Bergstolz Issue No. 89

treffen wir unseren Guide Samuel zur Lagebesprechung, auch Fotograf Martin kommt dazu. Seinen ursprünglichen Plan für heute hat Samuel schon längst umgeworfen, wir packen unser Zeug und nehmen fürs erste den „easy way up“: Ifenbahn nach oben. Wir steigen kurz rauf aufs Hahnenköpfle, doch die Befürchtungen bestätigen sich: Das Panorama lässt sich nicht einmal erahnen. So führt uns unser erster Run in sehr schön kupiertes, gemäßigtes Gelände auf den Gottesacker. „Der Sage nach war die Steinwüste, die jetzt vom Schnee be- deckt ist, früher eine blühende Alm. Eines Tages kam ein Bettler auf die Alm und bat um etwas Käse, wurde aber mit Hohn und Spott weggeschickt“, erzählt Elmar enthusiastisch die alte Geschichte. „Da verfluchte der Bettler die Alm, und die Naturgewalten wüteten so lange, bis nur noch diese Steinwüste übrigblieb.“ Ganz so ungefährlich, wie es auf den ersten Blick scheint, ist das Gottesackerplateau aber dann doch nicht: „Gottesacker bedeutet schließlich Friedhof. Und es ist noch nicht so lange her, da konnten ein Skilehrer und seine Kundin nur deshalb unverletzt aus einer Lawine geborgen werden, weil zufällig gerade eine Gruppe professioneller Bergretter bei einer Übung hier waren.“ Wir genießen jedenfalls die Fahrt über Gottesacker, Schneiderküren und Schmalzboden hi- nunter nach Hirschegg. Genau das richtige zum Einfahren.Wir nehmen den Bus nachWäldle, von dort Parsenn- und Heuberglift, und ab hier unsere Felle, um auf das Walmendingerhorn aufzusteigen. Ich danke innerlich dem Schicksal, Elmar und meinem Glück, dass Samuel die Spur legt und genau weiß, wo er hinmuss. Zwischenzeitlich gehen einfach jeglicher Kontrast und Anhaltspunkt verloren, unser kleiner Trupp zieht im Gänsemarsch durch das Weiß nach oben. Viel erkennen lässt sich gerade nicht. Besser wird es erst, als wir schon fast an unserem Ziel angekommen sind. Und nach Samuels Ansage, dass wir auf der anderen Kammseite abfahren werden und einem Blick über den Grat bessert sich meine Laune innerhalb einer Millisekunde: Toller Hang, mehr Sicht, offen- sichtlich guter Schnee – das wird spaßig! Nach einer kleinen Gipfelrast – Jausen muss schließlich sein – kommt der beste Teil des Tages: Wir fahren in schönstem Pulverschnee über die Litzescharte ab und beenden unseren Tag bei einem Feierabendbier in der Laubela – schließlich endet der Run genau an der Auenhütte. „Für morgen schaut der Wetterbericht vielversprechend aus, also nicht zu lange sitzen bleiben heute Abend!“ ermahnt uns Samuel lachend, bevor er sich auf den Heimweg macht. Und tatsächlich: Was für ein Kontrast! Der nächste Morgen begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein, und so beeilen wir uns, schnellstmöglich wieder in der Ifenbahn nach oben zu sitzen, um unsere Tour rund um den Ifen in Angriff zu nehmen. Endlich können wir auch am Hahnenköpfle Panorama satt genießen, bevor wir in die Bindung klacken. LVS-Check und los geht’s in die Querung zum Hirschgraben: „Hier solltet Ihr besser nicht runterfallen“, kommentiert Samuel trocken und erklärt uns, wo wir einfahren sollen. Einer nach dem an- deren setzen wir unsere Schwünge rein. Während der Schnee zu Beginn noch etwas tricky ist, warten nach den ersten Metern feinste Powderturns auf uns, und als die Rinne schließlich in einen weiten Hang übergeht, gibt’s für uns kein Halten mehr. Mit breitestem Grinsen jagen wir durch den glitzernden Pulver. Lachend und plappernd fallen wir im Jagdgasthaus Egender ein, um bei einer kleinen Stärkung auf unseren Shuttle nach Warth zu warten. Gegenüber der Jägeralpe adjustieren wir uns zum finalen Aufstieg mit Sonne im Rücken in Richtung des großen Widdersteins. Den werden wir zwar nicht erklimmen, beeindruckend thront er dennoch über uns. Schön, dass niemand den Speedtourengeher in sich rauslässt, sondern im Gegenteil, die ganze Gruppe sichtlich den Blick in die umliegenden Bergland- schaften genießt.Wir unterhalten uns und erfreuen uns des Augenblicks. Unterhalb des Gip- felanstiegs machen wir uns gut gelaunt fertig für das Highlight der beiden Tage: Die Abfahrt durch Konrader Loch und Gemsteltal zurück ins Kleinwalsertal. „Die Tour haben in den letzten Tagen sicher nicht viele gemacht, da warten noch jede Menge unverspurter Lines auf uns“, verspricht Samuel - und sollte Recht behalten. Die Lichtstimmung ist phänomenal, Licht- Schattengrenzen messerscharf und der Schnee eine Wucht. Vollkommen stoked sitze ich im Bus zurück zur Auenhütte und kann nicht anders, als zu überlegen, ob ich nicht noch zwei Tage dranhängen könnte. Kann ich leider nicht. Aber ich fasse den festen Entschluss, im kommendenWinter wieder zu kommen. Denn das Kleinwal- sertal hat mit seinen vielen Facetten – der Verbindung von Tradition und Moderne, der un- prätentiösen Herzlichkeit und nicht zuletzt dem vielseitigen Skitour- und Freeridegelände - mein Skifahrerherz im Sturm erobert. Die Atempause, die ich gesucht hatte, hat mir das Kleinwalsertal gegönnt. Könnte ich durchaus wieder mal brauchen… // ANREISE : Mit dem Auto von München ca. 2,5 Stunden: A96 und B12 bis Kempten – B19 nach Oberstdorf – B201 Walser- straße ins Kleinwalsertal Mit den Öffis von München ca. 3,25 Stunden: DB von München nach Oberstdorf – per Bus ins Kleinwalsertal Die Busbenutzung ist mit Gästekarte und Allgäu-Walser- Card im gesamten Tal kostenlos! Der Walserbus verkehrt auf fünf Linien zwischen Oberstdorf und dem Ifen. // UNTERKU ̈ NFTE / ESSEN Kleinwalsertal Tourismus eGen info@kleinwalsertal.com www.kleinwalsertal.at Auenhütte & Laubela Tanja & Christoph Bantel www.auenhuette.at Sonna Alp / Zafernalift Familie Riezler www.sonna-alp.at Jagdgasthaus Egender Mariette & Hubert Egender www.jagdgasthaus-egender.at // GUIDES Samuel Riezler info@skigott.at www.skigott.at Bergschule Kleinwalsertal info@bergschule.at www.bergschule.at 44 KLEINWALSERTAL Bergstolz Ski & Bike Magazin • 01 | 2020 [INFOBOX] KLEINWALSERTAL ÖSTERREICH INNSBRUCK WIEN

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