The Volcanic Kingdom - Julbo White Session
TEXT: Manuela Mandl | FOTO: Klaus Polzer
Ins Königreich des Feuers und des Eises, wo Polarwinde und raues Klima die Gesetze diktieren und die Vulkane das Gesamtbild prägen, haben Flo Orley und ich uns aufgemacht, diese fernen Gefilde zu erkunden. In dieses Land, das in früheren Zeiten als Tor zur Hölle galt. Und wir haben einen Gast mitgenommen: Darjan Andrejc, der in der Verlosung um die Julbo White Session diesen Trip mit uns gewonnen hat.
Es ist dunkel, ich liege rücklings im Schnee und langsam wird mir kalt. Trotzdem kann ich den Blick nicht von den Nordlichtern am klaren Himmel über mir lösen. Neben mir liegt der Rest der Crew, aus dem überdrehten Geplapper ist ehrfürchtiges Schweigen geworden. Hier, auf dem Bergrücken in Island mit Meerblick, wo wir diese Nacht campen werden, kann ich es spüren: Das volle Glück im Bauch. Einige Tage zuvor sind wir uns das erste Mal begegnet. Darjan, der uns zuerst mit seinem authentischen und lustigen Video überzeugt und dann beim Skype Gespräch extrem sympathisch und sehr locker war, ist der Gewinner der Julbo White Session 2017. Der gebürtige Slowene hatte auch noch einen extra Joker im Ärmel: Er ist Skifahrer, aber im Herzen immer noch Snowboarder. Kann also beides. Gut, dass die gegenseitige Sympathie auch offline und nicht nur auf Skype funktioniert.
Das erste Ziel hatten wir allerdings recht deutlich vor Augen: Espresso, tiefschwarz, mit perfekter Crema. Deshalb wurde, kaum dass wir Catania Richtung Ätna verlassen hatten, auch gleich ein Café zum Sondieren der kulinarischen Lage sowie zum ersten Kartenstudium angesteuert.
Es gibt im Norden und Süden je ein Skigebiet am Ätna, welche sich als Ausgangspunkte für Skitouren anbieten. Hier führen die Straßen bis auf ca. 1800m, wo sich auch ungefähr die Schneegrenze befand.
Nachdem wir in Island angekommen, das Wohnmobil übernommen und die restliche Ausrüstung abgeholt haben, befällt Flo auch schon der Tatendrang. Wellen! Nur eine Stunde Autofahrt entfernt. Ich bin etwas überrascht von so viel Motivation, sich ins eiskalte Wasser zu werfen.
Die erste Turnstunde beginnt tatsächlich sofort: Wegen zwei Grad Außentemperatur wollen sich alle unbedingt
im Wohnmobil umziehen. Eine logistische Herausforderung. Flo Albert, der Filmer, und Klaus
Polzer, der Fotograf stehen grinsend daneben und sind gar nicht traurig, dass sie jetzt nicht bei Wind ins
sechs Grad warme Meer müssen. Für Drejc und mich ist das hier in Þorlákshöfn der erste richtige Cold
Water Surf überhaupt. Über große, runde Steine, bewachsen mit allerlei glitschigem Grünzeug geht es
zum Wasser. Drejc ist mit seinem Schicksal versöhnt, als ein kleiner Seehund auftaucht und unsere ersten
Duckdives durchs Weißwasser begleitet.
Das Wasser fühlt sich wärmer an, als erwartet - solange man keine größeren Fehler macht und die Neoprenkapuze ordentlich sitzt. Wenn man doch einmal in den Strudel einer Welle kommt, explodiert vor Kälte fast der Kopf. Schon mal eine gute Einstimmung auf die unbarmherzige Natur hier in Island. Wegen der andauernden Strömung sind wir die ganze Zeit am Paddeln, zwischendurch ein paar Wellen gesurft, bevor die Oberarme leer und die Füße nicht mehr zu spüren sind.
Als wir uns auf zum ersten Vulkan machen, ist lange kein Schnee zu sehen. Dafür befindet sich hinter jeder Kurve ein anderer, fantastischer Ausblick. Es gibt keine Bäume, nur Gestein verschiedenster Struktur und Farbe und bodennahe Gewächse, grünes Gras duckt sich in windgeschützte Spalten im schwarzen Lavagestein, das nordische Licht lässt die Farben der Landschaft fast unwirklich leuchten. Und zwischendurch grasen Islandponys und erfüllen auch wirklich jedes Postkartenklischee.
Als Aufwärmübung wollen wir den Snæfellsjökull (1446 m) besteigen. Alpinistisch keine große Herausforderung,
aber die Lage des Vulkans auf einer Landzunge umgeben vom Meer hat es uns angetan.
