The Ultimate Heli-Ski Journey
50 Jahre Mike Wiegele Helicopter Skiing
Flaaap. Flaap. Flap. Flapflapflap. Je schneller sich die Rotorblätter drehen, desto höher steigt der Adrenalinspiegel. Wir ducken uns unter dem landenden Heli und warten darauf, dass unser Tailguide Marius die Schiebetür zur Bell 212 öffnet. Wer die Goggle noch nicht aufhat, flucht innerlich und schützt seine Augen vor dem Downwash, bevor wir hineinklettern. Gestern spätnachmittags sind Philipp und ich hundsmüde bei Mike Wiegele Helicopter Skiing angekommen. Der Jetlag hatte sich schon beim Check-In im Thunder Ridge Centre verflogen und ist aufgeregter Nervosität gewichen. Wir sind endlich da! Wir wollen endlich fliegen!
Aber so schnell geht’s dann leider doch nicht. Während unser Gepäck in die Lodge gebracht wird – es ist Anfang Januar und noch Vorsaison, so kommen wir in den Genuss, die „Bahama Mama“ Lodge direkt am Lake Eleanor inklusive Whirlpool für uns alleine zu haben – bekommen wir ein erstes Heli-Safe-tytraining: Ski niemals in die Höhe halten (Rotorblätter!), in Duckhaltung auf die Landung des Helis warten (Rotorblätter!), geduckt aus dem Heli raushüpfen (Achtung! Rotorblätter!). Beim Abendessen tischt die Küchencrew auf, was British Columbia und die Welt zu bieten haben. Hier treffen wir auch zum ersten Mal auf den Gründer, noch heute das Gesicht des Unternehmens, die Legende selbst: Mike Wiegele.
Pioniere umgibt eine besondere Aura. Es mag an der Bewunderung für ihre Leistung liegen, oder auch daran, dass sie eine Vision Realität werden lassen konnten, an die außer ihnen selbst nur wenige glaubten. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch ihr Charisma: Sie setzten ihre Idee gegen sämtliche Widerstände um, begeisterten andere für ihren Traum – und waren letztendlich erfolgreich. Mike Wiegele ist einer dieser Pioniere. Er wird in einem Atemzug genannt mit dem verstorbenen Grand Seigneur des Freeride Films, Warren Miller. Und das nicht nur, weil er unzählige Male selbst in Millers Filmen vor der Kamera stand.
Mike Wiegele wird 1938 in Feistritz geboren und wächst auf dem Bauernhof seiner Eltern auf. Seit er denken kann, ist das Skifahren seine große Leidenschaft, gegen alle Widerstände verbringt er seine Freizeit beim Skitraining. Das Nachkriegs-Österreich bietet ihm wenig Perspektive, und so entschließt er sich 1959 nach Kanada zu emigrieren. „Nordamerika schien damals wirklich wie das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, erinnert er sich.
Die nächsten Jahre sollten entscheidend werden. 1960 lernt er nicht nur seine spätere Ehefrau Bonnie kennen, er trifft auch Hans Gmoser in Lake Louise. „Wir hatten später vielleicht unsere Differenzen, dennoch war Hans mein Freund und Mentor in der Anfangszeit in Kanada“, blickt Mike zurück. Er erhält sein Skilehrerdiplom und geht nach Quebec. „Wenn du mit Skifahren Geld verdienen willst, musst du nach Quebec, hieß es. 1961/62 wechselte ich nach Sugar Bowl in die USA und lernte dort Hannes Schroll kennen. Und der setzte mir die Flausen in den Kopf: ‚Wenn du zurück nach Kanada gehst, dann suchst du dir den Berg mit dem besten Schnee und baust dein eigenes Skigebiet auf!‘“
Ein paar Jahre wechselt Mike zwischen Sugar Bowl und Kanada hin und her, bevor er 1964 schließlich die Kanadische Staatsbürgerschaft erhält und eine Skischule in Lake Louise eröffnet: Das World Cup Preparation Training. „Nationalteamathleten kamen zu mir, um zu trainieren, unter anderem auch der Crazy Canuck Ken Read“, erinnert sich Mike stolz. „In meiner Freizeit war ich ebenfalls auf Ski unterwegs, in den Rockies, den Bugaboos, den Cariboos oder den Monashees. Ich hatte diesen Gedanken eines eigenen Skigebiets nicht mehr aus dem Kopf bekommen und war ständig auf der Suche nach dem tiefsten, leichtesten Pulverschnee.“
Damals kein einfaches Unterfangen, die Berge sind hoch im Westen Kanadas und das Areal unglaublich weitläufig. „In allen Tälern sind Bäche, aber es gab überhaupt keine Brücken! Jeder Trip ins Backcountry dauerte ewig“, denkt Mike zurück. „Einen Tag rein ins Tal, einen Tag auf den Berg. Dann hab ich ein oder zwei Tage beim Skifahren verbracht, bevor es wieder nachhause ging. Ich habe die Berge und das Skifahren geliebt, daher war meine Motivation für diese Trips hoch. Eines Tages bin ich jedoch auf einem Gipfel in den Cariboos gestanden und habe das Panorama in mich aufgesogen. Und da war plötzlich dieser Gedanke: ‚Oh Mann, wie schön wäre das, wenn dich ein Heli hierhin bringen könnte!‘ Das war mein Schlüsselerlebnis.“ Gewonnen hat das Rennen um die Erfindung des Heli-Skiings aber Hans Gmoser: Als gefragter Bergführer flog er im Frühling 1965 erstmals Gäste per Helikopter auf die Gipfel der Bugaboos. Mike blieb der Verfolgerrang: „Im Frühjahr 1970 unternahmen Gary Foreman, der Besitzer von Yellowhead Helicopters, und ich den Jungfernflug auf den Canoe Gletscher am Mount Sir Wilfried Laurier.“ Seine Augen leuchten noch heute bei der Erinnerung.
