Bergstolz Issue No. 84
16 UGANDA Bergstolz Ski & Bike Magazin • 06 | 2019 Auf der Fahrt nach Sipi beobachteten wir interessiert das Leben am Rande der Straßen. Vorwiegend Schot- terpisten, sind diese hier nicht einfach nur Verbin- dungswege, sondern pulsierende Arterien, die besonders in der Nähe der vielen Hütten und Siedlun- gen voller Menschen sind. Kinder in Schuluniformen, Menschen, die alles Mögliche transportieren, alles er- schien in Bewegung und lebendig. Dazu gesellten sich auch noch die vielen Boda-Bodas, Motorradtaxi, die wirklich für den Transport von allem verwendet wer- den: Mensch, Tier, Baumstamm oder Kommode. Schließlich erreichten wir Sipi mit seinen spektakulären Wasserfällen. Das kleine Dorf liegt auf zirka 1.800 Me- tern, die Nächte sind dementsprechend angenehm frisch und auch Stechmücken gibt es hier wenige. Malaria, sonst in Uganda recht verbreitet, ist hier deshalb glück- licherweise fast gar kein Problem. Wir quartierten uns in einer idyllischen Lodge ein, inmit- ten des Regenwalds, gleich neben einem der drei impo- santenWasserfälle. Ohne elitärem Luxus, sondern mit viel Geschmack sorgt man hier für Wohlbehagen. Kleine, feine Banda-Hütten und Cottages, frisches, schmackhaf- tes Essen, hauseigener Kaffee aus den umliegenden Fel- dern, wir waren uns vom ersten Moment an sicher, dass wir es uns hier nach dem Biken gut gehen lassen konn- ten. Denn in den nächstenTagen sollten wir hier vor allem eines: Trails scouten und Biken. Und darauf freuten wir uns schon zuhause. Besonders gespannt waren wir auf das High-Light des Trips, den 4.321 m hohen Mount Elgon. Doch zuvor wollten wir uns erst die besten Sing- letrails rund um Sipi anschauen. Gleich am nächsten Morgen starteten wir direkt von der Lodge mit unseren Rädern, um zu den nahegelegenen Hometrails zu gelangen. Die Freude darüber, endlich die Gegend zu erkunden und unsere neuen Bikes einweihen zu können, die wir von Norco erst kurz vorher erhalten hatten, war groß. Der erste Trail begann bei einer nicht weit entfernten Siedlung, wo Will mit ein paar Einwoh- nern ins Gespräch kam, während uns hingegen neugie- rige Augen betrachteten. Das sollte uns auch in den nächsten Tagen immer wieder passieren: Gespräche mit den Locals, die wir beim Durchqueren der vielen Siedlun- gen antrafen, und viel Interesse an uns und unseren Bikes. Besonders die Kinder kamen immer gern ange- rannt. Bikes machen Völkerverständigung einfacher! Nach diesem spontanen Zusammentreffen rollten wir auf den Trail ein.Wie fast alleWege hier, war auch dieser kein Wanderweg, wie wir in denAlpen gewöhnt sind, sondern eine alltäglich verwendeteVerbindung zwischen Feldern, Hütten und Dörfern. So verlief auch dieser Trail relativ flach, war aber kein Promenadenweg und bot deshalb auch technische Stellen und Steine, Bodenwellen oder Berms, die zum Spielen einluden. Mit viel Flow und offe- nen Bremsen schlängelten wir uns auf roter Erde und erodierten Steinformationen am Kamm entlang, der uns einen breiten Ausblick auf die Felder und Hütten unter uns schenkte, bis wir die Schlüsselstelle erreichten, wo es hieß abzubremsen und die richtige Linie zu finden. ImTal angekommen beschlossen wir mit den Bikes wieder nach oben zu steigen, um bei einer Abzweigung weiter oben eine weitere Variante zu fahren. Mittlerweile hatten wir uns auf den neuen Rädern auch etwas eingefahren und das Biken machte daher umso mehr Spaß. Am Fuße des Kammes erreichten wir schließlich wieder ein kleines Dorf, wo Boda-Bodas organisiert wurden, um uns mit den Bikes zwischen Fahrer und Biker wieder auf abenteuerli- che Weise nach oben zu bringen. Einem Ordnungshüter zuhause hätte es geschaudert, wir dachten uns aber: That’s Africa! Später ging es dann auf einen weiteren Trail der Umge- bung. Irgendwann stoppten wir bei ein paar einfachen Hütten.Während sichAndreas dort herzlich mit den Kin- dern beschäftigte, fiel mein Blick auf die bescheidenen Verhältnisse, in denen die Leute hier leben. Einfachste, kleine Hütten, zweckdienlich aber unbequem, oft ohne Strom und fließendemWasser. Das Leben hier ist für viele sicher nicht immer frei von Schwierigkeiten. Unsere Lodge war der reinste Luxus dagegen. Ich war mir sicher, dass sich viele der Menschen ein Leben mit weniger Entbeh- rungen wünschten. Und doch begegneten uns die meis- ten mit einem breiten Lächeln und schienen ihre Zuversicht, trotzt des wenigen Besitzes, nicht verloren zu haben. Nachdenklich schaute ich in die Ferne und dachte mir dabei, dass wir als reisende Biker zwar eigentlich einer nicht wirklich lebenswichtigen Leidenschaft nach- gehen, durch den direkten Kontakt unterwegs aber eine Verbindung entstand, und letztlich durch unsere Gegen- wart die spärlichen Wirtschaftskreise etwas angekurbelt wurden.Während uns die Kinder bei derWeiterfahrt noch freudig hinterherwinkten, konzentrierte ich mich auch schon wieder auf den Trail, der nun schwungvoll durch Kaffeefelder und Kochbananenhaine führte. Am folgenden Tag hieß es frühzeitig starten, um uns in die Gegend von Kapchorwa shuttlen zu lassen. Auf 2.700 m erwartete uns eine fast endlose Abfahrt von der Flanke des Mount Elgon runter zur Savanne. Vor dem Start kehrten wir noch bei einer kleinen Hütte ein, wo es Tee mit Milch und ein einfaches, öliges Fladen- brot gab. Sonst gibt es in Uganda an jeder Ecke Cha- pati-Rollen gefüllt mit Eiern, Zwiebeln, Tomaten oder anderem Gemüse, die unter dem treffenden Namen "Rolex" bekannt sind. Hier, abgelegen von den größe- ren Siedlungen, war die Küche spärlicher. Wir ließen das Dorf zurück und begaben uns auf die Lange Abfahrt, die sich über die flachen Ausläufer des Mount Elgon durch kleine Siedlungen und Äcker zog. Desto weiter wir nach unten kamen und uns der Sa- vanne näherten, desto wärmer, trockener und wilder wurde es. Schließlich gelangten wir an die obere Kante eines Canyons. Der Ausblick auf die Savanne unter uns und die im Hintergrund liegenden, erloschenen Vul- kane raubte uns den Atem. Will zeigte uns den Punkt, wo unsere Abfahrt enden würde. Es war noch ein wei- ter Weg, perfekt!Wir brausten weiter auf dem Trail ent- lang, wetzen um Ecken und Gestein, erblickten zwischendurch eine Gruppe von Pavianen, bis wir schwitzend die Savanne erreichten. Nach einem Tag, an dem wir es gemütlicher angingen, fuhren wir mit großen Erwartungen zum Eingang des Mount Elgon Nationalparks und damit dem Höhepunkt
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