Außerdem ist das jener sagenhafte Ort, an dem die Helden von Jules Verne's Buch 'Reise zum Mittelpunkt
der Erde' zu ebendieser aufbrechen. Vielleicht färbt ja etwas vom Legendenstatus auf uns ab,
oder wir werden zumindest am Kraterrand von der kreativen Muse geküsst…
Über Nacht ist Neuschnee gefallen. Und trotz der fabelhaften Rückwärtsfahrkenntnisse von Flo, der
unser Wohnmobil mit Vollgas den Berg hinauf bugsiert, kommen wir nicht weit. Dafür fahren ein paar
höhergelegte Jeeps mit monströsen Reifen und voll mit japanischen Touristen vorbei. Die wollen uns
und unser Touren- und Gletscherequipment leider nicht mitnehmen.
Also gehen wir direkt los, zuerst die Straße entlang, bevor wir zwischen den Steinen eine Spur Richtung
Kraterrand legen. Der Kraterrand hüllt sich die meiste Zeit in Nebel, außer uns ist niemand hier. Hin und
wieder können wir den Berg erahnen, aber anstatt, dass der Nebel sich verzieht, werden die Wolkenbänke
immer dichter.
Irgendwann, es ist schon Nachmittag, fällt dann die Entscheidung: Das wird heute nichts mehr. Im Gegenteil, leichter Schneefall, immer stärker werdender, saukalter Wind und die Aussicht auf vergletschertes Gelände im vollkommenen Whiteout rauben uns langsam die Motivation. Im nächsten Sonnenfenster fahren wir ab. Unsere ersten Turns mit Meerblick. Und es ist wirklich verdammt schön. Die Frustration des Umkehrens ist sofort vergessen. Die Schneequalität variiert stark, vom lautesten Bruchharsch, den ich je erlebt habe, bis zu feinstem Powder in windgeschützten Senken.
Auch am nächsten Tag hüllt sich der Snæfellsjökull in eine dichte weiße Haube. Dafür haben wir in unserem
Wohnmobil direkt neben einem Naturdenkmal übernachtet, den beiden Felsnadeln von Lóndrangar.
Auf den Steilklippen hoch über dem Meer genießen wir die fabelhafte Aussicht.
Weiter geht’s nach Norden. In Ólafsfjörður auf dem Troll Peninsula werden wir von Viking Heliskiing erwartet. Zuerst freuen wir uns über den heißen Pool in der Lodge, doch das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung: Kein Flugwetter in den nächsten Tagen. Also zurück auf die Straße.
So weit im Norden reicht der Schnee bis ans Meer, und man kann direkt von der Straße die Couloirs erkunden.
Wie auch in den Alpen war die Wintersaison in Island eher mittelmäßig, und so richtig große
Schneemengen gibt es nirgends. Glauben wir. Bei unserem ersten Versuch, eines der steilen Couloirs
von unten zu durchsteigen und dann bis zum Meer abzufahren, versinken wir im letzten Drittel unerwartet
im Triebschnee und kehren um. Wieder was gelernt. Aber in den richtigen Expositionen ist dieser
Teil der Insel der perfekte Spielplatz: Wir hiken zwischen Felswänden und auf ziemlich ausgesetzten
Graten hinauf und schießen durch enge Couloirs wieder hinunter. Das Wohnmobil, das unten neben
der Straße am Strand geparkt ist, meistens im Sichtfeld. Zwischendrin muss man aufpassen, dass einem
die laut kreischenden Möwen nicht auf den Kopf kacken. Das Gelände ist ziemlich anspruchsvoll und
verwinkelt - wir können nicht genug kriegen und fahren bis es um 21:00 Uhr wegen der Bewölkung
dunkel wird.
Zurück im Wohnmobil wird, wie jeden Abend, mit schon knurrendem Magen ordentlich aufgekocht. Das Zusammenleben von fünf Personen auf allerengstem Raum funktioniert erstaunlich reibungslos. Der Beifahrersitz ist das Sekretariat, wo am Laptop Wetter, Schnee und Straßenbedingungen nachgesehen und der Ablauf der kommenden Tage geplant wird. In regelmäßigen Abständen verkrümeln Flo, Drejc und ich uns in eine Ecke, damit Klaus und Flo Albert ihr Kameraequipment im 'Wohnzimmer' sortieren und reinigen können. Jeden Abend wird der Tisch zum Bett, und die Dusche ist ständig mit Equipment vollgestopft.
