Bergstolz Issue No. 100

32 I N N S B R U C K . P OWD E R . P E O P L E . Bergstolz Ski & Bike Magazin • 10 | 2021 Zur Auslebung meines persönlichen Suchtverhaltens ist ein eigenes Auto Segen und Fluch zugleich: Einerseits ermöglicht es einem innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne ganz unkompliziert schier unendlich viele mögli- che Runs zu erreichen.Andererseits erhöht das den Druck mächtig, immer die beste aller möglichen Optionen zu wählen. Rechnet man dann noch wechselnde Schneebedingungen, halbverlässliche Wettervorhersagen, un- zählige Runs und denWunsch etwas Neues zu entdecken vs. Liebgewon- nene Alltime-Favourites, dann kann die Planung des morgigen Abenteuers schnell mal zu einer Übung im Gruppenmanagement bei Team Buildings ausarten, als in nettes Geplauder darüber, wieviel Spaß man am kommen- den Morgen haben würde. Dennoch, die meisten Menschen würden wohl hier nicht darüber nach- denken, das Auto wegzulassen, um dieses „Problem“ zu lösen, und ich ge- hörte dazu. Als aber das zweite Auto, das wir von Schweden nach Österreich importiert hatten, seinen Geist aufgab und uns mit Null Rädern und zwei Dachboxen ratlos zurückließ, gaben wir es auf.Viele unserer Lieb- lingsruns in der Axamer Lizum enden sowieso in einem anderen Tal, da ist es wesentlich einfacher in den Bus nach Hause zu steigen, als zuerst zu- rück zum Auto zu kommen. Außerdem wäre das gut für die Umwelt! Et- liche weitere, nur halbüberzeugende Argumente wurden ins Gespräch eingeworfen, welche nichts mit Geld, nervtötender Parkplatzsuche oder auch nur demUnwillen, sich mit der Anmeldung eines Fahrzeugs in deut- scher Bürokratensprache herumzuschlagen, zu tun hatten. Final stand unser kühner Entschluss: Wir würden machen, was viele vor uns bereits getan hatten und versuchen, inspirierende Lines zu finden und zu fahren, ohne ein Auto zu benützen. Und plötzlich, scheinbar über Nacht, fand ich mich in einem Filmprojekt darüber wieder. Für mich fühlte es sich so an, als ob ich aus einem ange- nehmen Tagtraum über idealistische Konzepte aufwachen würde und ir- gendjemand aus meinem schlaftrunkenen Gemurmel einen mündlichen Vertrag gemacht hätte. Einen ordentlichen Ski- und Snowboardfilm zu drehen, in dem große Faces und fantastische Lines gefahren werden sollten, das alles in den direkt rund um Innsbruck gelegenen Skiresorts und noch dazu nur mit Bussen, Liften und Fellen sah im kalten Herbstlicht bedeu- tend schwieriger aus.Wir aber waren Feuer und Flamme. Eigentlich war mein Plan für diesen Winter ein ganz anderer. Ich hatte gerade meinen Ingenieurs-Bürojob aufgegeben und sollte gegen Ende des Winters Vater werden. Ich wollte einfach nur coole Faces fahren, die ich von meinemHaus aus sehen und mit reiner Muskelkraft erreichen konnte. Der Moment, in demmir klar wurde, dass ich jetzt zum Producer,Location Scout,Athleten,Assistant Director,Mehr-oder-weniger-Guide und über- haupt allgemeinen Entscheider geworden war,war ein ziemlicher Hammer. Irgendwie jedoch kreisten das TeamUseless und die Snowmads Gang rund um mich, und wir kreierten einen wilden Austro-Seeländischen Mix, zu dem noch ein paar deutsche und spanische Zutaten kamen. Schließlich ge- sellten sich auch noch die Freeride World Tour und Protect Our Winters zu unserem erlesenen Grüppchen und überraschten uns mit europaweiten Bahntickets.Dass wir so mit demZug auch zu den FWT-Events anreisen konnten, verlieh unserem Filmkonzept zusätzliche Tiefe. Dass letztendlich alles geklappt hat, ist das Verrückteste für mich.Es heißt, „life is what happens while you’re busy making other plans“ und niemals

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