Bergstolz Issue No. 73

Seite 48 | BERGSTOLZ Ski Magazin JANUAR 2018 CIMA eigentlich mehr als Kopfsache dienen mussten. Ich weiß wirklich nicht mehr wie viele Schritte es waren, aber im letzten Drittel des Aufstiegs haben mir dann schon ganz gut die Oberschenkel gebrannt. Selbstverständlich habe ich mir davon aber nichts anmerken lassen! Ich glaube aber, dass es den anderen ziemlich ähnlich ging. Die letzten 100 Höhenmeter haben sich dann richtig gezogen, die Rinne schien kein Ende nehmen zu wollen. Noch dazu waren hier dann die Verhältnisse ein Bisschen schwieriger: zuerst eingeblasen, danach eisig. Ungefähr drei Stunden später sind wir dann endlich oben angekommen. Auf dem Plateau hatte es gefühlt 15 Grad Plus, deswegen gönnten wir uns zuerst einmal ein kleines Gipfelschnapserl – schließlich sollte sich ja niemand ver- kühlen! Im Übrigen stellte sich unsere Temperaturschätzung als absolut rea- listisch heraus. Und da der Wind ordentlich über die Rinne hochgeblasen hat, zögerten Claus und unser zweiter Paragleiter im Bund nicht lange, zogen ihre Schirme in die Luft und starteten in die Rinne rein. Weg waren sie! In diesem Moment wusste ich gerade wirklich nicht was mir mehr Angst machte: in die Rinne mit dem Schirm rein zu starten oder dann mit den Skiern abzufahren... Wir wären dann bereit gewesen, allerdings hatten Max und ich die Anweisung bekommen, noch weitere drei Stunden Zeit am Gipfel tot zu schlagen. Wir mussten auf das beste Licht warten (das angeblich um 13:15 Uhr herrschen sollte) und waren demnach natürlich viel zu früh oben gewesen. Na gut, schließlich hatten wir Michi ja auch nicht vorgewarnt, was ihn erwarten würde…Also saßen wir beide herum, haben einen Haufen Blödsinn geredet und sind immer müder geworden. Die warmen Temperaturen haben ihr Übri- ges dazu beigetragen, dass sich unsere Motivation nicht unbedingt steigerte. Aber schließlich kam dann – beinahe schon überraschend – der Funkspruch, dass wir uns fertigmachen sollten. In Kürze sollte es losgehen. Ich war gerade eingeschlafen und ziemlich am Sand. „Was solls“, dachte ich mir, „schnell runter und dann haben wir es hinter uns.“ Gaaanz so schnell ging es dann allerdings doch nicht: Wir warteten nochmal über eine halbe Stunde bevor wir dann endlich das Go! bekamen. Meine ersten Schwünge fühlten sich an, als hätte ich die Felle noch am Ski, inklusive Harscheisen und den Skischuh schon im im Après-Ski-Modus. Puu- uhh…Noch dazu war es an der Einfahrt ziemlich sketchy mit dem von Steinen durchsetzten Bruchharsch. Stürzen als Option schied ja generell schon von Vornherein aus. Trotzdem gehen einem schon die einen oder anderen Gedan- ken durch den Kopf, wie das denn jetzt wohl so wäre, würde man bei den ers- ten Schwüngen den Ski verlieren oder stürzen… Mir persönlich genügt ja mein Absturz vor acht Jahren vollkommen, ich hab keinerlei Bedürfnis, das zu wiederholen. Ich stürzte die Pallavicini-Rinne am Großglockner 400 Meter ab und legte am Ende noch 50 Meter freien Fall oben drauf. Ein zweites Mal überlebt man so etwas wohl eher nicht, von dem her also kein Wiederholungsbedarf von meiner Seite aus… Ich fahre also die ersten 30 Meter in die Rinne ein, bevor sie steil reinrollt und sich vor mir ausbreitet: Mehr als 1.000 Meter liegen vor mir. Wieder wird mir bewusst, was das Besondere und Extreme am Canalone Neri ist: Nicht unbe- dingt die Steilheit von 50°, sondern die Felswände, die sich mehrere hundert Meter hoch erheben und wegen des unglaublichen Tiefblicks. Hier rutscht dir das Herz in die Hose! Nach circa 80 Metern bleibe ich unter einem Felsen stehen und erzähle Max über Funk, dass es in unseren drei Stunden Wartezeit 25 Zentimeter Powder reingeweht hat und er richtig Gas geben kann. Not. Natürlich hat er gewusst was ihn erwartet und sein Reisetempo entsprechend gewählt. So solide wie er auf dem Ski steht sah man ihm überhaupt nicht an, dass auch er ein bisschen die Hosen voll hatte – das hat er erst nachher zugeben müssen. Ohne einen gewissen Respekt hätte man aber auf solchen Unternehmungen nichts verloren. Knapp über der Hälfte haben Max und ich uns dann dazu ent- schieden, zusammen zu fahren. Einerseits erlaubt es die Breite der Rinne dort und andererseits waren wir uns bezüglich Lawinenrisiko einig, dass die Gefahr gering sein würde. Dennoch ist das auf keinen Fall ohne, denn der Sluff vom Hintermann kann einem schon die Füße unten ausziehen und dann ist ein Sturz vorprogrammiert. Die Rinne durchzufahren ist uns nicht gelungen, wir mussten im untersten Drittel einfach stehen bleiben, so sehr haben uns die Oberschenkel gebrannt. Der Aufstieg steckte uns ja schon in den Beinen, die Anspannung und Nervo- sität bei der Abfahrt kommen hinzu – ohne Pause wäre da nichts mehr ge- gangen. Außerdem – auch wir stehen da nicht ganz so easy am Ski wie in einem 40° Powderhang. Foto: Midiafilm Foto: Midiafilm Foto: Max Kroneck Foto: Max Kroneck

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