Und dann ist es endlich so weit: Wir können fliegen, die Wettervorhersage stimmt! Nach einem hastigen Frühstück kauern wir im Schnee und die vom Helikopter aufgewirbelten Flocken fühlen sich wie tausende kleine Nadelstiche an. Oben, auf dem ersten Gipfel des Tages, ist eine spezielle Anspannung zu spüren. Normalerweise entwickelt man schon beim langen Aufstieg ein gutes Gefühl für den Berg. Klar, sowohl wir als auch die Guides haben Schneeprofile gegraben. Aber es ist doch etwas anderes, den Schnee erst dann zum ersten Mal richtig zu spüren, wenn man schon mitten im Hang ist. Nach einem gefühlten Wimpernschlag ist die erste Abfahrt auch schon vorbei. Es ist schwer zu sagen, wer bei all den Powderturns mit Meerblick am lautesten gejuchzt hat. Unten am Strand holt uns der Helikopter wieder ab und schon geht’s zur nächste Linie.
Wir wagen uns an immer steilere Abfahrten auf den schönsten Bergen.
Die Aussicht vom Drop In ist beängstigend, wegen der Steilheit sind nur die ersten Meter zu sehen. Nur, weil wir uns mit der Schneedeckenstabilität ganz sicher sind, wagen wir uns an so eine Abfahrt heran. Es ist trotzdem viel zu viel Adrenalin. Vorab haben wir genau besprochen, wie wir die No Fall Zones mit dem geringsten Risiko durchfahren können. Jede unserer Lines hat eine Schlüsselstelle, wo die Schneedecke etwas dünn ist. Flo startet mit großen Turns durch eine natürliche Halfpipe und bewältigt auch die ausgesetzte Schlüsselstelle und die nachfolgende Straight Line ohne Probleme. Auch bei mir läuft im oberen Teil alles glatt, bei der Schlüsselstelle liegt dann noch weniger Schnee, als erwartet. Ich entscheide mich für die direkte Linie – einfach über einen Drop dem Lockerschnee hinterher – aber schon in der Luft sehe ich, dass in der Landung ein Stein an die Oberfläche gekommen ist. Beim Sturz passiert glücklicherweise nichts, nur der Rest der Crew ist etwas verschreckt.
Auf unserer To-Do-Liste steht auch die Übernachtung unterm Sternenhimmel,
um von einem höher gelegenen Startpunkt in ein paar spezielle Lines starten
zu können. Wir schaufeln seit Stunden auf unserem Zeltplatz mit Meerblick,
langsam nimmt die Windmauer Gestalt an. Am Abend sind wir noch lange draußen,
der Sonnenuntergang ist unwirklich schön. Kalt ist es aber auch, im Zelt
bereiten wir Tütennahrung zu und futtern Unmengen an Cookies. Zum Warmwerden
schaufeln wir dann noch einen Kicker und beim Zähneputzen danach
liegt ein seltsamer grüner Schleier auf dem Himmel. Ist das jetzt ein Nordlicht?
Minuten später ist das Schauspiel in vollem Gange – grüne Flammen tanzen
über den Himmel. Wie schnell dieses Licht pulsiert und immer wieder die Form
ändert! In echt ist die Aurora Borealis noch viel beeindruckender, als ich mir das
vorgestellt hatte.
Den nächsten Tag beginnen wir mit einer kleinen Kicker-Session und ein paar Mini Lines. Wieder einmal frischt sehr plötzlich der Wind auf und wir befinden uns mitten im Schneesturm. Wir warten etwas ab, und wie so oft ändert sich das Wetter wiederum und es klart etwas auf. So können wir die langersehnte lange Abfahrt auf die andere Seite des Berges doch noch machen.
Auf unserem Roadtrip hat sich das Wohnmobil als erstaunlich geländegängig
erwiesen. Klar, wir sind im Schnee und auch im Schlamm stecken geblieben.
Aber mit ein bisschen Muskelkraft haben wir es immer wieder weitergeschafft.
Doch auf dem Weg vom Norden in den Westen der Insel kommen wir tatsächlich
an unsere Grenzen. Ein richtiger Wintersturm mit Schneefall und extrem starkem
Wind fegt über Island. Die Asphaltstraße ist spiegelglatt, und mittlerweile haben
sich durch das flotte Fahren auf Schotterstraßen fast alle Spikes aus den Reifen
gelöst. Die Straße führt bergauf zum Pass, und irgendwann fangen wir an, rückwärts
wieder hinunter zu rutschen. Mit etwas Mühe kehren wir um und probieren
es über einen anderen Weg. Auf den Schotterstraßen entlang der Küste liegt
mehr Schnee, aber dafür haben wir mehr Grip. Mittlerweile ist es mitten in der
Nacht, und der Wind hat Orkanstärke erreicht. Als die Straße wieder einen
Asphaltbelag hat, passiert es: Der Wind versetzt das gesamte Fahrzeug während
der langsamen Fahrt um einen halben Meter Richtung Klippen. Wir erschrecken
uns ordentlich und übernachten im schwankenden Wohnmobil neben der
Straße. Am nächsten Morgen ist die Welt wieder eine andere, und wir setzen
unsere Fahrt Richtung Westfjorde fort.
