Bergstolz Issue No. 100

I N N S B R U C K . P OWD E R . P E O P L E . 33 Bergstolz Ski & Bike Magazin • 10 | 2021 zuvor hatte dieser Satz so viel Richtigkeit für mich wie letztenWinter.Wir sahen uns eine Line an, fanden raus, dass sie nicht zu befahren war und drehten trauernd um, nur um am Rückweg zufällig eine andere zu finden, die genauso gut war.Wir fuhren Berge ab, die wir seit Jahren vor unseren Fenstern hatten und die nur selten fahrbar sind. Das wichtigste für mich aber war, dass wir viele neue Lines in unmittelbarer Nähe fanden. Faces, die wir zu Fuß oder mit dem Bike von zuhause aus erreichen konnten, die aber ein bisschen versteckt lagen, die einen Extratag Begutachtung brau- chen und für die wir uns nie die Zeit genommen hatten. Denn mit einem Auto schaut man sich den Schneebericht an und fährt einfach da hin, wo es den besten Powder gibt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Nur weil diese neuen Lines nahe lie- gen heißt das nicht, dass sie einfach zu erreichen sind! In manchen Fällen gab es gute Gründe dafür, dass wir sie nie zuvor gefahren waren.Zum Bei- spiel die Line direkt hinter meinemHaus: Ein vielversprechendes Face mit Spines. In das man einzig und allein über einen 1.600 Höhenmeter langen, beinahe senkrechten Hike von der Straße aus kommt. Mit dem Freeride- gepäck am Rücken und nächtlichem Aufbruch (um den Sonnenaufgang zu erwischen) ist das ein ganz schön weiter Weg… Heute sitze ich auf meinem Balkon oder mache einen Spaziergang und grinse in mich hinein, wenn ich zu den Bergen rund um mein Zuhause aufsehe: „Dieses Face bin ich gefahren, durch dieses Couloir habe ich eine Line gefunden, über dieses Cliff bin ich gesprungen.“ Und ich hab mich den ganzenWinter über wie ein Entdecker gefühlt (obwohl wir leider nicht jede Line ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln filmen konnten). Klar ist das nett, dass dieser besondere Winter in einer Art auch „umwelt- freundlicher“ war, aber ich will nicht das „grüne Leben“ predigen und all jene verdammen, die das nicht können oder wollen.Die gesamte Bewegung um den Planeten Erde zu retten, ist ohnehin anthropozentrisch: Der Erde wird es langfristig gut gehen, wir versuchen nur, sie für nachkommende Generationen zu retten, damit wir uns nicht so schlecht fühlen, weil wir Flora und Fauna nach allen Regeln der Kunst zerstören. Ja. Natürlich wäre es besser für den Planeten, wir ernährten uns allesamt vegetarisch und besäßen kein Auto, engagierten uns aktiv für Umweltschutz und wählten umweltfreundliche Politik und Elektrizität. Ich persönlich bin ein großer Fan dieser Dinge und versuche, so viel wie möglich in meinem Leben umzusetzen. Dieser Film soll aber kein tadelnder Zeigefinger sein, sondern Menschen dazu motivieren, ihren eigenen Hinterhof zu erfor- schen.Nur, weil es einfach ist zu reisen bedeutet das nicht, dass man es tun muss. Nutzt die faulen Tage zuhause doch, um spannende Dinge, interes- sante Menschen und spektakuläre Orte in Eurer Umgebung zu entdecken. Vielleicht findet Ihr ja etwas, das zu offensichtlich ist, als dass Ihr es jemals am Schirm gehabt hättet. So oder so werdet Ihr eine stärkere Verbindung zu dem Ort aufbauen, an dem Ihr daheim seid. Und das ist die Grundlage dafür, diesen Ort zu schützen. Sein Auto loszuwerden und zu sehen, was mit den eigenen Beinen, demBike oder der eigenen Vorstellungskraft mög- lich ist, ist einWeg, das zu tun.Vielleicht findest Du aber eigene Möglich- keiten, Deine Augen etwas weiter zu öffnen. Wie auch immer Du es anstellst, in welchem Umfang auch immer, ich bin sicher, Du wirst etwas sehr Spezielles und Einzigartiges finden – in Deinem Hinterhof oder in Dir selbst.

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