Bergstolz Issue No. 110

24 ICELAND Bergstolz Ski & Bike Magazin • 08 | 2022 wir ihm näher kommen, als machbarer herausstellt. Und ist das da hinten im Fjord nicht ein Wal? Nach drei Stunden und 1200 Höhenmetern haben wir den Gipfel erreicht. Hier beginnt des Vergnügens zweiter Teil. Schon beimAufstieg haben wir uns eine Abfahrt ausgesucht und uns die entscheidenden Landmarken, die man von oben sehen kann, zur Orientierung eingeprägt. Und so zeichnen wir nacheinander unsere Linien in den Berg. Möglichst weit geschwungen, flüssig, das Gefälle perfekt ausnutzend, ohne Ecken, Kanten und unnötige Bremsschwünge, stets einen Fluchtpunkt in Reichweite, sollte sich wider Erwarten doch eine Lawine lösen. Noch Tage später werden sie wie ein Gemälde von unserem Spaß am und dem Respekt vor dem Berg künden. Höhenmetermaximierung beim Heliskiing Der einzige Nachteil einer solchen Skitour? Im Vergleich zum »up« ist man immer viel zu schnell »down«. Und so ziehen wir am letzten Tag der Reise unsere Trumpfkarte: Arctic Heliskiing. Das Unternehmen ist im nahen Dalvik beheimatet, wo Chef Joküll Bergmann vor über einem Jahrzehnt Islands erstes Heliski-Unternehmen gründete. Sie bieten vom Schnuppertag bis zur einwöchigen Luxusreise das volle Programm – und sind dabei noch flexibel genug, uns verkappten Skitourengehern binnen 12 Stunden einen Slot in ihrem Flugplan freizuschaufeln. Die Wege zwischen Startplatz und Gipfel sind auf der Trollhalbinsel minimal und keine fünf Minuten, nachdem wir im Heli Platz genommen haben, stehen wir 1200 Meter über dem Meer. So weit das Auge blickt: perfekte Abfahrten in allen Expositionen und Schwierigkeitsstufen, dazu Schnee satt. Erleichternd kommt hinzu: die Oberschenkel sind noch frisch. Mit maximalem Genuss fliegen wir die Hänge hinab. Ob man dabei möglichst kurze Schwünge macht – das sogenannte Zöpflflechten – oder lieber zwei, drei weite Bögen pro hundert Höhenmeter aneinanderreiht, bleibt jedem selbst überlassen. Für mich gibt es keine Bewegung, die schöner ist. Während es beim Joggen immer etwas dauert, um in den »Flow« zu kommen, beginnt dieser Zustand beim Tiefschneefahren mit dem ersten Schwung. Sofort ist man im Hier und Jetzt und alles, was zählt, ist der nächste perfekte Turn. Vier unvergessliche Abfahrten schaffen wir, bevor es vom Meer her eintrübt und die Sicht schlechter wird. Feierabend! Denn ohne Sonne kein Kontrast und ohne Kontrast kein Skivergnügen – zumindest nicht auf den weiten, baumlosen Hängen Islands. Fünf Minuten später sind wir zurück in der Lodge und zehn Minuten später geduscht und fertig zur Abfahrt. Bei unserer Fahrt gen Reykjavik zieht Island noch einmal alle Register in Sachen Licht und Landschaft. Und so cruisen wir – beseelt von einer sehr abenteuerlichen Woche im Winterwonderland – auf der leeren (und diesmal perfekt geräumten) Ringstraße im warmen Abendlicht gen Süden. Schöner kann ein Roadtrip nicht enden …

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