1972 flog Mike Wiegele Helicopter Skiing schließlich nicht nur seinen ersten zahlenden Kunden - „einen Zahnarzt aus Ontario“ - in die Berge, sondern auch die Warren Miller Filmcrew. „Ich habe unzählige Briefe an Warren geschrieben. Endlich hat er zugestimmt zu kommen und seinen besten Kameramann Rod Allin geschickt.“ Dieser Besuch war zuerst ein totales Desaster: „Drei Tage lang saßen wir im Motel fest. Am letzten Tag setzte ich alles auf eine Karte und investierte den letzten Sprit in einen Flug über die Wolken. Was sich vor Rod’s Linse auftat war unglaublich. Warren sagte mal, dass das das wunderbarste und schönste unberührte Skiterrain gewesen sei, das jemals eine seiner Kameras dokumentiert hätte.“ Warren Miller zeigte der Welt wie großartig Mike Wiegele Heliskiing war, und die Welt kam zu Mike Wiegele um sich selbst davon zu überzeugen…
Regelmäßig brachten LKW-Fahrer die Kunde einer Gegend nach Valemount mit, die als besonders fürchterlich und unwirtlich galt: „Es regnet, es schüttet, und die Schneeflocken fallen so dick wie nirgendwo sonst!“ Diese Geschichten machten ihn neugierig. „Valemount wurde langsam auch zu klein für zwei Heliskiing-Operators, also machte ich mich auf in dieses sagenumwobene Blue River. Ich traf ‚Grandma‘ Molly Nelson, eine Hobby-Meteorologin, die über die vorangegangenen 34 Jahre Wetteraufzeichnungen gemacht hatte. Sämtliche Sagen über das albtraumhafte Wetter stimmten – was für ein Segen für Heli-Skier!“ lacht Mike heute noch vergnügt. Er begann Land zu kaufen, um seinen Traum vom eigenen Heliski-Gebiet zu verwirklichen – 1980 schließlich konnten die ersten Gästechalets in Betrieb genommen werden.
Kontinuierlich erweiterte er das Blue River Heli-Village, heute gibt es 22 Gästechalets, eine Hauptlodge mit Dining Room, Lounge, Fitness Center und Physiotherapie sowie einen Sportshop, ein Wohnhaus für die Guides und das Thunder Ridge Centre. Noch exklusivere Lodges wie Albreda kommen dazu – hier werden maximal 20 Gäste von 13 Angestellten betreut. Mike Wiegeles Traum wird in Blue River Wirklichkeit.
Das alles und noch viel mehr erfährt man von ihm selbst, wenn man ihn inmitten seines Lebenswerks trifft. Mit seinen 81 Jahren lässt er es beim Skifahren heute etwas ruhiger angehen, aber das operative Geschäft führt er, mit Unterstützung seiner langjährigen Mitarbeiter, immer noch selber! Und – selbstverständlich – ist Mike auch immer noch das beliebteste Fotomotiv. Wie viele Selfies er pro Tag macht? „Ich habe keine Ahnung, aber das mache ich gerne. Die Gäste sollen von Mike Wiegele Helicopter Skiing ‚The experience of a lifetime‘ mitnehmen.“ Ohne zu übertreiben: Mission accomplished. Unsere Guides Scott und Marius lassen uns Treerun nach Treerun runterjagen, im Wald schallt es von „Huhuuus“ (die Verbindung zu deinem Wald-Buddy) und wildem Gelächter. Die Tage sind Skibum-Life Deluxe: In der Früh in den Heli klettern, fluffigsten Powder im Wald fahren, Mittagessen auf einer Waldlichtung, noch mehr Powder fahren, mit dem Heli zurück in die Lodge fliegen, rausfallen. Feierabendbier im Hot Tub, Abendessen, Schlafen. Träumen: Flaaap. Flaap. Flap. Flapflapflap. Repeat.
Ob wir wiederkommen? Klar! Was wir behalten? Das Gefühl der besten, steilsten und geilsten Treeruns unseres Lebens. Und: Zur Legende wird man nicht ohne Grund… Let’s go skiing!