Bergstolz Issue No. 109

52 GRAUBÜNDEN Bergstolz Ski & Bike Magazin • 07 | 2022 zerische Gastlichkeit und die Perfektion der Küche und des Weinkellers. Zweiter Tag, Davos. Wie Sie sehen, sehen Sie nichts und warum Sie nichts sehen, werden Sie gleich sehen! Unser Bergführer David Hefti kommt zu uns in Hotel und wir besprechen beim Frühstück den gemeinsamen Tag – der Koch meint, dass Beluga auf Wachteleier hervorragend für Skifahrer sei und Rührei gut zum Earl Grey passe – und David sagt, dass derzeit nur eingeschränkter Seilbahnverkehr gehe. Zwinkernd meint er, es sei schade, dass wir nicht auf die Klassiker hoffen können, aber für seinen Spielplatz reiche die erste Sektion - er sollte Recht behalten! Nach dem Verlassen der Jakobshorn-Gondel fahren wir also vorsichtig in den Hang und merken, dass alles über 30 Grad an diesem Tag keine gute Idee ist. Selbst bei kleineren Abschnitten entstehen sofort Spinnenbeine und Risse und größere Blöcke rutschen ab. Als wir denWald erreichen wird es aber noch richtig fantastisch und zwischen lichten Baumreihen haben wir mehr als hüfttiefen kalten Pulverschnee. Powdersmiles ohne Ende! Der Autor stellt sich ziemlich schnell als naturverbunden raus – eine seltene Aufnahme des wurzelsuchenden Skifahrers springt dabei raus. Am Nachmittag öffnet dann doch noch die erste Sektion der Parsennbahn und dank unserem Bergführer sind wir auch hier die Ersten und bleiben lang die Einzigen. Bis in den Nachmittag erleben wir so, was auch bei schlechtemWetter in Davos möglich ist, und unsere Fantasie dreht bunte Filme, als David uns fragt, ob wir uns jetzt vorstellen können, was erst möglich sei, wenn das Wetter dann gut ist. Während wir zum Bahnhof gehen, entscheiden wir schon jetzt, dass wir wiederkommen werden. Nächster Halt: Disentis Als wir Davos mit dem Zug verlassen, klärt uns der freundliche Zugsschaffner auf, dass die Strecke retour nach Klosters schon seit in der Früh wegen Lawinen geschlossen ist und man nur noch via Chur rauskommt. Endlich eine lange Zugfahrt voraus und der berühmte Landwasserviadukt! Zwei Stunden später erreichen wir nach vielen Geschichten und eindrucksvollen Landschaften, besonders denen des Oberrheins, Disentis/Muster, unterhalb des mächtigen Klosters. Hier verlassen wir die Rhätische Bahn und steigen in die Matterhorn-Gotthard-Bahn um, nach Acla da Fontauna. Wir sind im romanischen Teil Graubündens angekommen. In Acla da Fontauna hält der Zug nur auf Wunsch. Wir stehen im Schneetreiben auf einem einzelnen Bahnsteig, der Mond lässt die Schneeflächen weit über uns leuchten. Zu Fuß machen wir uns auf den Weg in unsere Unterkunft für die nächsten zwei Tage: Das Nangijala mitten in Disentis. Man betont übrigens Disen-TIS, das lernen wir schnell. Im Nangijala schlägt das Freeride-Herz des Ortes: An der Bar treffen sich die Liftangestellten genauso zum Feierabendbier wie die lokalen Freerider. Schnell kommt man ins Gespräch: Wo der Schnee gut war, wo was runtergekommen ist, welcher Lift erst später öffnen wird. Wir stärken uns mit einem Burger, an dem sogar das Ketchup selbstgemacht ist und müssen aufpassen, dass wir uns nicht verratschen. Schließlich ist für den kommenden Tag Bluebird und unser Guide früh angesagt. Am nächsten Morgen marschiert David Berther bestens gelaunt ins Nangijala, um uns abzuholen. Heute werden wir zu viert unterwegs sein, denn Fotograf Folkert Lenz hat sich uns ebenfalls angeschlossen. Schon am Vorabend war klar, dass das Lawinenbulletin einen 4er ausgeben wird und dementsprechende Zurückhaltung angesagt sein wird. Das tut Davids guter Laune keinen Abbruch: „Hopp hopp, dr Lift läuft glei!“ Mit der Pendelbahn Disentis – Caischavedra geht’s nach oben. Die wenigen Lifte erschließen ein riesiges Areal, das uns David erklärt, während wir darauf warten, dass der Sessellift öffnet. Er scheint nicht weniger aufgeregt als wir: „Isch super, Gäst an em Powderday, die Skifahren könna! Da kann is au mol krachen lassen.“ Und das tut er: So schnell, dass wir es kaum mitbekommen, hat er sich die First Line unterm Lift geschnappt. Links und rechts fallen die Locals gemeinsam mit uns über den Rest an frischem Pulver her. Mit dem nächsten Run bringt uns David raus aus dem Gebiet und zeigt uns Disentis Deluxe: Die Cungieri Abfahrt nach Sedrun, und danach Val Segnas, Val Pintga und Val Acletta hinunter nach Disentis. Wir finden fluffigsten Pulver, ziehen unsere Turns zwischen meterhohen Felswänden. Am Rückweg ins Nangijala treffen wir noch Davids Frau, die lachend meint, dass er wohl einen furchtbaren Tag gehabt haben müsste, denn „Skifahrn tuet er gar net gern…“ Wir genehmigen uns einen Feierabend-Chübel im letzten Licht des Tages, bevor wir uns zum Abendessen mit Simona Barmettler, bis Oktober Direktorin von Disentis Tourismus, treffen. Simona passt zum Ort wie die Faust aufs Auge: Ständig geht ihr Bergrettungs-Piepser und sie ist dabei, alle 3.000er der Schweiz zu besteigen. David und Folkert kommen ebenfalls noch vorbei und wir verbringen einen letzten Abend, wie man ihn sich nicht besser wünschen könnte: Wie langjährige Freunde. Am nächsten Morgen stehen wir im strahlenden Sonnenschein an der Bahnstation Acla da Fontauna und lassen die beeindruckende Bergwelt nochmals auf uns wirken. Als sich die Matterhorn-Gotthard-Bahn nähert, steigen wir schweren Herzens ein und lassen Disentis hinter uns. Über Chur geht es zurück nach Landquart. Wir hängen unseren Gedanken nach, und ohne es abgesprochen zu haben, sagen wir noch vor dem Ausstieg gleichzeitig: „Aber das nächste Mal fahren wir komplett mit der Bahn!“ Foto: Folkert Lenz Foto: Folkert Lenz

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