Bergstolz Issue No. 109

50 GRAUBÜNDEN Bergstolz Ski & Bike Magazin • 07 | 2022 In Küblis angekommen erleben wir die nächste Überraschung. Im Stundentakt versorgen die Busse vom Bahnhof aus die höher gelegenen Ortschaften. Und um dem Wind und Schnee nicht ausgesetzt zu sein, gibt es einen verglasten Warteraum. Der ist beheizt und wir sehen dem einsetzenden Schneefall und den tanzenden Flocken zu. Ein pensionierter Ingenieur verkürzt uns die Wartezeit und erzählt uns spannende Geschichten von der Bahn und den aktuell erwarteten Schneemassen – unsere Mundwinkel wandern nach oben. Unser Poschti bringt uns in vielen Kehren den Berg rauf und mit jedem Meter wird der Schnee mehr. “Hier hats aecht Winter und da chkommt noch mär Schnee", meint der Busfahrer schmunzelnd. Als wir in St. Antönien aus dem Bus gestiegen sind und dieser im Schneetreiben verschwindet ist es plötzlich ruhig, ganz ruhig. Allein die einzelnen Straßenleuchten tauchen diesen tiefverschneiten Bergort in ein wahres Wintermärchen. Im „Gemsli“ begrüßen uns Mohammed und Tanja und weisen uns den Weg in unser Zimmer. Es duftet nach Holz und ist gemütlich.Wir bekommen einen Tisch am großen Fenster und ein fulminantes Menü. Selten hatten wir eine entspanntere Anreise. Am nächsten Morgen ist es vorbei mit der Entspannung. Es hat die ganze Nacht geschneit – so wie wir es fast nicht mehr kennen! Am örtlichen Lift begrüßt uns der Bergführer Michi Senn. Er zeigt auf der Karte unser lohnendes Ziel: Das 2.195 Meter hohe Chrüz und wir klicken in unsere Bindungen. Nach dem Gruppentest und Check geht´s los. Durch tiefverschneite Bergwälder geht es langsam aufwärts. Ich falle heute zurück, es will nicht richtig laufen. Da und dort hacklt der Schuh und auch der Stock will nicht halten, der Rucksack nervt und überhaupt. Nur die Ski, die spüre ich fast nicht. Durchbeißen und weiter - mir kommen Flüche aus. Während Julia von Michi viel Interessantes zum Gebiet von St. Antönien und den zahllosen Möglichkeiten erfährt, lasse ich mich zurückfallen und ringe mit meinen Widrigkeiten. Ich beschränke mich darauf, die verschneiten Tannen zu genießen und mich mit fotografieren abzulenken und ich lenke meinen Fokus auf den Ski. Ich bin dankbar, dass mein Helio trotz der Breite und Länge so leicht ist. 500 Meter unterhalb des Gipfels verlassen wir den schützenden Bergwald und der Wintersturm erwischt uns mit voller Wucht. Schneeflocken und Eiskristalle martern das Gesicht und wir vermummen uns zusehends. Der Wind wird immer stärker und allen Anstrengungen zum Trotz kommen wir nicht mehr ins Schwitzen. Unser Bergführer entschließt sich, hier abzubrechen und deutet uns eine weitaus genussvollere Abfahrtsvariante an – bei der allerdings noch ein Gegenanstieg mit ins Spiel kommt. Also packen wir die Felle unter den Anorak, den obligatorischen Gang hinter den Baum verschieben wir freiwillig auf später. Michi fährt vor und legt die Spur. Die Sicht ist so diffus, dass ich mich frage, ob ich rauf oder runter fahre – mein erster

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