Einige Teile Islands sind nicht mit Straßen erschlossen und im Winter auch nicht über den Landweg zu erreichen – man braucht ein Boot. So auch um in die Westfjorde zu gelangen. Das Boot mit Captain wurde uns von Freunden vermittelt – Isländer sind wirklich hilfsbereit! Im leichten Schneefall sehen wir den Zweimaster zum ersten Mal. Der Captain erklärt stolz, dass dieses Segelboot mit der detailreichen Einrichtung ein Ferrozement Boot ist. Also fahren wir mit einem Betonboot durch das vier Grad kalte Meer. Über die Reling sollte man übrigens nicht fallen – Todesurteil. Ein Teil der Crew packt gleich Mal die Klettergurte aus und bindet sich am Boot fest, während der Captain von seinen Seekajak-Expeditionen erzählt. Und auch davon, dass dann hin und wieder Wale ganz nahekommen, und man aufpassen muss, dass das Kayak nicht umgeschubst wird. Am Horizont nur schneebedeckte Berge. Die Überfahrt auf die unbewohnte andere Seite des Fjords dauert einige Stunden, aber plötzlich biegen wir um die Ecke und der Wellengang ist weg. Wir sind im Seitenarm des Fjords angelangt.
Plötzlich – und natürlich hat niemand eine Kamera griffbereit – taucht tatsächlich ein Wal neben uns auf. Er sprüht eine Fontäne aus seinem Atemloch, bevor er mit einem majestätischen Wippen der Schwanzflosse wieder abtaucht. Mit Dinghis setzen wir aufs Land über, dank des Kartenmaterials an Bord haben wir einige lohnende Abfahrten gefunden. Trotzdem ist das Highlight der Blick von oben auf das im Fjord einsam daliegende Segelboot. Dieses Gefühl, ganz alleine so weit weg von der Zivilisation zu sein, ist überwältigend.
Was von Island bleibt: Der Wunsch, so bald wie möglich wieder her zu kommen! Immerhin haben wir nur einen Bruchteil dieses magischen Fleckchens erkundet. Und die Erkenntnis, dass mit der richtigen Crew weder gutes Wetter noch viel Wohnraum nötig ist, um den perfekten Freeride-Trip zu erleben.
INFO BOX
ANREISE.
- Mit dem Flugzeug nach Rejkjavik (von München aus ab ca. 300 Euro). Wer schnell in die Berge will und die Wale aus der Nähe beobachten möchte, der bucht einen Inlandsflug nach Akureyi.
MIETWAGEN.
- Ab ca. 150 Euro pro Woche. Da die Straßenverhältnisse sehr wechselhaft sind, empfiehlt sich ein Allradfahrzeug mit ausreichender Bodenfreiheit. Regelmäßige Updates über die Straßenverhältnisse und Webcams zur Überprüfung der Wetterbedingungen gibt es auf www.road.is .
OBLIGATORISCHE PACKLISTE.
- Wasserdichte Jacke
- Mütze und Skiunterwäsche
- Wasserdichte Wanderschuhe
- Badeanzug
Das Wetter ändert sich dauernd und man kann sowohl strahlenden Himmel haben als auch in einen Schneesturm geraten. Fehlende Ausrüstung kann man im Fjallakoffin Store kaufen oder ausleihen - praktisch vor allem für sperriges Camping-Equipment.
www.fjallakofinn.is
SKIFAHREN.
- Es gibt in Island kleinere Skigebiete wie z.B. das in Skarðsdalur. Das Familienunternehmen Arcticfreeride bietet Catskiing auf dem Múlakolla an, wo Ridern ein facettenreiches Gelände zur Verfügung steht. Heliskiing wird von Viking Heliski angeboten. Im Preis inbegriffen sind die Übernachtung in einer Luxus-Lodge, frisch zubereitetes Essen und den Eintritt in die Hot Pools. Geflogen wird rund um Ólafsfjörður: Das bedeutet kurze Flugzeiten und anspruchsvolles Terrain, das auch standardmäßig angeflogen wird.