Bergstolz Issue No. 73
Seite 56 | BERGSTOLZ Ski Magazin JANUAR 2018 EQUIPMENT Ser v i ce R ü c k e n p r o t e k t o r e n Auch bei der Freeride World Tour gehören Rückenprotek- toren mittlerweile zur obligatorischen Ausrüstung. „Beim Protektor-Rucksack besteht die Gefahr, dass er beim Sturz nicht am Rücken bleibt oder verrutscht und da- durch nur bedingt schützt“, erklärt Jörg Tichy, Head of Marketing bei Komperdell, einem der weltweit führenden Protektorenhersteller im Skibereich. „Aus unserer Sicht gehört der Rückenprotektor einfach dazu. Er dient dem Schutz des Oberkörpers und hier vor allem der Wirbel- säule bei dynamischen Sturzverläufen, wie sie beim Ski- fahren vorkommen.“ Generell gibt es zwei Arten von Rückenprotektoren: Hart- schalen- und Softprotektoren. Bei Hartschalenprotektoren können die verwendeten harten Kunststoffplatten die Auf- prallenergie eher schlecht verteilen und nur wenig dämpfen. Diese Protektoren schützen eher vor dem Durchbohren durch scharfe Kanten oder spitze Gegenstände. ImGegensatz dazu wirken Softprotektoren mit ihren weichen Schaummaterialien wie ein Kissen: Sie dämpfen die Aufprallkräfte nach Stürzen oder Kollisionen und verteilen diese großflächig. So wird die Aufprallenergie drastisch reduziert und die Wirbelsäule ge- schützt. Softprotektoren besitzen außerdem den Vorteil der Mehrschlagfähigkeit. Das bedeutet, dass das Material bei einem Aufprall nachgibt, sich verdichtet und die Aufprallener- gie aufnimmt, nach dem Sturz aber sofort in die Ursprungs- form zurückkehrt. So ist ein solcher Rückenprotektor sofort wieder einsatzfähig, während ein Protektor aus Polysterol oder ähnlichem Material ausgetauscht werden muss. Selbstverständlich gibt es Normen, nach denen Rückenpro- tektoren zertifiziert sein sollten. Hier ist das strengste und gängigste Prüfzeichen die EN 1621-2 Motorrad-Zertifizierung. Beim strengeren Schutzlevel 2 darf die Restkraft, also die Kraft, die nach der Dämpfung durch den Protektor überbleibt, nicht mehr als 24kN betragen. Die Top-Werte liegen bei Spit- zenprodukten heutzutage sogar schon unter 5kN. Damit ein Rückenprotektor optimal schützt, muss er natürlich auch perfekt sitzen. Aus diesem Grund werden Protektoren und Protektorwesten in unterschiedlichen Größen angeboten. So gibt es beim schwedischen Spezialisten für Schutzaus- rüstung POC sämtliche Rückenprotektoren in drei verschie- denen Größen. Die Konfektionsgröße dient hier zwar als Anhaltspunkt, muss aber nicht mit der benötigten Rücken- länge übereinstimmen. Oder anders gesagt: Probieren geht über Studieren. Wichtig ist, dass die ganze Wirbelsäule – von den Halswirbeln bis zum Steißbein – geschützt und auch die komplette Breite des Rückens abgedeckt wird. Für bestmög- lichen Schutz ist eine durchgängige Schutzfläche deshalb ebenfalls entscheidend: Bei großen Krafteinwirkungen könn- ten Unterbrechungen als Schwachstelle fungieren und die Wirbelsäule dort massiv schädigen. Analog zum Helm nützt aber natürlich auch der beste Protek- tor nichts, wenn man ihn nicht trägt oder dieser nicht passt. „Passform und Tragekomfort sind entscheidende Kriterien beim Protektor-Kauf“, führt Tichy aus. „Protektoren sollen eng anliegen, aber dürfen nicht einschneiden und die Beweglich- keit nicht einschränken.“ Bei Stürzen mit Rotationskräften wie beim Skifahren dürfen sie außerdem auf keinen Fall verrut- schen. Aus diesem Grund macht es auch Sinn, sich die un- terschiedlichen Herren, Damen und Kindermodelle anzusehen, um das bestsitzende zu finden. Integrierte Nie- rengurte verbessern zusätzlich den Sitz und schützen eben- falls vor dem Verrutschen des Protektors. Hinsichtlich Tragekomfort kommt auch der Atmungsaktivität des Protektors eine große Rolle zu. Beim österreichischen Hersteller Komperdell sorgt ein Mehrlagenaufbau mit inte- grierten Flex Zonen für verbesserte Ventilation, Flexibilität und Bewegungsfreiheit. Bei POC kommt das Spine VPD System zum Einsatz. Die patentierte VPD-Technologie passt sich durch Körperwärme und die weiterentwickelte Hexagon- Struktur an die Rückenkontur an. „So ergibt sich für den Trä- ger die größtmögliche Bewegungsfreiheit bei unveränderter Schutzwirkung“, schildert Björn Seitner, Marketing POC Aus- tria. „Dank Kevlar halten die Protektoren auch schweren Stür- zen stand und sind dabei extrem leicht.“ Der italienische Produzent Dainese setzt auf seine Flexagon-Technologie. Dabei liegen mehrere Lagen Crash Absorb Memory Foam, die gegeneinander beweglich sind, übereinander und folgen der Körperform. Die sechseckigen Softpads bieten maximale Bewegungsfreiheit und Komfort. Auch in Sachen Passform gehen die Italiener neue Wege: neu im Sortiment ist das Trail- knit Back Protector Shirt, bei dem in ein Baselayer direkt ein abnehmbarer Flexagon Lite-Rückenprotektor integriert wurde. Ein gut sitzender Rückenprotektor sollte jedem Skifahrer und Freerider das Geld Wert sein – schon in Hinblick auf die mög- lichen Konsequenzen eines Sturzes. Welches Modell indivi- duell am besten passt, findet man am besten beim Anprobieren heraus. Die fachkundige Beratung dazu be- kommt man – welch Überraschung – kaum online, aber fast immer im Fachhandel. www.komperdell.com www.pocsports.com www.dainese.com Einen Helm tragen mittlerweile fast alle Skifahrer, egal ob zur Pistengaudi oder beim Freeriden. Schaufel, Sonde, Pieps und Airbag-Rucksack gehören zur Freeride-Standardausrüstung. Aber ein Rückenprotektor? Was bei vielen Sport- arten equipmenttechnisch ein No-Brainer ist, hat sich im Skifahren – außer im Wettkampfsport – noch nicht richtig durchgesetzt. Dabei hätten wir allen Grund, unsere Wirbelsäule entsprechend zu schützen: Wirbelsäulen und Brustverletzungen gehörten laut Analyse Berg des österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit im Winter 2015/16 mit knapp 14,2% zu den am häufigsten auftretenden Verletzungsmustern. Und angesichts der gravierenden Folgen einer Rücken- marksverletzung sollte der Protektor eigentlich zur Standardausrüstung gehören.
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