Bergstolz Issue No. 101
36 K A RWE N D E L Bergstolz Ski & Bike Magazin • 11 | 2021 Früher, als wir begannen, abseits der Pisten unterwegs zu sein, fuhren wir immer direkt unter dem Lift unsere Lines, um möglichst viele Reaktionen der am Lift sitzenden Leute zu erhalten. Stand man dann vor einem Drop und hörte ein: „Junge komm runter da, bist Du lebensmüde?“ vom Lift, haben wir das natürlich wie eine Auszeichnung entgegen- genommen. Irgendwann aber zog es uns immer weiter weg von den Liftanlagen, mehr und mehr such- ten wir Stille anstatt Skigebietslärm und die Einsamkeit statt dichtem Gedränge in der Gondel. Angefangen habe ich mit kurzen Aufstiegen zum nächstgelegenen Gipfel. Irgend- wann erkannte ich, dass mir ein Splitboard die Möglichkeit eröffnen würde, Lines zu fah- ren, die bisher unerreichbar schienen. Genau diese Lines im Karwendel zu erreichen und zu befahren war der Plan für dieses Filmprojekt. Mit dem Tiroler Powerhouse Simon Partl und der Bayrischen Gams Tobias Wohlmannstetter holte ich mir zwei sehr tourenmotivierte Jungs ins Boot, auch sie waren von der Wildnis des Karwendelgebirges fasziniert und wollten mich bei meinem Vorhaben unterstützen. Die beiden kreativen Köpfe Chris und Philipp Kaar von A Twin Thing Film Production sollten die speziellen Momente, die wir in den Bergen erleben würden, mit ihren Kameras ein- fangen. Die Brüder, die im Backcountry nicht allzu erfahren waren, sollten bald schon ler- nen, wie man eine Steilrinne mit Kamerarucksack hochklettert oder eine Schneehöhle zur Übernachtung schaufelt… Die Story zum Film Die Geschichte des Films beginnt im Risstal, am nördlichen Eingang des Karwendels. Jahr- hundertealte Ahornbäume verlieren ihr Herbstkleid und bereiten sich auf die dunkle Zeit im Jahr vor. Der Schatten wandert langsam ins Tal und kündigt den bevorstehenden Winter an. Nach dem ersten Schneefall machen sich Freerider auf den Weg ins Gebirge, immer auf der Suche nach unbekanntem Terrain und neuen Herausforderungen. Was sie nicht wissen: Es gibt da draußen etwas, das all ihre Schritte beobachtet und versucht, zu er- gründen, warum sie sich auf ihre riskanten Unternehmungen einlassen. Jemanden, der mit diesem Gebirge schon länger verwurzelt ist als ihm lieb ist…Aus seiner Perspektive, nämlich der eines jahrhundertealten Ahornbaums, wird die Geschichte erzählt. Er wird auf die sonderbaren Gestalten nur aufmerksam, da sie zu seinem völligen Unver- ständnis Gefallen an der kalten, eisigen Jahreszeit gefunden hatten. Von Natur aus neu- gierig, beobachtet er ihr Spiel im Schnee und ihre Suche nach Licht. Erheitert von ihrer ansteckenden Freude entschließt er sich schließlich, als sie weiterziehen, Teil des Aben- teuers zu werden. Zwei Jahre Arbeit und Leidenschaft stecken in dem ausschließlich über Crowdfunding fi- nanzierten Filmprojekt. Zu sehen sind nicht nur Bilder von atemberaubender Schönheit, sondern es wird auch aus der Perspektive des Erzählers die Ambivalenz derartiger Aben- teuer zum Thema: Ist es moralisch vertretbar, in eine Welt einzudringen, die von seltenen Tieren und Pflanzen bevölkert ist, nur weil das Entdecken des Neuen so reizvoll ist?
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