damit, mit dem zweiten Funk klingelnd meine Spur abzulaufen, bis ich das verlorene wiederfand. Als wir uns am dritten Filmtag am Morgen auf dem Bergbahn- parkplatz trafen, musste Remo abbrechen, da er aufgrund eines Sturzes in den letzten Tagen nicht in die Skischuhe kam. Es folgten weitere, vergebliche Versuche, weil immer irgendwer krank war. Und schließlich dann im März der Lockdown wegen Covid. Die Skigebiete waren zu, große Lines waren nicht mehr möglich, um kein Risiko auf sich zu nehmen und die Spitäler unnötig zu belasten. Auch die SAC Hütten waren ge- schlossen und treffen - z.B. für Interviews - konnte man niemanden mehr. Wir ließen uns trotzdem nicht unterkriegen und unternahmen zumindest ein paar flache Soul- Riding-Skitouren. Nach einigem Hin und Her entschieden wir uns dafür, aus dem Ma- terial, das wir bereits hatten, etwas zu schneiden und trafen uns für eine letzte Skitour auf den Pizzo del Uomo. Dann war Sommer, irgendwann wurde es Herbst. Wir hatten einige Filmsequenzen im Kasten und waren zufrieden mit dem Ergebnis. Allerdings hatten wir bei Weitem nicht alle geplanten Spots besucht, und von unserer Story war nicht mehr als ein Gerüst übriggeblieben. Mit dem Eintreffen des ersten Schnees des neuen Winters hatten wir zunehmend das Gefühl, dass wir noch nicht fertig waren mit unserem Home Resort Projekt. Und irgendwann war auch klar, dass wir es auf der Rotondohütte fortsetzen würden. Rotondo – We go or we what? Wie die meisten guten Ideen entstand auch die Idee zu diesemTrip amAbend während eines Biers.Wir wollten steile Couloirs mit hoffentlich gutem Schnee finden. Nach ge- nügend Hopfensirup, Stunden auf Fatmap, einem Screenshot des Stotzig Muttenhorns im Rotondogebiet und mit Insiderinfos von Tof Henry, der Big Mountain Legende aus Chamonix, der an diesemTag in der Region um Realp auf Scouting-Mission war, fühl- ten wir uns bereit. Eine bewährte und gut ausgerüstete Gruppe fuhr also am nächsten Morgen mit dem ersten Zug nach Realp und stieg zur Rotondohütte auf. Um für alle möglichen Vorhaben unseres ambitionierten Franzosen gerüstet zu sein, befanden sich in unserem Rucksack neben drei Pack Spaghetti auch Klettergurt, Pickel, Steigeisen etc. Schaut man sich seine Instagram Videos an, musste man ganz klar mit einem «Petit Rappel», einem Abseilmanöver, rechnen. Die 1.000 Höhenmeter hoch zur Hütte führen über ein angenehm flach ansteigendes Tal entlang derWitenwasserenreuss. Nach 2,5 Stunden erreichten wir denWinterraum und feuerten den alten Holzofen ein, um die erste Portion Spaghetti zu Mittag zu ko- chen. Das schwere Gepäck spürten wir alle in den Beinen und freuten uns auf die Ex- trakalorien. Sogar Finn, der momentan in Topform ist, war froh, kurz abzusitzen. Ungewöhnlich für das Energiebündel aus Deutschland, bis er zu unserem Erstaunen fünf große Bier aus dem Rucksack zauberte.Weniger Kleider, mehr Bier – diese Prio- ritätensetzung feierten wir. Bald zeigte sich jedoch, dass auch an Snacks und Essen gespart wurde, weshalb zu Mittag gesalzene Spaghetti ohne Sauce serviert wurden. Schließlich sicherten wir uns im Winterraum noch die oberen Betten (Hitze steigt ja bekanntlich auf) nahe beim Ofen, und waren bereit zum Aufbruch. Bei starkemWind und eisigen Temperaturen gings am späteren Nachmittag zu einer ersten Erkundungstour. Wir wollten einen Blick auf unsere ins Auge gefassten Line werfen. Nach ein bisschen mehr als 300hm erreichten wir den Leckipass, von dem aus sich der Blick auf das Stotzig Muttenhorn mit seinen 3.061 Metern eröffnete. Andri jauchzte, als er als Erster auf dem Pass ankam. Dies ließ uns weiter hinten Lau- fende erahnen, dass die Bedingungen im geplanten Face für das morgige Abenteuer vielversprechend aussahen. Nach einigen Fotos der Line, gefrorenen Fingern und Be- sprechung der Lawinensituation machten wir uns auf den Rückweg zur Hütte.

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