Bergstolz Issue No. 84
26 HIMALAYA Bergstolz Ski & Bike Magazin • 06 | 2019 In seinem neuen Vortrag und Buch „PFADFINDER“ gibt Harald zu: „Die Konsequenz permanenter Flirts mit dem Abgrund wäre, dass ich mich immer öfter in Situationen brächte, für die ich eines Tages unweiger- lich mit dem Leben bezahlen würde.“ Eine Überle- gung, die ihn dazu veranlasst, immer öfter auch Pfade jenseits des „Höher, Schneller,Weiter“ einzuschlagen. Wege, die in ihm die Erkenntnis haben reifen lassen: „Für großartige, bereichernde Erfahrungen muss man längst nicht immer ans absolute Limit gehen.“ Einige der Wege in seinem Buch „Pfadfinder“ führen Harald in den Himalaya. Viele Alpinisten finden dort ihr Shangri-La, ihr Paradies. Alleine die Dimensionen sind berauschend: Gipfel, vor denen selbst die größten Felsgiganten der Alpen wie Zwerge wirken. Wäre das nicht auch ein Eldorado für Bike-Abenteurer? Ein Gedanke, der Harald nicht mehr aus dem Kopf geht. Anfang 2015 recherchiert er im Internet, findet Bilder von staubigen Wüstentrails vor endlos hohen Gletscherwänden, von saftig grünen Reisterrassen, idyllischen Dörfern, barfüssigen Sherpas mit Packsä- cken am Rücken und Freudenfalten im Gesicht, von kleinen Kindern, die Bikern hinterherlaufen, und von bunten Gebetsfahnen vor tiefblauem Himmel. Welch ein Traum! Harald will genau das – und noch viel mehr… Er beginnt zu planen. Mit Trial-Profi Tom Öhler und Mandil findet er die passenden Verbündeten. Mandil ist Nepali, hat in Europa studiert, ist ein begnadeter Biker und erfahrener Tourenorganisator. Haralds Devise: „Wenn schon Himalaya, dann richtig!“ Wie schon oft in den Alpen, möchte er Trails erkunden, die noch kein Biker zuvor unter die Stollenreifen genom- men hat. „Tourist zu sein, das wäre schrecklich“, sagt er. „Einfach nur zu konsumieren – pfui! Wir wollen ein richtiges Abenteuer erleben.Wir wollen entdecken, was andere nicht sehen.“ Nach einigen Skype-Konferenzen, unzähligen E-Mails und stundenlangem Surfen auf Google Earth steht der Plan: ein Biketrip im Expeditionsstil. Mit zwei Guides und fünf Trägern, von Gosainkund im nepalesischen Langtang Nationalpark nach Kathmandu. Die Ankunft ist für Harald ernüchternd. Es ist Vormonsunzeit. Wie ein permanenter sepia getönter Nebelschleier hängt der Smog über dem südlichen Himalaya. Die Tristesse ändert sich auch in den Bergen nur wenig. Vorbei an trostlosen Wellblechhütten buckeln Harald und Tom ihre Bikes bis auf über 4.000 Meter. Ohne ausrei- chende Akklimatisierung wird jeder Schritt nicht nur zu einem körperlichen, sondern auch zu einem men- talen Durchhaltetest. Hinzu kommen Magenprobleme. Und auch im Team mit Trägern unterwegs zu sein, stellt Harald auf die Probe. Spontane Routenänderun- gen sind so nicht möglich. Ein paar Ruhetage mit kleineren Bike-Ausflügen an den Gosiankund Seen heben vorübergehend die Laune. Nach drei Tagen zieht die Karawane weiter. Hinauf zum Laurabina Pass auf 4.650 Meter. Ab hier geht es nur noch abwärts, glaubt Harald. Doch weit gefehlt! Die Tour gleicht einer zehntägigen Alpenüberquerung, bei der es genauso viel rauf wie runter geht – und fast alles nur über üble Steinstufen, größtenteils unfahrbar. Der ver- meintliche Traumtrip wird zum Alptraum. Erst die letzten 400 Höhenmeter auf Mandils Home- trail hinab nach Katmandu versöhnen Harald. Ein schwacher Trost. Desillusioniert und frustriert tritt er den Rückflug an. Er hadert mit sich und seinen Vorstellungen. „Wollte ich nicht dort biken, wo noch keiner zuvor war? Wollte ich nicht das pure, wilde Nepal erleben?“ fragt er sich. „Ich habe genau das bekommen.“ Langsam beginnt er zu verstehen: „All die ernüchternden Erfahrungen waren einfach nur die Quittung für die Arroganz, mit der ich an mein Projekt Nepal herangegangen bin. Ich dachte, ich könnte alles so machen wie zuhause in den Alpen, alles wäre so wie dort, nur noch großer, noch schöner.“ Und lang- sam begreift er auch: „Wir lassen uns durch die Bilder aus dem Internet zu oft verführen. Sie zeigen alles per- fekt. Wir wollen es dann genau so erleben. Der Kon- trast zwischen der Realität und den Bildern in meiner Fantasie führte zu einem heiklen Experiment, zu völlig falschen Erwartungen. Wäre ich ohne diese Bilder im Kopf losgezogen, hätte ich vielleicht alles ganz anders empfunden.“ „Himalaya – nie wieder!“ ist Harald versucht zu den- ken. Doch gleichzeitig findet er: „Das kann es noch nicht gewesen sein!“ Anderthalb Jahre später sitzt er zusammen mit Hüttenwirt Martin Falkner, einem lang- jährigen Bike-Freund, wieder im Flieger nach Kath- mandu. Martin war noch nie im Himalaya, doch die Einstellung, mit der er an das Projekt Himalaya Zwei Ein richtig cooles Bike-Abenteuer, das wär’s! Wer träumt nicht davon? Bike-Bergsteiger und Extrem-Biker Harald Philipp ist Abenteurer von Beruf. Er hat den Gletscher am Monte Cevedale in den Dolomiten mit dem Bike befah- ren, schwindelerregende Klettersteige in der Brenta, krasse Karst-Trails in den Berchtesgadener Alpen und steile Schotterreiß’n im Karwendel. Gibt es noch eine Steigerung?
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