Bergstolz Issue No. 95

38 K O S O V O Bergstolz Ski & Bike Magazin • 12 | 2020 Zehn Tage auf die gute alte Zeit Here we are. Brezovice Skicenter, Kosovo, Februar 2020. Verkatert. Übernächtigt. Zurück im Leben von vor zehn Jahren. Wir fühlen uns großartig. Von #livinglegends ist die Rede. „Vier Bier bitte!“ „Four Euros, please.“ „Ok dann nochmal acht!“ Vier Ü-30er berauscht auf dem besten Weg zurück in die Vergangenheit. Ski- und Snowboardfilmprojekte hatten wir produziert. Japan, Indien, Kirgistan, Tajikistan, Rockies, Alaska…. vor fast zehn Jahren lebten wir einen Traum. Und heute? Chris „Fu“ Fuschlberger, Marketing Typ in Festanstellung, glücklich vergeben an seine Oktoberfestliebe 2017. Timo Mössner, freiberuflicher Kameramann, immerhin noch mit Ras- tapracht, daheim denkt Freundin samt Kind nix Böses. Hans Fleckl, hat den Bauernhof seiner Eltern übernommen, Kind und Freundin haben ihm mürrisch zehn Tage freigegeben. Bene Höflinger, Touris- mus PR-Manager. Frau Höflinger hat ihren Mann von vor zehn Jahren nie kennengelernt ¬– was vielleicht kein Nachteil ist. Zehn Tage hatten wir bekommen. Zehn Tage auf die gute alte Zeit. Wie damals wollten wir unterwegs sein, als wir kein Geld hatten, aber jede Menge Träume und die fixe Überzeugung, einmal vom Skifahren und Snowboarden leben zu können. Ein Bier geht noch. Auf uns! Danach schauen wir wo wir pennen – zur Not im Van, geht schon! Doch der nette Kosovar neben uns an der Bar weiß wo wir schlafen können – Fis heißt er und soll der beste Free- rider im Kosovo sein. Der passt zu uns. Eine Insel des Friedens auf den Betonruinen Ex Jugoslawiens Schon eine geschlagene Stunde warteten wir auf Fis. Treffpunkt war in der Bar von Dane Freeride, dort, wo wir uns auch kennengelernt hatten. Fis will uns das Freeride-Terrain abseits der zwei klapprigen Sowjet-Sessellifte zeigen. Brezovica ist gewissermaßen ein Retorten-Skiort. Betonburgen, wenig Flair, alles auf einen Zweck ausgerichtet: Skifahren direkt vor der Ho- teltür. Das Skizentrum wurde als schneesicheres Backup für die alpinen Bewerbe der Olympischen Spiele 1984 in Sarajewo errichtet, jedoch nie benötigt. Es folgte die Spaltung Jugoslawiens und wütende Koso- vokriege.Während der Konflikte rosteten die Skilifte im Sharr Gebirge friedlich vor sich hin – hier oben war nie Krieg, sagten sie uns. Vor ein paar Jahren dann beschloss ein serbisches Konsortium, zwei der ehemals drei Sesselliften wieder in Betrieb zu nehmen. Die Frage, wem die ehemals jugoslawischen Lifte heute tatsächlich gehören, konnte uns vor Ort aber niemand beantworten. Der Kosovo ist heute ein von den meisten Staaten anerkanntes, unabhängiges Land. Trotz- dem haben wir vor Ort keinen einzigen Menschen getroffen, der sich offiziell als Kosovar bezeichnet. Es wird entweder der Anschluss ans muslimische Albanien oder ans christlich orthodoxe Serbien gefordert. Und doch wirkt es so, als würde der Kosovo hier oben in Brezovica, auf über 1.700 Meter Seehöhe, tatsächlich existieren. Serben und Al- baner arbeiten (teilweise dubios) zusammen, Kinder spielen im Schnee,

RkJQdWJsaXNoZXIy Mzk0ODY=