Bergstolz Issue No. 73

TOSA BERGSTOLZ Ski Magazin JANUAR 2018 | Seite 47 Es war der 29. März 2017 im Winterraum des Rifugio Ai Brentei, als um 6:00 Uhr der Wecker klingelte und eigentlich niemand wirklich Bock hatte, aus dem warmen Schlafsack raus zu kom- men und Frühstück zu machen. Das einzige Geräusch das man hörte war die Hüttenmaus, die sich freute, endlich wieder mal a „gscheide Jausn“ zu kriegen…Wir waren noch alle drei etwas müde vom Zustieg des Vortages, der doch um einiges länger gedauert hatte als gedacht: schließ- lich galt es zusätzlich zu der ganzen Ski Ausrüstung auch noch das ziemlich schwere Kamera Equipment zu schleppen. Von den restlichen Utensilien wie Schlafsäcken, Schuhen, Gaskocher, Eisausrüstung oder Zillertaler Weissbier gar nicht zu sprechen.Was genau uns erwartete, wussten wir eigentlich nicht, da es keine aktuellen Bilder und Infos gab. Unsere einzige Informationsquelle war ein Instagram-Video aus dem wir schlussfolgerten, dass in der Brenta-Gruppe ganz gute Bedingungen herrschen könnten. Die Jahre vorher hatte ich mit Claus Eberharter, einem Zillertaler Kollegen von mir, einige klassische Steilwände erzwungen bzw. befahren und das auch nur, weil der Schnee erst so spät in der Saison gekommen ist, dass wir eben andere Sachen ausprobierten: eben Wildspitz Nordwand, Brochkogel und im Frühjahr bzw. im Frühsommer am 15. Juni die Hochfeiler Nordwand. Dadurch kamen wir auf die Idee, auch andere Steilwände und Rinnen zu befahren und schließlich stießen wir so auf Bilder vom Canalone Neri in Madonna di Campiglio. Da ich allerdings mit Filmprojekten ziemlich eingedeckt war und für eine solche Unternehmung auch die Bedingungen passen müssen, wussten wir nicht wirklich, wie wir das angehen sollten. So ver- schoben wir das Projekt ein ums andere Mal. Bis mich Claus im vergangenen Frühjahr dann angerufen und mir mitgeteilt hat, dass er genau diese Abfahrt in zwei Tagen machen würde, da er das besagte Instagram-Video eines Locals gesehen hätte. Der war offensichtlich in der Nähe und die Bedingungen richtig super. Allerdings – und das war der Haken an der Sache - meinte er auch, dass er zwar mit mir raufgehen, aber bergab lieber den Luftweg nehmen werde: Mit dem Paragleiter. Das traf nicht unbedingt meine Vorstellungen der Canalone Neri-Befahrung: einerseits kann ich nicht paragleiten und andererseits wollte ich diese Rinne auch nicht unbedingt ganz alleine runter fahren… Etwas Bedenkzeit und ein Telefonat später konnte ich zusagen: Max Kroneck, der die Rinne ebenfalls schon immer mal fahren wollte, war mit an Bord. Nach einem weiteren Telefonat hatten wir auch unseren Filmer Michael Bernshausen von Midiafilm davon überzeugen können, dass es schon ziemlich coole Aufnahmen werden könnten und er deshalb ebenfalls mit nach Madonna di Campiglio fahren würde. Wir haben ihm vorsichtshalber natürlich nicht genau gesagt, wie weit es bis zum Canalone Neri ist – wir befürchteten, er würde es sich dann nochmal anders überlegen. Diese Annahme war im Nachhinein betrachtet übrigens vollkommen richtig: Er hat irgendwann gemeint, dass das wohl seine anspruchsvollste Tour jemals gewesen war und er die Strapazen sicher nicht auf sich genommen hätte, wenn er das im Vorhinein gewusst hätte. Das ganze Kamera Equipment da hochkriegen, ist natürlich nicht so ohne - wobei das hauptsächlich Max und ich getragen haben (sorry Michi, das musste hier einfach verraten werden!) 6:00 Uhr morgens also. Als wir uns widerwillig aus unseren Schlafsäcken schälen, ist vom Canalone Neri schon einiges zu sehen: Sie erhebt sich direkt gegenüber von uns. Am Vorabend war es schon zu dunkel gewesen, um Genaueres zu erkennen. Wie vermutet war die Eisnase fast zur Gänze ver- schwunden und zum Teil auch mit Schnee bedeckt. Wir schienen Glück zu haben: in der Rinne hatte es anscheinend recht guten Schnee. Beim Zustieg waren wir noch nicht richtig überzeugt gewesen, bis knapp 200 Höhenmeter unter dem Einstieg lag kein Schnee. Zusätzlich hatte es in den Tagen zuvor ziemlich weit hinauf geregnet. Das Couloir aber lag hoch genug, und so hatte es während der vergangenen Tage glücklicherweise doch richtigen Schnee abbekommen. Aufbruch. Mit den Skiern steigen wir soweit es nur irgendwie geht in Spitzkehren auf. Schon dort werden uns die Ausmaße dieser Rinne bewusst und mit jedem weiteren Schritt, den wir mit den mitt- lerweile angezogenen Steigeisen machen, noch viel mehr. Ich bin noch nie zuvor 900 Höhenmeter am Stück senkrecht nach oben gestapft. Dementsprechend groß war mein Respekt. Das Gute war, dass es wirklich recht gut zum Stapfen ging und die Eisgeräte Foto: Midiafilm

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